Mikaela Shiffrin:Skifahrerin der Superlative

Mikaela Shiffrin: Die 23 Jahre alte Mikaela Shiffrin hat bislang 51 Rennen im Ski-Weltcup gewonnen - so schnell schaffte das nicht mal Ingemar Stenmark.

Die 23 Jahre alte Mikaela Shiffrin hat bislang 51 Rennen im Ski-Weltcup gewonnen - so schnell schaffte das nicht mal Ingemar Stenmark.

(Foto: AP)
  • Die Skifahrerin Mikaela Shiffrin zeigt ihre Klasse in allen Disziplinen - auch in diesem Winter gilt sie als dominierende Fahrerin des Rennzirkus.
  • Die 23-jährige Amerikanerin profiert von ihrer neugewonnenen Balance.

Von Johannes Knuth

Wenn die anderen schon unten sind, im Zielraum warten, wenn nur noch Mikaela Shiffrin am Start steht, als Führende und letzte Starterin des zweiten Laufs - dann beginnt der Slalom oft noch einmal von vorn. Wo die anderen gerade noch mit der Schwerkraft rangen, presst Shiffrin die Kanten ihrer Ski ins Eis, ohne zu rutschen.

Wo andere mit dem Oberkörper nach hinten oder nach vorne kippten, bleibt ihrer stabil, so dass nie zu viel oder wenig Druck auf den Ski lastet. Nichts ist überflüssig, alles im Dienst der Balance. Und so ist Shiffrin mit jedem Schwung noch schneller fertig als die anderen, beginnt mit dem nächsten noch früher, bis sich all die kleinen Zeitvorteile im Ziel zu einem großen verdichten.

Das ist das Gefühl, das einen auch in diesem Winter beschleicht: dass sie fast immer einen Schritt voraus ist. Und die Konkurrenz auf der Jagd.

Mikaela Shiffrin aus Avon, Colorado, würde das nie so sagen, aber die Zahlen sprechen halt für sich: dass sie die beste Skirennfahrerin der Gegenwart, in mancher Hinsicht der Historie und wohl auch der Zukunft ist. Sie hat mittlerweile die meisten Slaloms bei den Frauen zusammengetragen (36), sie hat 51 Rennen in der höchsten Liga des alpinen Skisports gewonnen - im Alter von 23 Jahren, so schnell schaffte das nicht mal Ingemar Stenmark, der noch immer den Rekord für die meisten Siege hält (86). Shiffrin hat auch schon zwei Olympiasiege und drei WM-Titel im Lebenslauf stehen. Und im Gesamtweltcup, den sie zuletzt zwei Mal gewann, liegt sie schon auch wieder 446 Punkte vor der Slowakin Petra Vlhova, die im Slalom am Samstag in Zagreb wieder ihre erste Herausforderin ist.

Was das alles noch spezieller macht, ist Shiffrins Vielseitigkeit, die es in ihrem Sport fast nicht mehr gibt. Sie nimmt nicht an allen Rennen teil, das lässt der vollgestopfte Kalender gar nicht zu, aber sie kann mittlerweile alle Rennen gewinnen, die sie sich herauspickt, auch in den schnelleren Disziplinen. Im Dezember gewann sie den Super-G in Lake Louise; sie hat damit nun alle Disziplinen mindestens einmal gewonnen, inklusive der jungen Parallel-Formate - auch das ein Novum. "Sie ist vielleicht der beste Skiprofi, den ich je gesehen habe, männlich oder weiblich", hat der ehemalige Skirennfahrer Bode Miller vor einem Jahr gesagt, der sich mit Superlativen auskannte, nicht nur im Skirennfahren. Was könnte da noch schiefgehen, in diesem Winter und überhaupt?

Shiffrin hat ein eigenes Team, mit Betreuern, Servicemann, Mutter Eileen als Fixpunkt

Vieles, was sie auch durch diesen Winter trägt, fußt auf einem bewährten Modell: der ständige Drang, noch mehr und härter als die anderen zu arbeiten; ihre Eltern hatten ihr das früh vorgelebt. Vater Jeff, ein Anästhesist, war 1987 auch mal in einen Blutdopingskandal bei den US-Langläufern verwickelt ("Wenn du jung und unerfahren bist, triffst du manchmal suboptimale Entscheidungen", hat er dem Magazin Outside einmal gesagt). Aber das alles habe ihn letztlich bestärkt, seinen Kindern auf sauberem Weg zu helfen. Er las sich in die Theorie des Sports ein, Eileen, seine Frau, übernahm die praktische Schulung, Training, Rennen, noch mehr Training. So war Shiffrin dem Gewöhnlichen schon enteilt, als sie noch gar nicht im Weltcup startete. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert.

Riesiger Erwartungsdruck

Die Ressourcen sind natürlich längst üppiger, Shiffrin unterhält ihr eigenes Team, mit Betreuern, Servicemann, Mutter Eileen als Fixpunkt. "Sie alle erinnern mich immer daran, was es bedeutet, dazuzulernen", hat Shiffrin im Gespräch einmal gesagt: "Wenn ich ein Rennen gewinne und noch mal ein Video davon sehe - dann suchen wir erst mal nach den Dingen, die ich noch besser machen kann. Damit ich weiß: Das war noch nicht meine beste Leistung."

Nicht immer ist das ein Pfad, der geradewegs zu noch mehr Ruhm führt. Shiffrin sprach vor einem Jahr das erste Mal öffentlich über Erwartungsdruck und schwere Gedanken, die sie an manchen Tagen wie eine Gewitterwolke verfolgen; sie arbeitet mittlerweile mit einer Sportpsychologin. Die Winterspiele im vergangenen Februar waren "ein Auf und Ab", wie sie neulich zugab, sie übernahm sich damals mit den Rennen im Vorfeld, gewann zwar Gold im Riesenslalom - wurde dann aber nur Vierte im Slalom. Sie sah ein, dass es einen Athleten auch mal weiterbringen kann, wenn er ein Training oder Rennen auslässt. Im Januar wird sie die Abfahrten in St. Anton und Garmisch wohl aussitzen, auch, weil sie aufgrund ihres prall gefüllten Kalenders und Wetterkapriolen zuletzt ein paar Trainingstage verpasst hat. Aber sie könne mittlerweile besser damit umgehen, sagt Shiffrin, manche Dinge nicht kontrollieren zu können. Was ihr wiederum mehr Gelassenheit und Sicherheit spendete.

Shiffrin ist keine Lindsey Vonn

Das Resultat ist eine Art "Shiffrin 2.0", wie amerikanische Medien zu Saisonbeginn titelten. Statt im Sommer ausschließlich zu trainieren, nahm sie vermehrt Werbetermine wahr, urlaubte mit ihrem Freund und anderen Skirennfahrerinnen, forderte ihre Landsleute in den sozialen Netzwerken auf, wählen zu gehen (auch wenn manche linke Kommentatoren ihre neutrale Haltung prompt als Trump-freundlich geißelten). Shiffrin ist keine Lindsey Vonn, die große Überfigur, die in TV-Serien mitspielte, sich im Bikini ablichten lässt und lange aggressiv vermarktet wurde. Aber so langsam, sagt Shiffrin, finde sie Gefallen daran, auch zu Dingen jenseits des Skirennfahrens etwas zu sagen.

Eigentlich, sagt Kilian Albrecht, Shiffrins Manager, sei Shiffrin in puncto Trainingstagen vielen Konkurrentinnen derzeit zwei Schritte hinterher, weil sie fast nur noch auf Fahrerinnen trifft, die sich auf wenige Disziplinen spezialisieren. Im Wettkampf spürt man das freilich kaum - wenn alle schon im Ziel stehen und auf Shiffrin warten, als letzte Starterin des zweiten Durchgangs.

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