Astronomie:Warum Uranus auf der Seite liegt

Astronomie: Uranus, fotografiert vom Weltraumtelekop Hubble im August 2003.

Uranus, fotografiert vom Weltraumtelekop Hubble im August 2003.

(Foto: NASA/Erich Karkoschka (Univ. Arizona))
  • Die Rotationsachse des Uranus ist um fast 90 Grad gegenüber der Achse seiner Umlaufbahn gekippt - anders als bei allen anderen Planeten im Sonnensystem.
  • Womöglich hat der Einschlag eines erdgroßen Himmelskörpers den Planeten gekippt.
  • Ein solcher Einschlag müsste Spuren hinterlassen haben, die aber nur eine Raumsonde aufspüren könnte. In zehn Jahren steht Uranus für einen Besuch günstig zur Erde.

Von Tobias Kühn

Es hängt etwas schief am Nachthimmel: Es ist Uranus, "der Zauberer", wie er in Gustav Holsts Orchestersuite "Die Planeten" genannt wird. So wie alle anderen Planeten unseres Sonnensystems kreist auch dieser "Eisriese" nicht nur um die Sonne, sondern rotiert dabei auch um sich selbst. Die Rotationsachse des Uranus ist allerdings - anders als bei allen anderen Planeten - um fast 90 Grad gegenüber der Achse seiner Umlaufbahn gekippt. In dieser Hinsicht ist Uranus ein Abweichler.

Wie es dazu kam? Das können Astrophysiker bis heute nicht genau sagen. Neue Simulationen stützen die These, dass Uranus' Rotationsachse am Ende seiner Entstehung durch den Einschlag eines etwa erdgroßen Himmelskörpers gekippt wurde. Das ist jedoch nicht der einzige Ansatz zur Lösung des Rätsels.

In Simulationen ließen Astrophysiker um Jacob Kegerreis von der Universität Durham Körper mit doppelter bis dreifacher Erdmasse in verschiedenen Winkeln auf einen digitalen Ur-Uranus treffen (The Astrophysical Journal). Geschieht der Zusammenstoß nicht zentral, ändert der getroffene Planet seine Rotation entsprechend - wie ein Tennisball bei einem Topspin-Schlag. Dies könnte nach Ansicht der Forscher Uranus in jene Drehbewegung versetzt haben, die bis heute anhält.

Nun sind Planeten natürlich keine riesigen Tennisbälle. Der Ur-Uranus wie auch der ominöse einschlagende Körper bestehen in der Simulation nicht aus Gummi und Filz, sondern einem Kern aus Gestein und einem Mantel aus Eis. Der Planet ist zusätzlich von einer Atmosphäre aus Wasserstoff und Helium umgeben. Durch diesen vergleichsweise fragilen Aufbau hätte eine mächtige Kollision drastische Folgen für Uranus gehabt.

Die Simulationen ergaben, dass eine "schiefe" Kollision nicht nur die heute beobachtbare Rotation des Uranus verursacht hätte. Auch müsste Material des eingeschlagenen Körpers in der Hülle des neu formierten Planeten hinterlassen worden sein. Das könnte eine Art Isolierschicht geschaffen haben, welche die Wärme aus dem Inneren des Planeten abschirmt. Das könnte erklären, warum Uranus, verglichen mit Jupiter und Saturn, so wenig Wärme abstrahlt - und daher auch, neben Neptun, als "Eisriese" bekannt ist.

Die Idee, dass die Rotationsachse des Uranus durch eine gewaltige Kollision gekippt wurde, kam bereits vor mehr als fünfzig Jahren auf. Sie bietet aber nicht die einzig mögliche Erklärung. In einem anderen Modell geht man von mehreren kleinen Kollisionen aus, ein weiteres kommt sogar ohne kosmischen Zusammenstoß aus. In letzterem Szenario wurde Uranus über einen langen Zeitraum hinweg durch ein Resonanzphänomen mit einem seiner Monde sozusagen sanft zur Seite gelegt. "Diese Probleme sind sehr komplex, weil sehr viele Freiheitsgrade miteinander interagieren. Über lange Zeiträume können sich dabei kleine Störungen aufaddieren und große Auswirkungen haben", sagt Til Birnstiel, Professor für Theoretische Astrophysik an der LMU München.

Da der Planet vergleichsweise wenig erforscht ist, kann bislang keines der Szenarien ausgeschlossen werden. Aufschluss könnten Erkundungen an Ort und Stelle geben. In rund zehn Jahren wird Uranus vergleichsweise günstig für den Besuch einer Raumsonde stehen.

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