Ski alpin:Der Fall mit der Sauerstoffflasche

Ski alpin: Staub aufgewirbelt: Noch ist unklar, ob Stefan Luitz sein Weltcup-Sieg aberkannt wird.

Staub aufgewirbelt: Noch ist unklar, ob Stefan Luitz sein Weltcup-Sieg aberkannt wird.

(Foto: Jeff Pachoud/AFP)
  • Bei seinem Riesenslalom-Sieg in Beaver Creek atmet Stefan Luitz aus einer Sauerstoffflasche.
  • Das ist laut Reglement verboten - aber offenbar kein Dopingvergehen.
  • Der Deutsche Skiverband gesteht Fehler ein. Man habe sich auf den Rat von Experten verlassen.

Von Felix Haselsteiner, Val d'Isere

Enttäuscht und offensichtlich fertig mit den Nerven ließ sich Stefan Luitz im Zielraum der Strecke von Val d'Isère auf den Boden sinken. Wütend öffnete er seine Skischuhe und saß dann frustriert im dichten Schneefall. Felix Neureuther trat heran und klopfte ihm aufmunternd auf den Helm, DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier redete ihm gut zu. So traurig Luitz in diesem Moment ob der Geschehnisse der letzten zwei Tage wirkte, auf und neben der Strecke, immerhin zeigte sich der Zusammenhalt im deutschen Team, das sich seit Freitagmittag mit einer Debatte auseinandersetzen muss, die man lieber vermieden hätte. Es geht um Sauerstoffflaschen, Anti-Doping-Gesetzgebungen zweier unterschiedlicher Verbände und die möglicherweise fehlerhafte Beratung des DSV.

Doch der Reihe nach. Ziemlich genau sechs Tage, bevor sich Stefan Luitz in den frisch gefallenen Schnee von Val d'Isere fallen ließ, hatte er beim Riesenslalom in Beaver Creek den bedeutendsten Erfolg seiner Karriere gefeiert. Bei seinem ersten Weltcupsieg schien der ewig vom Pech verfolgte Luitz - einst bei Olympia kurz vor dem Medaillengewinn gescheitert und zuletzt ein Jahr mit einem Kreuzbandriss ausgefallen - endlich ganz oben angekommen zu sein. Doch der Höhenflug sollte nicht allzu lange dauern.

Am Freitagvormittag machte die Meldung die Runde, dass der Ski-Weltverband Fis gegen das Deutsche Skiteam ermittelt. Begründung: Es sei Foto- und Videomaterial aufgetaucht, das zeige, wie Luitz zwischen den Durchgängen in Beaver Creek Sauerstoff aus einer Flasche zu sich genommen habe. Sauerstoff aus Flaschen wird im alpinen Skisport durchaus verwendet, vor allem beim Training in höheren Lagen. Er soll der Regeneration dienen und Verletzungen vorbeugen. In Beaver Creek, wo der Start auf 3152 Metern liegt, könnte das zu einem Vorteil geführt haben, so zumindest der Vorwurf derjenigen, die den Einsatz illegitim finden.

Der Weltverband verbietet Sauerstoffflaschen beim Wettkampf laut Dokument von 2016

DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier erklärte am Samstagabend nun seine Sicht der Geschehnisse vom Rennen in der vergangenen Woche. Auf Wunsch einiger Athleten sei im Teambereich eine Flasche Sauerstoff besorgt worden, weil, "manch einem dieses Inhalieren vor dem Lauf noch ein wenig Selbstvertrauen gibt", sagte Maier der SZ. Der DSV habe jedoch niemandem irgendetwas verabreicht, sondern lediglich den Läufern einen Wunsch erfüllt. Als Maier die Flasche sah, habe er aus Rückversicherung drei Experten angerufen, die ihm bestätigt hätten, dass die Einnahme von Sauerstoff gemäß den aktuellen Anti-Doping-Regeln erlaubt sei. Erst danach habe Maier die Flasche zugelassen, "dabei wäre es ein Leichtes gewesen, die innerhalb kürzester Zeit wieder zu entfernen", wenn die Experten ihn auf die Unsicherheit in den Regelungen hingewiesen hätten.

Fakt ist jedoch, dass der DSV einen Fehler begangen hat. "Das gestehen wir auch offen so ein", sagt Maier, betont jedoch, "dass es sich um einen Regelverstoß und nicht um ein Dopingvergehen handelt". Diese Unterscheidung ist in mehrerlei Hinsicht wichtig. Ein Regelverstoß wäre gleichbedeutend mit einer Disqualifikation für Luitz, ein Ahnden des Vorgangs als Dopingvergehen hätte wesentlich weitreichendere Konsequenzen. Dass die Einnahme von Sauerstoff jedoch als letzteres gewertet wird, ist unwahrscheinlich - der erhöhte Sauerstoffgehalt im Blut ist nicht nachweisbar, es gäbe nicht einmal Proben.Die größere Frage, die die Debatte um das DSV-Team nun begleitet, handelt von der Gesetzgebung im Skisport. Die Wada schreibt in Artikel M1 2. der sogenannten "Prohibited List" zu Sauerstoff, dass das Einatmen erlaubt sei, verweist allerdings in einem Q&A darauf, dass Sportler sich bei ihren entsprechenden Verbänden erkundigen müssten, diese könnten nämlich eigene Regeln vorschreiben. Die Fis tut dies in der Tat. Es steht in einem Dokument mit dem Stand von 2016, dem aktuellsten des Skiverbands, dass es verboten sei, Sauerstoffgeräte zu Rennen mitzubringen und/oder Sauerstoff zu konsumieren. Die Untersuchung der Wada in Zusammenarbeit mit einem Panel der FIS dauere noch an, sagte Fis-Renndirektor Markus Waldner.

"Man kann man kaum erwarten, dass man sich als Fahrer 90 Seiten Anti-Doping-Bericht durchliest", sagt Marcel Hirscher

Am Samstagabend sagte Maier dazu, man werde auch dann überlegen, gegen die Strafe anzugehen, sollte es sich um einen Regelverstoß handeln, fügte allerdings deutlich hinzu: "Sollte man uns Doping vorwerfen, werden wir jeden Rechtsweg durchstreiten. Ich möchte nicht mit Doping in Verbindung gebracht werden, weil Sauerstoff kein Doping ist." Vorwürfe richtet Maier an diejenigen Experten, die er am vergangenen Samstagabend konsultiert hatte: "Ich kenne die Regeln nicht alle, daher muss ich mich drauf verlassen, von Anti-Doping-Ärzten richtig beraten zu werden." Eine weitere Zusammenarbeit mit diesen unabhängigen Experten schließt Maier aus.

Die Haltung zu Stefan Luitz unter den Fahrern ist überaus solidarisch. "Stefan war einfach der schnellste Fahrer an dem Tag", sagte Henrik Kristoffersen. Auch Marcel Hirscher, Sieger im Riesenslalom am Samstag, zeigte Mitgefühl. Er verwies darauf, wie wichtig es sei, sich auf sein Team verlassen zu können: "Auch wenn Leute von Eigenverantwortung sprechen, kann man kaum erwarten, dass man sich als Fahrer dann 90 Seiten Anti-Doping-Bericht durchliest. Mir tut es unheimlich leid für Stefan."

Luitz, am Samstag im Riesenslalom nach einem Fahrfehler im zweiten Lauf weit zurückgefallen, äußerte sich nur kurz. Auch er betonte, auf das Urteil der Experten vertraut zu haben: "Auf keinen Fall wollten wir irgendetwas Verbotenes machen." Zudem wolle er das Thema nicht als Ausrede nutzen, um seine sportliche Leistung zu erklären. Kollege Felix Neureuther, in Beaver Creek nicht dabei, versuchte sich an einer Aufheiterung: "Als Athlet bist du leider der Vollidiot. Ich hoffe, es geht gut aus." Das Ergebnis der Untersuchung wird in den nächsten Tagen erwartet.

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