Mängelverwaltung:Wie die Bundeswehr ihre Ausrüstung zusammenkratzen muss

Bundeswehr-Soldaten stehen vor ihrer Ausrüstung

Das muss alles mit: Deutsche Soldaten, die Teil der schnellen Eingreiftruppe sind, samt ihrer Ausrüstung im sächsischen Marienberg.

(Foto: FABRIZIO BENSCH/Reuters)
  • Im Jahr 2023 will Deutschland als Nato-Bündnispartner voll ausgerüstet bereitstehen. Aktuell kann davon kaum die Rede sein.
  • Die Vorgänger von Verteidigungsministerin von der Leyen hatten die Truppe systematisch heruntergespart.
  • Fünf Milliarden Euro würde es kosten, die Brigade für die schnelle Eingreiftruppe so zusammenzustellen, dass sie all das Material, das sie braucht, vorrätig hat.

Von Mike Szymanski, Berlin

Was wäre die Bundeswehr schon ohne einen Plan? Einer der besonders ehrgeizigen passt auf einen grünen Bierdeckel: "Plan Heer" steht auf dem Werbeartikel, mit dicken Pfeilen ist da skizziert, wo es mit der Truppe langfristig hingehen soll. Was die Bündnisverpflichtungen angeht, lautet das wichtigste Etappenziel: "VJTF 2023". VJTF, das ist Militärjargon. Die Abkürzung steht für Very High Readiness Joint Task Force, dahinter verbirgt sich die schnelle Eingreiftruppe der Nato, gerne auch mal als Nato-Speerspitze bezeichnet.

Innerhalb von spätestens sieben Tagen sollen die Soldaten samt Ausrüstung überall dorthin verlegt werden können, wo das Bündnis sie gerade braucht. 2023 - das ist laut "Plan Heer" der Zeitpunkt, an dem die Bundeswehr erstmals ihren Beitrag dazu leisten will, ohne vorher alle Kasernen dafür geplündert und Panzer zusammengeklaubt zu haben. Im Jahr 2023 will Deutschland als Bündnispartner tatsächlich einmal richtig bereit sein. Im Jahr 2018 kann davon nämlich kaum die Rede sein. Auch jetzt ist die Bundeswehr schon dabei, die Führungsrolle bei der Nato-Bereitschaftsbrigade mit etwa 5000 Männern und Frauen sowie Material aus Deutschland für das Jahr 2019 zu übernehmen. Wer wissen will, wie es um die Bündnisfähigkeit der Bundeswehr bestellt ist, muss sich nur den Kampf gegen den Mangel anschauen, der dafür geführt wird.

Für 2018 gilt es, die VJTF-Brigade innerhalb von 45 Tagen "verlegebereit" zu halten

Die Nato-Speerspitze bindet große Teile der Truppe für drei Jahre. Für 2018 gilt es, die VJTF-Brigade innerhalb von 45 Tagen "verlegebereit" zu halten. Verlegebreit bedeutet, das gesamte Material muss vorrätig sein und in Teilen schon verpackt. Es wartet nur auf den Abtransport. In einem als vertraulich eingestuften Zwischenbericht vom Januar hieß es noch, nur 70 Prozent der erforderlichen Ausrüstung stehe durch die 1. Panzerdivision zur Verfügung. 45 Tage sind zum Glück viel Zeit, um aus dem gesamten Bestand in Deutschland Material heranzuschaffen. Deshalb genügt es, beispielsweise einen Panzer X, der in der Kaserne Y steht, als eingeplant vorzumerken. Er kann aber erst einmal stehen bleiben, wo er ist.

2019 ist das schon anders. Da muss die Bereitschaftsbrigade innerhalb von sieben Tagen verlegt werden können. Was dann gebraucht wird, kann nicht mehr nur auf der Liste zur Verfügung stehen, sondern muss schon auf dem Hof sein. Und spätestens damit gehe der Auftrag zu "Lasten des gesamten Heeres", wie es in dem Dokument hieß. 2020 - nach der Führungsaufgabe - entspannt sich die Lage dann wieder. Dann erstreckt sich die Bereitschaftsphase auf 30 Tage. Nicht ohne Grund hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) einmal den deutschen Beitrag zur Speerspitze als für den Moment noch etwas "hohl" bezeichnet.

Von der Leyens Vorgänger hatten die Truppe heruntergespart

"Nach 25 Jahren des Schrumpfens und Sparens hapert es an vielen Dingen", räumt der Heeres-Inspekteur, Generalleutnant Jörg Vollmer, ein. Von der Leyens Vorgänger hatten die Truppe systematisch heruntergespart. Das Prinzip der Vollausstattung war aufgegeben worden. Der Begriff des "dynamischen Verfügbarkeitsmanagements" kommt aus dieser Zeit, er steht für angeordnete Mangelwirtschaft.

Die Folgen zeigen sich auch jetzt, wenn es darum geht, die Brigade für die Nato-Speerspitze zu stellen: "Andere Verbände des Heeres müssen in dieser Zeit auf Ausrüstungsteile verzichten, die sie für Übung und Ausbildung benötigen", sagt Vollmer. Das sei schmerzhaft und "kein tragfähiges Modell für die Zukunft".

Seine Antwort darauf ist der Bierdeckel-Plan. "Jetzt beginnend wird jeweils eine Brigade nach der anderen nacheinander so ausgestattet, dass sie einen VJTF-Auftrag aus sich heraus leisten kann", sagt Vollmer. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg und das Haupthindernis das fehlende Geld. Fünf Milliarden Euro würde es kosten, die Brigade so zusammenzustellen, dass sie all das Material, das sie braucht, vorrätig hat - bis hin zum großen Schützenpanzer. "Die Voraussetzung dafür ist, dass die dafür notwendigen finanziellen Mittel bereitgestellt werden", sagt Vollmer. Das ist der Kampf, der nun in Berlin ausgefochten werden muss.

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