Femizid:Österreich debattiert über seine Mordrate

Lesezeit: 2 min

Der Hauptbahnhof in Wien: Hier wurde vor wenigen Tagen der jüngste Mord an einer Frau begangen. (Foto: imago/Eibner Europa)
  • Das Jahr 2019 ist gerade mal zwei Wochen alt und es sind in Österreich bereits vier Frauen bei Verbrechen getötet worden.
  • Die Gemeinsamkeit in allen Fällen deutet auf ein gesellschaftliches Grundproblem hin: Alle vier wurden von Männern aus ihrem engeren sozialen Umfeld getötet.
  • Aufgerüttelt davon will nun die Politik aktiv werden.

Von Peter Münch, Wien

Das letzte Opfer starb im Wiener Hauptbahnhof. Eine junge Frau, die von ihrem 21-jährigen Bruder erstochen wurde. In der Nacht zum Dienstag ist dies geschehen, das neue Jahr war da gerade mal zwei Wochen alt, und es sind in Österreich bereits vier Verbrechen zu beklagen, bei denen Frauen getötet wurden. Kein Serientäter ist da am Werk, die Hintergründe der Taten sind verschieden. Doch die Gemeinsamkeit in allen Fällen deutet auf ein gesellschaftliches Grundproblem hin: Alle vier Frauen wurden von Männern aus ihrem engeren sozialen Umfeld getötet. Aufgerüttelt davon will nun die Politik aktiv werden - mit eingehenden Untersuchungen, besserer Prävention und härteren Strafen.

Die blutige Serie begann in Krumbach in Niederösterreich, wo ein Mann seiner Ex-Partnerin tödliche Stichverletzungen zugefügt haben soll. Zuvor hatte das Opfer den Täter bereits wegen Stalkings angezeigt. Fall zwei traf eine vierfache Mutter in Amstetten, die vor den Augen ihrer Kinder mutmaßlich vom Ehemann erstochen wurde. Die Polizei teilte mit, dass er in der Vergangenheit vom Verfassungsschutz überprüft worden war, weil er seinen muslimischen Glauben "sehr fundamentalistisch" ausgeübt habe. Im dritten Fall wurde ein asylberechtigter junger Syrer verhaftet, der in Wiener Neustadt seine 16-jährige Ex-Freundin erwürgt haben soll. Am Wiener Hauptbahnhof schließlich wurde eine 25-jährige Spanierin erstochen, mutmaßlich von ihrem Bruder. Sie war in die Stadt gekommen, um mit ihm zu sprechen.

Vergewaltigung
:Die 7 wichtigsten Fakten zu sexueller Gewalt

Die wenigsten Vergewaltigungen werden angezeigt, und meist ist der Täter kein Unbekannter.

Von Elisa Britzelmeier

Ein furchtbarer Auftakt ist das für 2019, dabei war schon 2018 besonders schlimm gewesen. Von 70 Morden insgesamt waren in 41 Fällen Frauen die Opfer. Statistiken von Eurostat zeigen, dass Österreich zwar bei Tötungsdelikten insgesamt weit hinten liegt im europaweiten Vergleich, aber dass hier anders als in fast allen anderen Ländern in den vergangenen zehn Jahren meist mehr weibliche als männliche Opfer von Gewaltverbrechen gezählt wurden.

In der Mordstatistik: Mehr österreichische als ausländische Täter

Bei der Ursachenforschung ist nun allgemein von einer Verrohung der Gesellschaft die Rede, und natürlich wird auch darauf verwiesen, dass in drei der vier jüngsten Fälle die mutmaßlichen Mörder einen Migrationshintergrund haben. In der Mordstatistik 2018 gibt es jedoch insgesamt mehr österreichische als ausländische Täter.

Das Innenministerium will all die Hintergründe nun genauer erforschen und hat eine "Screening-Gruppe" eingerichtet, die alle Beziehungstaten seit Anfang 2018 aufrollen soll. "Es geht uns darum zu analysieren, wer was wann wo wie womit und warum getan hat. Daraus sollen Muster abgeleitet werden", sagte Innenminister Herbert Kickl. Diese Expertengruppe versteht er als Ergänzung zur bereits existierenden "Taskforce Strafrecht", die nun noch rascher als geplant Vorschläge für Strafverschärfungen bei Sexual- und Gewaltdelikten vorlegen soll.

Der unter Mordverdacht verhaftet Syrer ist für den FPÖ-Minister überdies Anlass zu prüfen, wie die Aberkennungsmöglichkeiten beim Asylstatus verschärft werden können. Das Frauenministerium kündigte zudem für 2019 einen "Schwerpunkt Gewaltschutz" an. Dabei soll es auch um zusätzliche Plätze in Frauenhäusern gehen.

© SZ vom 17.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Häusliche Gewalt
:Gewalt gegen Frauen ist keine Privatsache

Jeden zweiten oder dritten Tag tötet ein Mann in Deutschland seine Partnerin. Das sind keine "Familiendramen" - sondern es handelt sich um ein strukturelles Problem, das nach öffentlicher Verantwortung verlangt.

Kommentar von Julian Dörr

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: