Rundfunkbeitrag:Wie sich die Ministerpräsidenten ein lästiges Problem vom Hals schaffen wollen

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Die Beiträge fürs öffentlich-rechtliche Fernsehen werden steigen, vielleicht demnächst sogar regelmäßig alle zwei Jahre.

(Foto: Volker Preußer/imago)
  • 2021 muss der Rundfunkbeitrag erhöht werden, weil der Bedarf der Sender es erfordert.
  • Um Empörung darüber zu vermeiden, soll am Donnerstag beim Treffen der Länderchefs in Berlin ein revolutionäres neues Modell beschlossen werden.
  • Demnach könnte der Beitrag von 2021 an nach einer Übergangsphase sechs Jahre lang nach einem Index steigen.

Von Claudia Tieschky

Seit drei Jahren ist bekannt, was 2021 passiert, wenn alles so weitergeht wie bisher. Und seit drei Jahren starren die für den Rundfunk zuständigen Ministerpräsidenten der Länder wie die Kaninchen auf die Schlange auf just den Tag, an dem sie den Rundfunkbeitrag von derzeit 17,50 Euro erhöhen müssen, weil der Bedarf der Sender es erfordert. Schon wieder, wie einige sagen, auch wenn es die erste Erhöhung seit 2009 wäre (siehe Grafik). Die Landeschefs wissen, was dann kommt: laute Empörung der Kritiker von ARD, ZDF und Deutschlandradio, nicht nur, aber besonders in den ostdeutschen Ländern, womöglich sogar die Blockade des Staatsvertrags, der für die Erhöhung geschlossen werden muss, in einigen Landtagen.

Deswegen soll an diesem Donnerstag beim Treffen der Länderchefs in Berlin ein revolutionäres neues Modell beschlossen werden. Es würde das bisherige System auf den Kopf stellen und dient am Ende vor allem einem Zweck: Es soll die politische Diskussion um das Geld für den Rundfunk auf Dauer entschärfen.

Demnach könnte der Beitrag von 2021 an nach einer Übergangsphase sechs Jahre lang nach einem Index steigen. Bis Juni sollen die Eckpunkte dafür entwickelt sein. Wäre der Rundfunkbeitrag in Zukunft etwa an die Inflationsrate gekoppelt, ließe sich jede Erhöhung in der Öffentlichkeit mit dem Argument vermitteln, dass die Anstalten ja nur das mehr bekommen, was die Teuerung ihnen nimmt.

Sollten die Länder einen höheren Beitrag blockieren, käme die Sache vors Verfassungsgericht

Für die Regierungschefs würde so ein Automatismus politisch vieles einfacher machen. Deswegen machte das von sechs Ländern entwickelte Modell im vergangenen Jahr eine rasante Karriere, ein jahrelanger Reform-Stillstand schien beendet. Allerdings ist die Sache rechtlich nicht so einfach, und deswegen gibt es bereits einige Kritik an dem Plan.

Die bisherige Finanzierung des Rundfunks in Deutschland ist kompliziert, für politische PR völlig ungeeignet und vielleicht deshalb so anfällig für Angriffe. Sie folgt einerseits der Maxime, dass die Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen strikt staatsfern sein muss, damit keine Regierung Einfluss auf den Rundfunk nehmen kann. Andrerseits soll sie dem europäischen Wettbewerbsrecht gehorchen. Im Zentrum steht die unabhängige Kommission Kef, die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten. Sie überprüft den Bedarf der Sender und schlägt alle vier Jahre eine neue Höhe für den Rundfunkbeitrag vor. Die Länder dürfen nach einem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts davon nur in extremen Ausnahmefällen abweichen.

Das höchste Gericht entschied im Jahr 2007 so, nachdem die Länder den Beitrag eigenständig gekürzt hatten, damals klagten die Sender und bekamen Recht. Deswegen ist die aktuelle Situation für die Regierungschefs auch nicht einfach nur unangenehm, sondern sie bringt die Rundfunkpolitik auch an ihre Grenzen. Sollten in Ländern wie Sachsen oder Sachsen-Anhalt die Landtage eine von der Kef für 2021 empfohlene Erhöhung blockieren, dürfte die Sache auch diesmal vor dem Bundesverfassungsgericht landen. Der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm hat angekündigt, notfalls zu klagen. Die öffentlich-rechtlichen Sender argumentieren, dass sie per Gesetz verpflichtet sind, all die vielen dort aufgelisteten Programme zu machen, dass sie also aus sich heraus nur begrenzt sparen könnten, so lange der Auftrag im Rundfunkgesetz derselbe bleibt. Dagegen setzt das neue Modell einen noch recht grob formulierten Plan, den Anstalten selber mehr Freiraum darüber zu geben, was sie über einen Pflichtanteil hinaus tun - etwa bei der Entscheidung, Programme linear auszustrahlen oder auf Abruf anzubieten. Verbunden sein soll das mit einer "Profilschärfung des Auftrags" und einer gemeinsamen Strategie der Öffentlich-Rechtlichen für die digitale Verbreitung ihrer Inhalte. Dieser Teil des Reformpakets könnte wohl auch weiterentwickelt werden, wenn die Finanzreform scheitert.

Unabhängige Mahner

Schon der Namen spiegelt die Komplexität der Aufgabe: Die "Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten", kurz Kef, prüft alle zwei Jahre den Bedarf der öffentlich-rechtlichen Sender nach den Kriterien von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, verhindert also deren Über- oder Unterkompensation, die wettbewerbsrechtlich problematisch wäre. Das System gilt als kompatibel auch mit dem EU-Recht, seitdem es 2007 nach einer Klage der Privatsender eine Grundsatzüberprüfung durch die EU-Kommission überstand. Alle vier Jahre schlägt die Kef den Ländern eine neue Beitragshöhe vor.

Rundfunkgebühren gibt es in Deutschland bereits seit 1924. Die Kef wurde 1975 gegründet. Sie besteht aus 16 unabhängigen Sachverständigen, jedes Bundesland benennt ein Mitglied. Die werden für fünf Jahre berufen. Ihr Vorsitzender ist der Vertreter Bayerns, Heinz Fischer-Heidlberger.

Die Kef ist lediglich für die Finanzen zuständig, nicht für die Überprüfung der Frage, ob die Programmgestaltung der Sendeanstalten auch dem gesetzlichen Auftrag entspricht. Allerdings weist sie zum Beispiel immer wieder auf Sparpotenziale hin oder darauf, dass die Öffentlich-Rechtlichen zu viel für Sportsendungen ausgeben. In ihrem bisher letzten Bericht vom Februar vergangenen Jahres schrieb die Kommission "mahnend", wie sie es selbst formulierte, dass bei den Ausgaben für den Sport "die Grenze des wirtschaftlich Vertretbaren erreicht und in Teilbereichen überschritten" sei. SZ

Dass der Beitrag 2021 nach dem alten Modell steigen muss, hat die Kef in einer Prognose auf Wunsch der Regierungschefs schon 2016 errechnet. Der funktionsgerechte Bedarf der Sender, so heißt das im Fachjargon, erfordere wohl eine Erhöhung von 1,40 bis 1,90 Euro, stellte sie damals fest. Bisher federten hohe Mehreinnahmen vieles ab. Die kamen aus der Umstellung von einer gerätebezogenen Abgabe auf eine pauschale Abgabe für alle im Jahre 2013. Das Geld ist jetzt aufgebraucht. Aktuell läuft die Ermittlung der tatsächlichen Finanzlage für 2021.

Das in den vergangenen Jahren angesparte Geld haben die Sender aufgebraucht

Vieles wurde seit 2016 versucht, um ARD, ZDF und Deutschlandradio so zum Sparen zu zwingen, dass die Beiträge stabil bleiben könnten. Vergeblich. "Die von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vorgelegten Einsparvorschläge erfüllen nicht die im Oktober 2016 zum Ausdruck gebrachten Erwartungen", heißt es in der Beschlussvorlage für die Ministerpräsidenten. Weitere Einsparanstrengungen seien "auch über 2021 hinaus erforderlich". Darum wird intern schon länger darüber gestritten, von welchem Ausgangswert eine Index-Steigerung ausgehen könnte. Im aktuellen Vorschlag steht, dass die Kef für 2021 noch einmal die Beitragshöhe nach der alten Methode entwickeln soll. Die wäre dann der Basiswert für die Indexsteigerung von 2023 an. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, CSU, sagte kürzlich, der Ausgangswert dürfe 18 Euro nicht überschreiten, diese Marke finden dem Vernehmen nach auch andere Länder interessant. Kritik kommt auch vom Verband der Privatsender Vaunet. Dort hat man das frühere Kef-Mitglied Thomas Hirschle mit einem Kurzgutachten beauftragt. Kernaussage: Eine Steigerung per Index würde zwangsläufig zu einer unzutreffenden Beitragshöhe führen. Die Rundfunkanstalten wären dann entweder unter- oder überfinanziert, sagt er. Der Vorsitzende des Privatsenderverbands, Hans Demmel, kündigt an, juristische Schritte zu prüfen, sollten die Ministerpräsidenten das Index-Modell beschließen. Das könnte im Extremfall auf eine neue Klage in Brüssel hinauslaufen. Tatsächlich ist unklar, wie und durch wen der Unterschied ermittelt werden soll zwischen dem Wachstum per Index und der vom Bundesverfassungsgericht geforderten "funktionsgerechten" Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Und wie dieser Unterschied, wie das Zuviel oder Zuwenig dann nachträglich ausgeglichen werden würde.

Es ist jedenfalls relativ wahrscheinlich, dass am Donnerstag in Berlin wenig über eine Reform des Auftrags gesprochen wird. Umso mehr aber über Geld.

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