Missbrauchsstudie der Bischofskonferenz:"Wir haben den Opfern nicht zugehört"

Lesezeit: 2 min

Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (Mitte), bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda. (Foto: dpa)
  • An diesem Dienstag hat die Deutsche Bischofskonferenz ihre Missbrauchsstudie offiziell vorgestellt.
  • Das wichtigste Ergebnis der Autoren: Die Kirche geht bei der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen nicht konsequent genug vor.
  • Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, der Münchner Kardinal Reinhard Marx, entschuldigt sich bei den Opfern.

Mit deutlicher Selbstkritik hat Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, auf die Ergebnisse der Missbrauchsstudie reagiert, die von der Bischofskonferenz selbst in Auftrag gegeben wurde: "Allzu lange ist in der Kirche Missbrauch geleugnet, weggeschaut und vertuscht worden", sagte Marx. Er bitte alle Opfer um Entschuldigung und schäme sich für das Vertrauen, das zerstört worden sei, für die Verbrechen durch Amtspersonen der Kirche. Viel zu lange habe man geglaubt, das Thema sei bald überstanden.

Das Ergebnis der Studie hatten die Autoren wie folgt zusammengefasst: Die katholische Kirche in Deutschland habe das Problem des sexuellen Missbrauchs durch Priester noch nicht im Griff. Es bestehe eine "dringende Pflicht zum Handeln", sagte Roswitha Müller-Piepenkötter, die im Beirat der Studie saß. Vier Jahre lang hatte ein Forscherkonsortium um den Mannheimer Psychiater Harald Dreßing an der Untersuchung gearbeitet, die die Jahre 1946 bis 2014 umfasst. Die ersten Ergebnisse waren schon vorvergangene Woche publik geworden.

Missbrauchsskandal
:Was die Kirche tun muss

Papst und Bischöfe müssen die Debatte dafür öffnen, wie ein menschenfreundliches Verhältnis der Kirche zur Sexualität aussehen könnte und sie müssen Kontrolle abgeben.

Kommentar von Matthias Drobinski

Dreßing übt harte Kritik an der katholischen Kirche. Sowohl das Ausmaß der Fälle als auch der Umgang der Verantwortlichen damit hätten ihn "erschüttert". Demnach dürfte die tatsächliche Zahl der Missbrauchsfälle deutlich größer sein. Es gehe hier um die "Spitze eines Eisbergs, dessen tatsächliche Größe wir nicht kennen".

Nach wie vor bestehe für Jungen und Mädchen eine Gefahr des Missbrauchs durch Priester. Es sei davon auszugehen, dass "auch für die nahe Vergangenheit und für die Zukunft mit solchen Fällen zu rechnen ist", sagte Müller-Piepenkötter. Die Studienautoren fordern, den 2010 eingeleiteten Weg der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in wichtigen Punkten "radikal" zu ändern.

Kardinal Marx sagte weiter: "Ich empfinde Scham für das Wegschauen von vielen, die nicht wahrhaben wollten, was geschehen ist, und die sich nicht um die Opfer gesorgt haben. Das gilt auch für mich! Wir haben den Opfern nicht zugehört. All das darf nicht folgenlos bleiben. Die Betroffenen haben Anspruch auf Gerechtigkeit." Sexueller Missbrauch sei ein Verbrechen. Und wer schuldig sei, müsse bestraft werden. Man habe zu lange weggeschaut um der Institution willen "und des Schutzes von uns Bischöfen und Priestern willen". Die Kirche habe Machtstrukturen zugelassen und "meist einen Klerikalismus gefördert, der wiederum Gewalt und Missbrauch begünstigt hat".

Im Jahr 2010 war der Missbrauchsskandal der katholischen Kirche in Deutschland bekannt geworden, die nun vorgestellte Studie soll das Geschehene aufarbeiten. Für das Forschungsprojekt lagen 38 156 Personal- und Handakten von Geistlichen vor. Daraus ergeben sich Missbrauchsvorwürfe gegen 1670 Kleriker, was einem Anteil von 4,4 Prozent der geprüften Geistlichen entspricht. Besonders ausgeprägt sind die Vorwürfe gegen Gemeindepriester, von denen sich 5,1 Prozent des Missbrauchs schuldig gemacht haben sollen. 3677 Kinder und Jugendliche sind als Opfer dieser Taten dokumentiert.

© SZ.de/AFP/KNA/ick - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Missbrauch in katholischer Kirche
:"Wir dürfen das Leid nicht ignorieren"

Mit einem Bericht will die Bischofskonferenz die Fälle sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche aufarbeiten. Der Missbrauchsbeauftragte der Regierung findet: Das reicht nicht.

Interview von Matthias Drobinski

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: