Rechte Gewalt:Dieter Reiter fordert Zivilcourage

Rechte Gewalt: "Gerade vor dem Hintergrund der rassistischen und antisemitischen Ausschreitungen in Chemnitz müssen wir diesem Hass und der Ausgrenzung von Menschen von Anfang an unsere entschiedene Gegenwehr und unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt entgegensetzen", sagt Dieter Reiter.

"Gerade vor dem Hintergrund der rassistischen und antisemitischen Ausschreitungen in Chemnitz müssen wir diesem Hass und der Ausgrenzung von Menschen von Anfang an unsere entschiedene Gegenwehr und unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt entgegensetzen", sagt Dieter Reiter.

(Foto: Claus Schunk)
  • Seit den Ausschreitungen in Chemnitz hat rechte Gewalt laut der Opferberatungsstelle "Before" auch in München zugenommen.
  • Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter hält das für "besorgniserregend", es dürfe keinen Gewöhnungseffekt geben.
  • Nicht jedes rechtsmotivierte Hassverbrechen auch als solches in der Statistik ausgewiesen.

Von Martin Bernstein

Opferberatungsstellen und Experten warnen vor einer Zunahme rechter Gewalt in München seit den Ausschreitungen in Chemnitz Ende August. In den letzten Wochen verzeichnete das Polizeipräsidium München einen Anstieg der Zahl derartiger Delikte. Allein vier mutmaßlich rechts motivierte Attacken listete die Polizei vergangene Woche in ihrem Pressebericht auf.

Der spürbare Anstieg beschäftigt auch Oberbürgermeister Dieter Reiter: "Die Zunahme rechter Straf- und Gewalttaten auch in der Landeshauptstadt München ist besorgniserregend", so Reiter. "Gerade vor dem Hintergrund der rassistischen und antisemitischen Ausschreitungen in Chemnitz müssen wir diesem Hass und der Ausgrenzung von Menschen von Anfang an unsere entschiedene Gegenwehr und unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt entgegensetzen."

Auffallend ist, wie viele der Taten, die von der Polizei veröffentlicht wurden, aus Alltagssituationen heraus verübt wurden, beim Einkaufen, am Taxistand, beim Spaziergang. Alltäglicher Rassismus? Es dürfe keinen Gewöhnungseffekt geben, fordert Dieter Reiter und appelliert an die Münchner: "Wir alle sind gefragt: Als Bürger, indem wir im Alltag Zivilcourage zeigen, und als politische Vertreter der Stadt, indem wir Rassismus und Antisemitismus benennen und konsequent verfolgen."

19 Gewalttaten hatte die Münchner Polizei bis Ende September als politisch rechts motivierte Straftaten erfasst, im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 20. Auffallend ist allerdings, dass es im ersten Halbjahr 2018 zunächst einen deutlichen Rückgang gab, im dritten Quartal dann aber wieder einen spürbaren Anstieg. Mindestens drei weitere Taten kamen allein Anfang Oktober dazu. Die Polizei betont, dass es sich um vorläufige Zahlen handelt, ein seriöses Lagebild sei daher noch nicht möglich. Im gesamten Jahr 2017 registrierte die Münchner Polizei 29 rechte Gewalttaten, 2016 waren es 38.

Die Opferberatungsstelle "Before" hat nach den rechtsradikalen Ausschreitungen und Angriffen am 26. und 27. August in Chemnitz auch in München einen Anstieg rechter und rassistischer Gewalttaten beobachtet. Die Täter hätten offenbar "mit Blick nach Sachsen das Gefühl, ihren Einstellungen auch Taten folgen lassen zu können". Insgesamt verzeichnet Before im Vergleich zu 2017 einen Anstieg der Fallzahlen. Die Polizei betont dagegen: Eine "valide" Auskunft sei angesichts laufender Ermittlungen dazu noch nicht möglich. Man sei "in dem besonders sensiblen Bereich der politisch motivierten Gewaltkriminalität bei der Bewertung primär auf Ermittlungsergebnisse angewiesen", heißt es aus der Ettstraße. Deshalb könnten sich nachträglich Änderungen ergeben.

Ähnlich ist die Auskunft der Bundespolizei. Ein aktueller Vorfall vom Wochenende macht das deutlich: Nach einem Streit in der S-Bahn mit einer Gruppe junger Afghanen ging ein Baierbrunner zu seinem Auto, holte eine Gasdruckpistole und bedrohte damit die Jugendlichen. Alkohol war im Spiel, das steht fest. Doch auch ein fremdenfeindliches Motiv? Das könne man erst durch Vernehmungen und die Auswertung der Videoaufzeichnungen klären, sagt Bundespolizeisprecher Wolfgang Hauner.

Außerdem wird nicht jedes rechtsmotivierte Hassverbrechen auch als solches in der Statistik ausgewiesen. Seit 1990 wurden in Deutschland mindestens 169 Menschen von rechten Gewalttätern umgebracht, sagen Fachstellen. Das sind doppelt so viele Fälle, wie offiziell anerkannt wurden.

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