Stadtrat:Digitalisierung als Kernaufgabe

Grüne fordern schnellere Fortschritte bei der Verwaltung

Von Heiner Effern

Es klingt im Jahr 2019 nicht mehr wie Hexenwerk: Ein Dienstleister stellt elektronisch eine Rechnung, die von der Stadt ebenso verarbeitet und dann auch bezahlt wird. Bis zum 18. April 2020 muss die Verwaltung das eigentlich können, so steht es in einer EU-Richtlinie und in einem Landesgesetz. Doch die Stadt wird das nicht schaffen und ist sehr erleichtert, dass ihr der Freistaat ein legales Schlupfloch lässt. Es wird vorerst schon reichen, eine Rechnung elektronisch empfangen zu können. Dann werden die Mitarbeiter sie ausdrucken und so behandeln, wie sie es gewohnt sind: auf Papier. Das geht aus einer Vorlage des IT-Referats hervor, die der Stadtrat am Mittwoch beschlossen hat.

Digitalisierung und öffentliche Verwaltung, das geht offenbar nur schwer zusammen. Und langsam. Die Grünen im Rathaus wollen nun diese Entwicklung vorantreiben. Sie fordern in drei Anträgen, den digitalen Fortschritt bei der Stadt massiv zu beschleunigen. Das erfordere ein Gesamtkonzept und vor allem ausreichend Ressourcen, also Geld und Mitarbeiter, sagt Fraktionschef Florian Roth. "Wir arbeiten nur an Teillösungen, nicht aus einem Guss." Das IT-Referat müsse "mutig vorangehen", dessen Chef Thomas Bönig sei da durchaus willens und auch dynamisch. Politik und Verwaltung könnten aber flotter mitkommen als bisher. Die Digitalisierung sei eine Kernaufgabe der Stadt. "Da müssen wir klotzen, nicht kleckern", sagt Roth.

Konkret wollen die Grünen zum Beispiel eine sogenannte Bürger-ID. Das heißt, dass die Münchner sich einmal online eine Art Ausweis erstellen, mit dem sie alle Dienstleistungen nutzen können - ohne sich jedes Mal neu registrieren und ausweisen zu müssen. "Auf diese Weise würde es den Bürgern erspart, bei Kindertageseinrichtungen, Meldebehörde, Standesamt, Wohnungsamt etc. ihre Daten immer neu eingeben zu müssen", erklären die Grünen. Dabei müssten die Daten entsprechend geschützt sein. Weiter solle die Stadt auch daran arbeiten, eine zentrale App für all ihre Angebote zu erstellen. Dabei müsse man "größer denken" und auch die Unternehmen einbeziehen, die der Stadt gehörten, etwa die Stadtwerke und deren Tochter MVG, aber zum Beispiel auch München Ticket.

Die Bürger sollen nach Ansicht der Grünen aber nicht nur vom digitalen Wandel profitieren, sondern ihn auch mitgestalten. Noch dieses Jahr solle die Stadt eine Bürgerplattform bereit stellen, auf der die Münchner mit der Stadt kommunizieren und Ideen einbringen könnten. "Da muss man, wie auch bei den anderen Punkten, nicht immer alles bis ins letzte Detail selbst austüfteln", sagt Fraktionschef Roth. Es gebe oftmals schon frei zugängliche Software, die man anpassen könne. Möglicherweise könne man schon existierende Lösungen auch einkaufen. Offen sein für "pfiffige Lösungen", nennt Roth das.

Zudem soll die Kommunalpolitik online transparenter werden. Derzeit können sich Bürger über Tagesordnungen des Stadtrats, vorliegende Anträge und Beschlüsse, aber auch über die Fraktionen und Ausschüsse im sogenannten Rats-Informations-System schlau machen. Das mutet allerdings an, als ob die Stadt einen Retro-Ausflug in die Neunzigerjahre machen wollte. Eine komplette Überarbeitung des Auftritts sei nötig, sagen die Grünen. "Die Schwächen und die mangelnde Bedienerfreundlichkeit sind wohl allen Nutzern bekannt."

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