Mittelamerika:Migranten durchbrechen Grenze zwischen Guatemala und Mexiko

  • Einige Migranten haben die Grenze von Honduras zu Mexiko durchbrochen. Ihr Ziel sind die USA.
  • Bei den Flüchtlingen handelt es sich nicht um einen koordinierten Treck, es gibt keine erkennbaren Anführer.
  • Wie die Regierung in Mexiko-Stadt mit der Situation umgehen wird, ist ungewiss. Es ist unklar, wer dort eigentlich regiert.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Laut Donald Trump befinden sich "viele Kriminelle" unter den Flüchtlingen aus Honduras, die sich der Grenze zwischen Guatemala und Mexiko nähern. Ärzte, Hilfskräfte und Journalisten, die die Karawane begleiteten, zeichnen ein komplett anderes Bild der Lage. Demnach handelt es sich keineswegs um einen "Überfall" auf die USA, wie Trump behauptet, sondern eher um eine sich im Schritttempo fortbewegende humanitäre Katastrophe.

Am Freitagabend durchbrachen Dutzende Migranten aus Mittelamerika bereits die Grenze zu Mexiko, kletterten auf den Grenzzaun und auf Militärjeeps. Männer, Frauen und Kinder eilten zu einer gut 130 Meter entfernten Brücke nach Mexiko. Der Rest kehrte nach Guatemala um, nachdem mexikanische Polizisten Pfefferspray eingesetzt hatten. Einige der Migranten warfen Steine. Anschließend schloss die Polizei die Grenztore wieder.

Zuvor berichteten Augenzeugen von Familien, die sich im Getümmel aus den Augen verlieren, von Vätern, die Hunderte Kilometer Fußmarsch mit einem Baby auf dem Arm zurücklegen, von dehydrierten Kindern, die nach Wasser schreien, von verbrannten Füßen, weil sich der Asphalt in der Mittagssonne wie eine Herdplatte erhitzt. In der südguatemaltekischen Stadt Zacapa - von hier aus sind es rund 2500 Kilometer bis zur US-Grenze - soll eine entkräftete Mutter ihr einjähriges Kind durchs Seitenfenster in einen überfüllten Kleinbus hineingereicht haben, mit der Bitte: "Nehmt es mit, bringt es irgendwo in Sicherheit." Für sie war kein Platz mehr.

Nichts deutet darauf hin, dass es sich bei diesen Menschen um Kriminelle handelt, sehr viel aber darauf, dass sie vor absurder Kriminalität flüchten. Die Karawane war am vergangenen Wochenende im honduranischen San Pedro Sula gestartet. Die Stadt gehört seit Jahren zu den Orten mit der höchsten Mordrate weltweit.

Die Karawane hat sich längt in Kleingruppen aufgeteilt

Es gibt keine offizielle Statistik über die Menschen, die sich auf den lebensgefährlichen Weg in ein besseres Leben gemacht haben. Zunächst sollen es 160 gewesen sein. Aber in den zurückliegenden Tagen haben sich immer mehr Verzweifelte angeschlossen. Die Behörden in Guatemala gehen inzwischen davon aus, dass sich etwa 5000 Flüchtlinge aus Honduras auf ihrem Staatsgebiet befinden.

Es handelt sich nicht um einen koordinierten Treck, es gibt keine erkennbaren Anführer. Die Karawane hat sich längt in Kleingruppen aufgeteilt, die in unterschiedlicher Geschwindigkeit vorankommen. Manche sind schon wieder umgekehrt, die Schnellsten haben bereits die Südgrenze Mexikos erreicht. Unterwegs gibt es auch bewegende Szenen zentralamerikanischer Solidarität. Guatemalteken, die selbst nicht viel haben, beten am Straßenrand für die vorbeiziehenden Honduraner, sie reichen ihnen Plastiktüten mit Trinkwasser, Teigfladen oder stecken ihnen zehn Quetzales zu. Falls die Wanderer jemals das aus ihrer Sicht gelobte Land erreichen, bekommen sie dafür etwa einen US-Dollar, besser als nichts.

Dazwischen liegt aber noch das große, unwägbare Mexiko. Es ist in diesen Tagen besonders schwer vorherzusagen, wie die Regierung in Mexiko-Stadt mit der Situation umgehen wird. Es ist nämlich nicht klar, wer hier eigentlich regiert. Das Land befindet sich mitten in der Übergangsphase von der scheidenden Administration Enrique Peña Nietos zu der seines gewählten Nachfolgers Andrés Manuel López Obrador. Der wird offiziell am 1. Dezember die Amtsgeschäfte übernehmen, tritt aber schon seit Monaten wie der Chef von Mexiko auf.

Videgaray hat bereits angekündigt, dass illegale Einwanderer deportiert würden

Auch bei dem jüngst vereinbarten Handelsabkommen mit den USA waren López Obradors Leute bereits maßgeblich beteiligt. Und deshalb ist auch nicht klar, an wen sich eigentlich Trumps Drohung richtet, die US-Südgrenze militärisch abzuriegeln und das Handelsabkommen wieder zu opfern, falls die Mexikaner die Karawane nicht stoppten. US-Außenminister Mike Pompeo wollte sich an diesem Freitag sowohl mit Luis Videgaray, dem Außenminister Peña Nietos, als auch mit Marcelo Ebrard, dem Kollegen der López-Obrador-Regierung treffen. Er wird dabei wohl sehr unterschiedliche Strategien zu hören bekommen.

Videgaray ist ein alter Bekannter von Trumps Schwiegersohn Jared Kushner. Er hat bereits angekündigt, dass illegale Einwanderer deportiert würden und schickte zum Beweis der Kooperation einige Hundertschaften Polizisten an die Grenze. Dafür gab es Applaus aus Washington. Ebrard wiederum sagte, die Drohung Trumps habe vor allem mit den anstehenden Wahlen in den USA zu tun. Abschiebungen würden nichts ändern an den Fluchtursachen. Sein künftiger Vorgesetzter López Obrador stellte den Migranten Arbeitsvisa in Mexiko in Aussicht, und Arbeitsplätze gleich dazu. Er will im verarmten Süden des Landes ohnehin mehrere Hunderttausend Jobs schaffen, über Infrastrukturprojekte und ein großes Aufforstungsprogramm. Nach mexikanischen Medienberichten ist das im Rahmen der Handelsvereinbarungen auch genau so mit Washington abgesprochen, um der Flüchtlingsfrage mit humanitären Methoden zu begegnen - unter dem Arbeitstitel "Mauer der Investitionen".

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