Klimaschutz:"Überlebensfrage der Menschheit"

Antonio Guterres spricht auf dem UN-Weltklimagipfel in Kattowitz

UN-Generalsekretär Antonio Guterres spricht während des Weltklimagipfels.

(Foto: dpa)
  • Zu Beginn der Weltklimakonferenz warnt UN-Generalsekretär Guterres, die Dringlichkeit der Situation könne kaum überschätzt werden.
  • Die deutschen Minister Schulze und Müller haben große Erwartungen an den Gipfel. Klimaforscher Latif wirft der Regierung dagegen Versäumnisse vor.
  • Beim 24. UN-Klimagipfel verhandeln Vertreter aus knapp 200 Staaten darüber, wie die Beschlüsse der Pariser Klimakonferenz von 2015 umgesetzt werden können.

Zum Auftakt der Weltklimakonferenz in Polen hat UN-Generalsekretär António Guterres in einem dramatischen Appell zu einem entschlossenen Kampf gegen die Erderhitzung aufgerufen. Weltweit sei der Klimawandel für viele Menschen, Regionen und auch ganze Staaten bereits eine "Frage von Leben und Tod", sagte er am Montag in Kattowitz (Katowice/Polen). "Wenn wir versagen, werden die Arktis und Antarktis weiter schmelzen, die Korallen sterben, die Meeresspiegel steigen; mehr Menschen werden an Luftverschmutzung sterben und an Wasserknappheit und die Kosten dieses Desasters werden durch die Decke schießen."

Guterres warnte, die Welt stecke wegen des Klimawandels in großen Schwierigkeiten, die Dringlichkeit der Situation könne kaum überschätzt werden. Es gehe darum, ein "globales Klima-Chaos" abzuwenden, sagte er. "Wir brauchen mehr Taten und mehr Ehrgeiz. Wir brauchen eine vollständige Transformation der Weltwirtschaft, der Energiegewinnung sowie der Art und Weise, wie wir mit den Rohstoffen und unseren Wäldern umgehen."

Polens Präsident Andrzej Duda nannte Kattowitz einen "hochsymbolischen" Konferenzort. Am Beispiel der Stadt im oberschlesischen Industrierevier zeige sich, dass ein Ausstieg aus der fossilen Energie möglich sei.

Fidschis Premierminister Frank Bainimarama, zusammen mit Deutschland vor einem Jahr Gastgeber der Klimakonferenz in Bonn, betonte, die Staatengemeinschaft müsse ihre Anstrengungen verfünffachen, um den Anstieg der Durchschnittstemperatur auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Beim 24. UN-Klimagipfel verhandeln Vertreter aus knapp 200 Staaten zwei Wochen lang darüber, wie die als historisch eingestuften Beschlüsse der Pariser Klimakonferenz von 2015 durch klare Regeln zur Umsetzung und Überprüfung ergänzt werden können. In Paris war beschlossen worden, die Erderwärmung auf unter 2 Grad Celsius, möglichst sogar auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze setzt auf Fortschritte in Kattowitz. "Jeder soll nach dieser Konferenz wissen, was er zu tun hat, wie er Fortschritte beim Klimaschutz misst und transparent macht. Und jeder soll nachvollziehen können, was der andere tut", sagte die SPD-Politikerin der Süddeutschen Zeitung. "So entsteht Verbindlichkeit und Vertrauen." Schulze mahnte, die Staaten dürften sich nicht davon beirren lassen, wenn sich große Länder wie die USA oder Brasilien vom Pariser Klimaabkommen abwenden. "Die Großen, die sich kurz wegducken, werden wiederkommen", sagte die Ministerin. "Die Vernunft wird sich nicht dauerhaft aufhalten lassen."

Von 184 Ländern liegen derzeit nur 17 im Plan

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat große Erwartungen an die Konferenz. "Der Klimaschutz ist die Überlebensfrage der Menschheit. Kattowitz muss eine klare Trendwende bringen. Dort müssen die Entscheidungen dafür getroffen werden, das Paris-Abkommen verbindlich umzusetzen." Deutschland hat angekündigt, seinen jährlichen Beitrag zum Grünen Klimafonds der Vereinten Nationen ab 2019 auf 1,5 Milliarden Euro zu verdoppeln. In den Fonds zahlen wohlhabendere Länder ein, finanziert werden Klimaschutzprojekte in Schwellen- und Entwicklungsländern.

Der Klimaforscher Mojib Latif wirft der Bundesregierung dagegen vor, an die internationale Gemeinschaft die falschen Signale zu senden. "Deutschland steht in gewisser Weise mit leeren Händen da", sagte Latif dem SWR. Generell gehe es derzeit beim Klimaschutz "in die falsche Richtung".

Latif verwies auf die Entscheidung, die Vorlage eines konkreten Zeitplans für den Kohleausstieg auf das kommende Jahr zu verschieben. Dahinter könnten sich jetzt andere Länder wie Polen "sehr gut verstecken und sagen, ja, Deutschland will auch länger an der Kohle festhalten, also machen wir das auch".

Gleiches gelte für das Abholzen von Wäldern. Wenn Deutschland zugunsten des Braunkohleabbaus den Hambacher Forst abholze, "was wollen sie einem Brasilianer sagen, wenn der sagt, okay, jetzt fange ich auch an, ordentlich den Regenwald abzuholzen"?, fragte Latif. Auch in anderen Bereichen gehe es in Deutschland nicht voran, kritisierte der Experte mit Blick auf die Sektoren Verkehr und Gebäude.

Warnsignale gibt es reichlich

Deutschland hat seine selbst gesetzten Ziele bislang nicht erreicht. Insgesamt liegen von 184 Ländern nur 17 im Plan. Bis heute hat sich die Erde bereits um rund ein Grad aufgeheizt - seit der vorindustriellen Zeit um 1750. Weltweit fliehen mehr Menschen vor Naturkatastrophen und Klimaereignissen als vor Krieg und Gewalt. Doch auch in diesem Jahr steigt der Ausstoß des Klimakillers Kohlendioxid erneut an, statt zu sinken. Noch immer werden in vielen Staaten neue Kohlekraftwerke gebaut, noch immer fahren die meisten Autos nicht elektrisch, noch immer sind viele Wirtschaftssektoren auf Öl, Kohle und Gas ausgerichtet.

Warnsignale gibt es reichlich: Die Jahre 2015 bis 2018 waren nach ersten Analysen der Welt-Organisation für Meteorologie die vier wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen im 19. Jahrhundert. Die 20 wärmsten lagen alle in den vergangenen 22 Jahren. Macht die Welt weiter wie bisher, wird die Durschschnittstemperatur bis Ende dieses Jahrhunderts womöglich um drei bis vier Grad steigen.

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