Angelique Kerber:Verabschiedet in zwölf dürren Zeilen

Angelique Kerber und ihr Trainer Wim Fissette

Höhepunkt einer unerwartet kurzen Zusammenarbeit: Angelique Kerber (links) dankt Mitte Juli ihrem Trainer Wim Fissette nach dem Triumph im Finale von Wimbledon.

(Foto: Steven Paston/dpa)
  • Wimbledon-Siegerin Angelique Kerber trennt sich von ihrem Trainer Wim Fissette. Die Gründe bleiben rätselhaft.
  • Die Trainerentlassung mutet seltsam an, denn eigentlich war die Zusammenarbeit mit Fissette sehr erfolgreich.
  • Es scheint, als wolle Kerber schnell wieder zur Tagesordnung übergehen.

Von Gerald Kleffmann

Am Wochenende noch waren Angelique Kerber und Wim Fissette auf dem Tennisplatz und haben geübt. Es galt, am letzten Schliff zu feilen, das Saisonfinale der Frauen-Tour steht an, das seit einigen Jahren stets in Singapur stattfindet, diesmal vom 21. Oktober an. In den vergangenen Wochen war es nicht mehr so grandios gelaufen für die 30 Jahre alte Deutsche aus Kiel, die sich zwischen ihren Einsätzen in ihre zweite Heimat zurückzieht, in den polnischen Ort Puszczykowo.

Seit dem größten Erfolg ihrer Karriere, dem Titelgewinn beim Rasenturnier von Wimbledon im Juli, hat Kerber elf Matches gewonnen und fünf verloren. Eine der üblichen Formdellen nach Ausnahmetriumphen, ließ sich annehmen; sie wirkte wirklich leer nach den Trubeltagen und -wochen von England. Kerbers Gesamtbilanz war trotz allem erfreulich in diesem Jahr: Sie gewann Anfang 2018 auch das Turnier in Sydney, kehrte in die Top Ten zurück, wo sie derzeit auf Rang drei geführt ist, verdiente 5,3 Millionen Dollar. Am Montag veröffentlichte Kerber noch zwei fröhliche Fotos von sich im Internet, sie lächelte im Flieger, der sie nach Asien brachte. Alles in Ordnung, das sollte die Schwingung sein, die Kerber ihren Fans mitteilen wollte.

Aber es war ein Trugbild. Denn der Mann, der großen Anteil an ihrem erfolgreichen Jahr hatte, war nicht mit dabei auf der Reise nach Singapur. Darüber klärte eine Pressemitteilung am Dienstagmittag die überraschte Öffentlichkeit auf.

Kerber und Fissette haben alles erreicht, was sie sich erhofft hatten

"Wim Fissette ist mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben als Trainer von Angelique Kerber freigestellt", hieß es in dem Text, von Kerbers Manager Aljoscha Thron entsandt: "Trotz der erfolgreichen Zusammenarbeit seit Beginn der Saison wurde dieser Schritt aufgrund von unterschiedlichen Auffassungen bzgl. der zukünftigen Ausrichtung erforderlich."

Trainerentlassungen kommen im Tennis natürlich immer wieder vor, gerade am Saisonende. Aber diese mutete seltsam an, was sich sogar anhand des offiziellen Fazits der gut elfmonatigen Zusammenarbeit ablesen ließ: "Wir bedanken uns bei Wim Fissette für sein professionelles Engagement, das zum Erreichen der Saisonziele beigetragen hat", heißt es in dem Schreiben: "Besonders hervorzuheben sind der Gewinn des Wimbledon-Titels und die Rückkehr in die Top-3 der Weltrangliste."

Kerber hatte mit Fissette, einem 38 Jahre alten Belgier, alles erreicht, was sich die beiden erhofft hatten. Und doch ist plötzlich Schluss. Ab sofort. Auch die anteilnehmende zahlreiche Fangemeinde im Netz verfiel sogleich in Verwunderung. Manch einer schrieb "Was soll das?", andere gestanden: "Ich bin besorgt."

Kerber mag Veränderungen im Leben nur ungern

Kerber hatte ihren Abwärtstrend, der sie überhaupt erst zum Wechsel von Torben Beltz hin zu Fissette bewegt hatte, stoppen und in eine wieder positive Entwicklung umkehren können. Das Jahr über betonten beide wiederholt, wie sehr sie es schätzen, diese Wegstrecke gemeinsam zu gehen. Es sah sogar aus, als könnten sie noch einiges zusammen erreichen. Kerber mag Veränderungen im Leben nur ungern. Wenn sie einmal Vertrauen in die Fähigkeiten eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin gefasst hat, ist sie eine loyale Arbeitgeberin. Genau aus diesem Grund hatte sie auch sehr, sehr lange an Torben Beltz festgehalten, der sie zu den ersten zwei Grand-Slam-Triumphen 2016 geführt hatte.

Und doch ist Fissette nun raus dem Team, verabschiedet in zwölf dürren Zeilen, die mehr irritierten als aufklärten. Doch weder Kerbers Manager noch Fissette äußerten sich auf Anfrage, wobei Thron in der Mitteilung anmerkte, er sei auf dem Weg nach Singapur. Ihre Telefone klingelten somit durch an einem Tag, an dem sie wussten, es würde Fragen geben. Und das macht diese Trennung noch merkwürdiger, zumal der angegebene Grund mit den unterschiedlichen Auffassungen wie aus dem Stehsatz für Erklärungen wirkt, wenn man nichts erklären will. Allein die Tatsache, dass es Kerber und Fissette nicht einmal schafften, das letzte große Turnier in Singapur als Duo zu Ende zu bringen, lässt darauf schließen, dass es intern einen Knall gegeben haben muss. Ein Knall offenbar am zurückliegenden Wochenende.

Möglicherweise wird Kerber in Singapur bei ihrer ersten Pressekonferenz Auskunft geben. Wahrscheinlicher ist aber, dass sie versuchen wird, nicht allzu viel preiszugeben. Die Art, wie Deutschlands erfolgreichste Tennisspielerin seit Steffi Graf diese Trennung öffentlich abwickelte, drängt eher die Vermutung auf, sie wolle schnell zur Tagesordnung übergehen. "Über die Nachfolge von Wim Fissette wird erst nach dem WTA-Finale in Singapur entschieden", heißt es weiter. Und dann endet bereits die Pressemitteilung. Offensichtlich, so liest sich das alles, sind Kerber und Thron selbst etwas überrumpelt von der Trennung, die zwei Ursachen haben könnte.

Fissette ist ein freundlicher, sachlicher Denker, dabei stets klar in seinem Anspruch, was er von seinen Spielerinnen erwartet. So gesehen könnte es bei der sportlichen Analyse, wie Kerber wieder aus ihrem zarten Tief herauskommen könnte, zu Differenzen gekommen sein. Wenn es denn mal nicht doch, wie so oft im Sport, um etwas Unsportliches gegangen ist, ums Geld. Es wäre jedenfalls nicht das erste Mal, dass sich im Tennis eine Spielerin und ihr Trainer trennen, weil man sich nach einem erfolgreichen Jahr nicht über einen Folgevertrag einig werden konnte.

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