Sportpolitik:Dieser Mann will Fifa-Präsident werden

Soccerex Global Convention 2016 Day 2; Ramon Vega

Der Schweizer Ramon Vega, 47, will Gianni Infantino herausfordern.

(Foto: Daniel L Smith/Getty Images)
  • Im Juni steht die Wahl zum Fifa-Präsidenten an - und Amtsinhaber Gianni Infantino muss wohl gegen einen Herausforderer antreten.
  • Der Schweizer Ramon Vega plant eine Kandidatur. Bis zum 5. Februar müssen ihn fünf Landesverbände öffentlich unterstützen.
  • Infantino steht unter anderem aufgrund umstrittener Turnierpläne und Rechte-Deals massiv in der Kritik.

Von Thomas Kistner

Seit Monaten hält Fifa-Präsident Gianni Infantino seine Vertrauten auf Trab. Und zwar, wie so oft, in eigener Sache: Infantinos Leute mussten bei den Nationalverbänden rund um den Globus Unterstützer-Briefe für den Boss des Fußball-Weltverbands einsammeln, teilweise einfordern, und mit denen geht der Schweizer nun öffentlich hausieren. Fast die ganze Welt, erzählt der 48 Jahre alte Infantino, stünde in Hinblick auf die Fifa-Präsidentenwahl im Juni bereits hinter ihm. Aber das will jetzt einer ändern. Ein Herausforderer steigt in den Ring: Ramon Vega, 47. Und der neue Kandidat bringt nun manchen Verband ins Grübeln, darunter auch den Deutschen Fußball-Bund (DFB).

Ramon Vega, 23-maliger Nationalspieler für die Schweiz, sondiert schon seit einiger Zeit die Stimmungslage im Weltfußball. Völliges Neuland ist dieser nicht für ihn - für das Fifa-Amt hatte sich Vega schon bei der letzten Kür interessiert und den Wahlkampf deshalb eng begleitet. Damals, im Februar 2016, eroberte schließlich Infantino den Fifa-Thron, den der ins Visier der Justiz geratene Sepp Blatter hatte räumen müssen. Wie? Wie so oft im Sport: mit exorbitanten Geldversprechen speziell an Länder aus der Dritten Welt.

Nun steht die Wiederwahl an. Und Vega, der nach seiner Spielerlaufbahn, die ihn unter anderem in die Topligen Englands und Italiens führte, eine steile Karriere in der Londoner Finanzwelt hingelegt hat, teilte der SZ mit: "Aufgrund des großen Zuspruchs und der positiven Reaktionen, die ich von vielen Seiten erhalten habe, nehme ich diese Aufgabe ernst und prüfe, ob es einen Bedarf in der Fußballwelt gibt, die Wahl des nächsten Fifa-Präsidenten im Juni im Wege eines demokratischen Wahlkampfes herbeizuführen." Vega ist "überzeugt, dass im modernen Fußball und insbesondere aufgrund der laufenden Debatten im Weltfußball solche Wahlprozesse immer wichtiger werden". Deshalb wolle er den Verbänden einen Zugang zu "demokratischen Vorgängen" öffnen.

Das zielt auf all die Schneisen und Bruchstellen, die Infantino in seiner nur dreijährigen, zunehmend umstrittenen Amtszeit geschlagen hat. Sein größtes Projekt, der nach Aktenlage geplante, heimliche Ausverkauf fast sämtlicher Fifa-Rechte an eine mysteriöse Investorengruppe vorwiegend aus der Golfregion, treibt den Weltfußball gerade in die Zerreißprobe - und dürfte maßgeblichen Einfluss haben auf die Wahl in fünf Monaten. Die Verbände in Europas Fußball-Union Uefa weigern sich, an der von Infantino zuletzt forcierten Debatte über zwei neue Turnierformate (globale Nations League, reformierte Klub-WM) überhaupt teilzunehmen - Formate, die anscheinend nur als Fassade konstruiert worden sind, um dahinter den eigentlichen, viel umfassenderen Rechte-Deal verbergen zu können.

Dem Rest der Fußballwelt hingegen wird die Diskussion über die Turniere gerade aufgezwungen. Wobei kein Rechte-Experte sich vorstellen kann, dass zwei eher mediokre Events nur annähernd jene 25 Milliarden Dollar einbringen könnten, die laut Infantino binnen zwölf Jahren dafür fließen sollen. Was wiederum den Verdacht nährt, dass der Fifa-Boss tatsächlich, quasi im Nebengeschäft, sämtliche Fifa-Rechte verscheuern will - so, wie das in einem geheimen Arbeitspapier mit den Investoren auch bereits festgelegt worden ist. Weder Infantino noch die Fifa äußern sich dazu im Detail.

Da die Uefa, dort Infantino, der über den Geldhahn der Fifa den Rest der Fußballwelt weitgehend dirigieren kann - das ist also die Konstellation. In Afrika und den eng mit dem Amtsinhaber verbandelten Staaten Süd- und Mittelamerikas ist wenig zu holen für Ramon Vega, aber zwei, drei Zusagen aus Asien erwartet er. Auch mit Europäern ist er in Kontakt - darunter mit dem DFB. Die Deutschen geben sich zurückhaltend, werfen die Tür aber keineswegs zu. DFB-Mediendirektor Ralf Köttker teilte der SZ mit: "Ramon Vega hat den DFB über seine Absicht informiert, für das Amt des Fifa-Präsidenten kandidieren zu wollen. DFB-Präsident Reinhard Grindel wird am Rande des Uefa-Kongresses nächste Woche in Rom mit seinen Kollegen aus dem Exekutivkomitee die Lage in der Fifa erörtern." Und dann habe der DFB bis zur Fifa-Präsidentenkür im Juni in Paris noch viel Zeit, sein Wahlverhalten "im Lichte der Diskussionen innerhalb der Uefa" festzulegen.

Heißt es also bald Vega vs. Infantino? Es wäre eine echte Wahl, denn bis auf die Nationalität und das ungefähre Alter haben die beiden nichts gemein. Während der eine nie über die Bolzplätze seiner Heimatregion Wallis hinauskam und heute Millionen dafür ausgibt, regelmäßig mit echten Fußball-Legenden kicken zu dürfen, stand der in Trimbach bei Olten im Kanton Solothurn aufgewachsene Innenverteidiger Vega zunächst beim Traditionsklub Grasshoppers unter Vertrag. Er wechselte dann in die italienische Serie A zu Cagliari Calcio, es folgten vier Jahre in Englands Premier League bei Tottenham Hotspur, an der Seite von Jürgen Klinsmann und Steffen Freund, dann ging es zu Celtic Glasgow, dem FC Watford und abschließend zum französischen Profiklub US Creteil. 1996 nahm er an der EM in England teil. Später kehrte Vega zurück nach London und ging in die Vermögensverwaltung. Heute betreut seine Firma bis zu einer Milliarde Euro von überwiegend britischen Kunden.

In Sachen Fifa-Präsidentschaft tickt nun allerdings die Uhr. Vega braucht bis zum 5. Februar öffentliche Unterstützerbriefe von fünf Nationalverbänden, um antreten zu dürfen. Dann endet die Meldefrist. Die Frage ist nun, ob sich von den vielen Infantino-Kritikern auch welche aus der Deckung trauen.

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