Italienischer Ligapokal:Geld regiert die Männerwelt des Fußballs

Juventus Team Arrival - Italian Supercup Previews

Angekommen in Saudi-Arabien: Cristiano Ronaldo (rechts) von Juventus Turin.

(Foto: Getty Images for Lega Serie A)
  • Am Mittwoch steigt in Dschidda, Saudi Arabien, das Endspiel um Italiens Ligapokal zwischen Juventus und Milan.
  • Italiens Fußball verkauft sich immer weiter an Investoren aus arabischen Ländern.
  • Dabei gelten Menschenrechte dort nur sehr eingeschränkt.

Von Birgit Schönau, Rom

Elma Aveiro hat ihrer Empörung schon vor ein paar Wochen Luft gemacht. "In dieser Welt kommandieren Übeltäter, Mafiosi und das Geld", schrieb die ältere Schwester des Fußballprofis Cristiano Ronaldo im Internet, gemeint war der Fußball. In dessen Übeltäter-Welt steigt das nächste Spiel mit Cristiano Ronaldo am kommenden Mittwoch in Dschidda, Saudi-Arabien.

Es handelt sich um den italienischen Ligapokal zwischen dem FC Juventus und der AC Milan, ein nicht allzu wichtiges Match, für das die Beteiligten die Rekordsumme von sieben Millionen Euro kassieren. Im nächsten und übernächsten Jahr soll wieder in Dschidda gespielt werden, macht 21 Millionen Euro, immerhin acht Monate des Gehalts von Cristiano Ronaldo.

Italiens Staatssender RAI überträgt live im ersten Programm, doch viele Fans wollen diesmal nicht hinsehen. In den sozialen Netzwerken wird zum Fernsehboykott aufgerufen. Dass zwei italienische Mannschaften, bezuschusst von den Gebührenzahlern und - zahlerinnen, in einem Land spielen, in dem Menschenrechte wenig gelten, wird zu Hause als Skandal empfunden. Zwar wurde der Ligapokal in den vergangenen 25 Jahren immer wieder in Länder verlegt, die nicht von lupenreinen Demokraten regiert wurden, etwa nach Libyen, Katar oder China. Dschidda aber ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Saudi-Arabien ist Italiens wichtigster Handelspartner im nahen Osten

Erst erhitzten sich die Gemüter über den Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi in Istanbul. Jetzt geht es um - Frauen. Einerseits sind sie bei der Partie Juve - Milan zum ersten Mal überhaupt bei einem internationalen Sportevent ohne männliche Begleitung als Zuschauerinnen zugelassen. Andererseits dürfen sie nur in einem abgegrenzten Bereich des Stadions sitzen, auf einer sogenannten Familientribüne.

Die Männer können wie üblich überallhin. In Saudi-Arabien wird also das praktiziert, was auch jene Lazio-"Ultras" gern möchten, die kürzlich per Flugblatt die römischen Frauen aufforderten, doch bitte schön die ersten Reihen in der Nordkurve zu räumen, weil diese Plätze seit Menschengedenken den Männern gehörten.

"In Italien war die Lage der Frauen vor 70 Jahren auch nicht viel besser als heute in Saudi-Arabien", gibt Nationaltrainer Roberto Mancini zu bedenken. Das ist angesichts der Tatsache, dass Vergewaltigung strafrechtlich als Beleidigung galt, die Ermordung einer untreuen Ehefrau aber als Kavaliersdelikt, nicht ganz von der Hand zu weisen. Aber in die Stadien durften die Italienerinnen damals schon. Immerhin könnten jetzt auch die Araberinnen endlich mal dabei sein, gibt Juve-Coach Massimiliano Allegri zu bedenken. Ähnlich argumentiert auch die spanische Fernsehjournalistin Cristina Cubero, die 1997 als einzige Frau im Stadion war, als der Confederations Cup in Riad ausgetragen wurde. Cubero wurde damals beleidigt und bedroht, für sie war ihr Einsatz das "schlimmste Erlebnis meines Lebens". Heute könne der Fußball hingegen den Kampf der arabischen Frauen für Gleichberechtigung unterstützen.

Naturgemäß sieht das auch die italienische Fußballliga so. Im ausverkauften Stadion von Dschidda würden 10 000 Frauen erwartet. "Die örtlichen Traditionen ziehen Grenzen, die nicht über Nacht abgeschafft werden können", heißt es in einem Kommuniqué. Aber jetzt sei doch eine Öffnung festzustellen, dem Fußball sei Dank. Im Übrigen könnten Italiens Ligaverantwortliche nicht anders agieren als die eigene Regierung, die enge Beziehungen zu Saudi-Arabien pflege. Übrigens Italiens wichtigster Handelspartner im Nahen Osten.

Wer protestiert, gilt als unverbesserlich gestrig oder naiv

Tatsächlich wird wieder mal vom Fußball erwartet, was Politik und Wirtschaft vernachlässigen: Rückgrat zeigen. Aber darf man das nicht auch vom Sport verlangen? Niemand hat die Ligafunktionäre gezwungen, einen Dreijahresvertrag mit den Arabern zu unterzeichnen, und offensichtlich waren sie dabei nicht von ihrem Einsatz für Völkerverständigung und Menschenrechte angetrieben, sondern von der Geldgier. Wenn der Sport für sich Unabhängigkeit von der Politik propagiert, müssen seine Vertreter auch in der Lage sein, frei ihre Entscheidungen zu treffen und dafür einzustehen.

Die pikierte Reaktion der Verantwortlichen und das ostentative Schweigen des sonst so meinungsfreudigen Juventus-Präsidenten Andrea Agnelli beweisen, dass man die Frauen- und Menschenrechtsdebatte nur als lästig empfindet. Vorbei die Zeiten, da der frühere Inter-Mailand-Präsident Massimo Moratti in Teheran demonstrativ das Stadion verließ und seine Geschäftspartner brüskierte, weil seine Ehefrau nicht mit ihm auf die Tribüne durfte. Mittlerweile wird es als selbstverständlich hingenommen, dass Geld die zynische Männerwelt des Fußballs regiert.

Wer dagegen protestiert, gilt als unverbesserlich gestrig oder naiv. Elma Aveiro, die Schwester von Cristiano Ronaldo, störte sich übrigens nicht an der Frauenfeindlichkeit der Saudis. Sie empfand es als himmelschreiende Ungerechtigkeit, dass der Kroate Luka Modric Weltfußballer des Jahres 2018 geworden war - und nicht ihr kleiner Bruder.

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