Finanzindustrie:Deutsche Bank verdächtigt eigenen Aufsichtsrat

Finanzindustrie: Am heutigen Donnerstag trifft sich der Aufsichtsrat der Deutschen Bank in deren Konzernzentrale.

Am heutigen Donnerstag trifft sich der Aufsichtsrat der Deutschen Bank in deren Konzernzentrale.

(Foto: mauritius images)
  • Beim Treffen des Aufsichtsrats soll es auch darum gehen, wieso zuletzt viel Unschönes über die Deutsche Bank schnell an die Öffentlichkeit geraten ist.
  • Dabei verdächtigt die Bank ihren eigenen Aufsichtsrat.

Von Meike Schreiber und Jan Willmroth, Frankfurt, und Jan Strozyk, Hamburg

Wenn die 14 Männer und sechs Frauen des Aufsichtsrats der Deutschen Bank heute zu ihrer Sitzung in Frankfurt zusammenkommen, wird es eine erhitzte Debatte geben, die wahrscheinlich ihresgleichen sucht in der langen Geschichte des Kreditinstituts. Es geht um die Fusionsverhandlungen von Commerzbank und Deutscher Bank, welche die Arbeitnehmerseite vehement ablehnt. Zugleich trifft sich auch der Aufsichtsrat der Commerzbank. Eine Entscheidung, wie es mit "Blau" und "Gelb" weitergeht, steht zwar noch nicht auf der Tagesordnung, das soll erst nach Abschluss der Verhandlungen in vier bis sechs Wochen folgen. Das Management und auch Aufsichtsratschef Paul Achleitner werden aber viele Fragen beantworten müssen. Schließlich geht es um Zehntausende Arbeitsplätze.

Zugleich werden sich die Mitglieder des Aufsichtsrats wieder misstrauisch beäugen. Wie in vielen anderen Konzernen dringen bei der Deutschen Bank immer wieder Informationen an die Öffentlichkeit. Mal geht es um Missstände, welche die Führung verheimlichen möchte, mal nur um Vorhaben, die noch nicht spruchreif sind. Es kann vorkommen, dass Mitarbeiter Dinge gerade rücken wollen, die offiziell ganz anders erzählt werden. Zuweilen berichten auch Manager von Vorgängen unter der Hand, um Konzernentscheidungen vorzubereiten. Bei der Deutschen Bank ist das gegenseitige Misstrauen traditionell groß.

Hintergrund der Untersuchungen: Angeblich weitergegebene Informationen zum Chefwechsel

Nun sucht das Bankhaus sogar nach Schuldigen im eigenen Aufsichtsrat. Nach Informationen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung hat die Deutsche Bank Ermittlungen aufgenommen, um mögliche Informationslecks innerhalb des Gremiums ausfindig zu machen. Ein Sprecher der Bank bestätigte die Untersuchungen, wollte sich aber nicht zu Details äußern.

Hintergrund sollen unter anderem Vorfälle gewesen sein, bei denen Informationen aus dem Aufsichtsrat angeblich an Medien weitergegeben worden waren. Dabei ging es um die Personalie von Christian Sewing, Nachfolger des mittlerweile geschassten Vorstandsvorsitzenden John Cryan. Mit den Vorgängen vertraute Personen berichten, dass für die Untersuchung der Ereignisse aus dem April 2018 auch eine externe Beratungsfirma angeheuert worden sei. Diese habe angeblich verdächtige Bankmitarbeiter beziehungsweise Mitglieder des Aufsichtsrats zu Befragungen geladen. Die Bank wollte sich dazu konkret nicht äußern. Ein Sprecher sagte: "Die Arbeiten eines Aufsichtsrats unterliegen der strafrechtlich geschützten Vertraulichkeit. Der Aufsichtsrat der Deutschen Bank hat deshalb einstimmig eine Untersuchung in die Wege geleitet, wie diese künftig am besten sichergestellt werden kann".

Ausgerechnet Paul Achleitner hatte einen seiner Machtkämpfe öffentlich ausgetragen

Auf den Hauptversammlungen des Instituts stellt sich Aufsichtsratschef Paul Achleitner gerne als Opfer von Durchstechereien dar. In seinen Reden hat der Österreicher des öfteren gegen Medien und Kollegen gewettert. Vergangenen Mai etwa behauptete er auf dem Aktionärstreffen, das Geldhaus habe die Sewing-Personalie auf öffentlichen Druck hin früher als geplant veröffentlichen müssen. "Wie Sie alle verfolgt haben, gab es im Zusammenhang mit der Neubestellung der Position des Vorstandsvorsitzenden eine Reihe von Indiskretionen", sagte er. Zurecht sehe das Aktienrecht die unbefugte Weitergabe derartiger Informationen als strafbare Pflichtverletzung an. Die Bank werde Strafanzeige gegen Unbekannt stellen, so Achleitner. "Aufsichtsratstätigkeit hat in vertraulicher und vertrauensvoller Atmosphäre stattzufinden. Das war - auch wenn es zuletzt einen anderen Anschein hatte - im Berichtsjahr auch weitgehend der Fall". Die Ermittlungen sind inzwischen eingestellt.

Ausgerechnet Achleitner selbst aber hatte einen seiner Machtkämpfe sogar öffentlich ausgetragen. Dabei ging es seinerzeit um Georg Thoma: Der Rechtsanwalt war so etwas wie der Chefaufklärer des Gremiums. Als Vorsitzender des Integritätsausschusses steuerte er die Aufklärung zahlreicher Skandale, die das Haus zu verantworten hat. Einige vermuteten, Thoma habe dabei einfach zu unangenehme Fragen gestellt, auch was Achleitners Rolle bei der Aufklärung anbelangt. Im April 2016 warfen ihm Aufsichtsratskollegen plötzlich vor, er habe bei diesen Nachforschungen "Übereifrigkeit" an den Tag gelegt, die die Bank lahmlegten. Ex-SAP-Chef Henning Kagermann, damals Aufsichtsrat, sowie Ex-Betriebsratschef Alfred Herling ließen sich damit gar in der Zeitung zitieren - mit Billigung von Achleitner und mit dem Ergebnis, dass Thoma sein Amt niederlegte.

Ohne Folgen blieb der ungewöhnliche Vorgang nicht: Großaktionäre signalisierten damals, sie wollten so etwas nicht noch einmal erleben. "Sie hätten die beispiellosen Indiskretionen und den Eklat um das Ausscheiden von Herrn Thoma unbedingt verhindern müssen", sagte zum Beispiel Fondsmanager Ingo Speich, der damals noch bei Union Investment tätig war, auf der Hauptversammlung 2016.

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