Neues Konzept:Forum für brennende Themen

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Der Kunstverein Ebersberg veredelt seine Jahresausstellung erstmals mit einem Motto. Es lautet: "Wo bitte geht's nach Arkadien?", geplant ist dazu ein ganzes Festival

Von Anja Blum

Die Idee Arkadiens zieht sich durch die ganze Kunstgeschichte. Hier eine arkadische Landschaft, entworfen von dem französischen Maler Nicolas Poussin im 17. Jahrhundert. (Foto: SZ-Archiv)

Dieses Mal wird alles anders: Bislang boten die Jahresausstellungen des Kunstvereins Ebersberg eine offenes Forum für zeitgenössische Kunst, stets juriert, aber thematisch vielfältig. Nun aber hat sich der Verein erstmals entschieden, seine große Schau mit einem anspruchsvollen Motto zu adeln. Es ist als Frage formuliert, die da lautet: "Wo bitte geht's nach Arkadien?" Arkadien, der alte Traum von einer besseren Welt, soll hier als "Plattform für neuzeitliche Problembewältigungen und Lösungsstrategien" verstanden werden. Die von einer Jury ausgewählten Beiträge werden vom 8. Februar bis 10. März in der Galerie Alte Brennerei in Ebersberg ausgestellt.

Ein spannendes Experiment - das sich laut Initiator Peter Kees anschickt, bestens zu gelingen. "Ich bin Feuer und Flamme", sagt er und strahlt übers ganze Gesicht, als er von den Einreichungen und Jurysitzungen erzählt. Die einzige Sorge, die den Steinhöringer derzeit noch umtreibt, gilt der Finanzierung, denn die Jahresausstellung 2019 ist - ebenfalls ein Novum - als Festival konzipiert und wird daher um einiges teurer werden als ihre Vorgänger. "Wir suchen also noch dringend Spender und Sponsoren." Auf etwa 30 000 Euro schätzt der Veranstalter die Gesamtkosten, bislang sei erst etwa die Hälfte davon gedeckt. "Mir wäre es aber ein großes Anliegen, den Künstlern wenigstens eine kleine Aufwandsentschädigung für Anreise und Transport zukommen lassen zu können", sagt Kees.

Der Topos Arkadien als Entwurf eines unbeschwerten Daseins begleitet die europäische Kulturgeschichte seit der Antike. Der römische Dichter Vergil hat Arkadien als Ideallandschaft erstmals in seinen Hirtengedichten manifestiert, verbunden mit der Vorstellung einer friedlichen Gesellschaft. Vor allem in den Künsten hat dieses Wunschbild über die Jahrhunderte immer wieder Ausdruck gefunden. Im Kleid des aristokratischen Eskapismus wird daraus sogar die Idee individueller Freiheit geboren, im 17. und 18. Jahrhundert werden diese Fantasien des Hochadels vom Bürgertum adaptiert: Arkadien gilt als Sehnsuchtsziel eines sorglosen Seins, frei von zivilisatorischen Zwängen, in idealer Landschaft, in der Muße, Frieden, Liebe und Harmonie einen fruchtbaren Ort als Inbegriff vollkommenen Daseins bilden.

Die "Arkadische Botschaft" verteilt Visa und gewährt Asyl

Hinter diesem Grundgedanken steckt die politische Idee eines friedlichen Miteinanders in Wohlstand, ohne Kriege, entfremdete Arbeit und gesellschaftlichen Anpassungsdruck, aber auch ein mögliches Modell für eine gerechtere soziale Zukunft. "In diesem Sinne kann Arkadien heute als Aufklärungsplattform verstanden werden, als Forum, das die brennenden Themen der Gegenwart zum Gegenstand hat und macht", sagt Kees, der sich als Künstler bereits seit Jahren mit dem Thema auseinandersetzt.

Auf der Biennale von Havanna 2006 stellte er erstmals seine "Arkadische Botschaft" vor, verteilte "Visa" und "Asyl". Der Sitz der Berliner Botschaft befindet sich in der Galerie Art-Mbassy, Konsulate gibt es unter anderem in Galerien in Weimar und Neapel. Außerdem hat Kees in diversen Ländern jeweils einen Quadratmeter Land besetzt und zu arkadischem Hoheitsgebiet erklärt, etwa in der Schweiz, in Finnland, Polen, Italien, Tschechien, Belgien, Griechenland und Frankreich. "Fremde Staatsgewalten dürfen Personen hier nicht mehr belangen", so Kees, "die Regierungen wurden informiert und aufgefordert, entsprechende Grundbucheinträge vorzunehmen." Auch eine Arkadische Akademie hat Kees in Berlin, wo er lange lebte, vor einem Jahr gegründet. Bei der Jahresausstellung wird der Organisator allerdings nicht als Künstler in Erscheinung treten, "das wäre nicht sauber", sagt er.

Die Juroren der Ebersberger Jahresausstellung 2019 sind allesamt Mitglieder der Arkadischen Akademie: Kuratorin Tine Neumann, Rolf Külz-Mackenzie, Kulturhistoriker, Künstler und Publizist, sowie der Philosoph Klaus Prätor stammen aus Berlin, verstärkt werden sie durch zwei Juroren aus dem Landkreis: den Moosacher Theatermacher Axel Tangerding und eben Peter Kees aus Steinhöring, seines Zeichens Botschafter Arkadiens.

Es gab so viele Bewerbungen wie nie zuvor

304 Bewerbungen für die Jahresausstellung hatte die Jury zu sichten, Künstler aus ganz Deutschland und darüber hinaus hätten eingereicht, berichtet Kees stolz - "so viele wie nie zuvor". Dementsprechend intensiv seien die Beratungen gewesen, letztendlich wählte die Jury 38 Arbeiten aus. "Darunter sind einige regionale Künstler, aber auch viele von weit weg." Außerdem seien praktisch alle Medien der bildenden Kunst vertreten: Malerei natürlich, aber auch viele Installationen und Objekte, Fotografie, Film und Sound. Die künstlerischen Positionen reichen von klassisch über abstrakt bis zu konzeptuell.

Erwünscht waren explizit auch Beiträge, die workshopartigen, prozesshaften oder laborähnlichen Charakter haben. Konkrete Lösungsansätze aber, wie in der Ausschreibung angeregt, finden sich nicht: "Es geht eher um Hintergründiges und Interaktion. Es werden viele Fragezeichen gesetzt, und auch Ironie ist oft im Spiel. Das wird sehr spannend." Die Jury jedenfalls sei glücklich über das Ergebnis, so Kees, schließlich gehe es darum, mit der Ausstellung zu sensibilisieren für eine idealisierte Idee: Arkadien als Leitstern. "Klar ist doch, dass alle spüren, dass was nicht stimmt."

Aus diesem Ansatz speist sich auch das Ansinnen Kees', mit dem Arkadienprojekt über das Format einer normalen Jahresausstellung hinauszugehen: Einerseits soll die Kunst auch in den öffentlichen Raum hineinragen, zum Beispiel mit einer Performance im angrenzenden Klosterbauhof, andererseits wird ein vielfältiges Rahmenprogramm geboten sein, das "diverse alternative Ansätze präsentiert". Geplant sind mehrere Vorträge, etwa über utopische Architektur oder Kunst als Freiraum, eine Diskussionsrunde der Akademie, eine Filmvorführung, ein Konzert, ein Repair-Café soll es geben und eine Kleidertauschparty, sogar eine Konferenz für Kinder. Um all das möglich zu machen, sind unterschiedliche Initiativen aus der Region eingebunden, auch die Juroren werden diesmal keine eigene Ausstellung präsentieren, sondern sich anderweitig am Geschehen beteiligen.

Im Rahmen der Ausstellung werden zudem zwei Auszeichnungen verliehen: Die Jury vergibt bereits bei der Eröffnung den mit 2000 Euro dotierten Kunstpreis der Stadt Ebersberg, außerdem darf erstmals bei einer Jahresausstellung auch das Publikum sein Lieblingswerk wählen. Allerdings haben die Organisatoren sich hier etwas Besonderes einfallen lassen: "Dieser Publikumspreis spielt mit den Marktmechanismen", erklärt Kees und grinst schelmisch, das heißt: Die Besucher müssen pro abgegebener Stimme - mehrere sind durchaus möglich - drei Euro bezahlen. Der Gewinner wird dann bei der Finissage gekürt und bekommt das ganze Geld. "Das alles ist ein Experiment, ich bin gespannt, was es uns lehrt."

© SZ vom 21.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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