Frankreich:Bayer entschuldigt sich für Monsantos Überwachungs-Listen

Bundesregierung einig bei Ausstieg aus Glyphosat

Bienenkästen in Brandenburg: Kritiker machen das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat von Monsanto für das Bienensterben mitverantwortlich.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)
  • PR-Agenturen haben offenbar im Auftrag von Monsanto Listen mit Kritikern des Konzerns geführt.
  • Auf der Liste fanden sich 200 Journalisten, Wissenschaftler und Politiker, die zu "erziehen" oder "zu überwachen" seien.
  • Der neue Besitzer von Monsanto, der Bayer-Konzern, hat sich für das Verhalten der Tochter entschuldigt. Bayer kündigte an, die Vorgänge untersuchen zu lassen.

Von Elisabeth Dostert

Die Bayer-Tochter Monsanto hat 2016 geheime Listen über Unterstützer und Kritiker in Frankreich geführt. Wie die Zeitung Le Monde und der öffentlich-rechtliche Sender France 2 berichten, sollen PR-Agenturen im Auftrag des Konzerns Informationen über zuletzt rund 200 Wissenschaftler, Politiker und Journalisten gesammelt haben und deren Haltung zum Unkrautvernichter Glyphosat und zu Gentechnik. Am Sonntagnachmittag entschuldigte sich Bayer in einer Mitteilung für die Praxis. Dies sei nicht die Art, wie Bayer den Dialog mit unterschiedlichen Interessengruppen und der Gesellschaft suche.

"Auch wenn es derzeit keine Hinweise gibt, dass die Erstellung dieser Listen gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen hat, wird Bayer eine externe Anwaltskanzlei damit beauftragen, das von Monsanto verantwortete Projekt zu untersuchen und die erhobenen Vorwürfe zu bewerten." Die Kanzlei werde allen in den Listen aufgeführten Personen Auskunft darüber geben, welche Informationen über sie gespeichert wurden. 2016 war in der EU heftig über die neuerliche Zulassung des Monsanto-Wirkstoffs Glyphosat gestritten worden. Weil keine Einigung erzielt wurde, verlängerte die EU-Kommission die Zulassung um anderthalb Jahre bis Ende 2017. Im Mai 2016 wurde öffentlich, dass der deutsche Dax-Konzern Bayer Monsanto kaufen wolle.

Ein Le Monde und France 2 zugespieltes Dokument, datiert auf Ende 2016, zeigt ein Koordinatensystem mit wichtigen Personen und Gruppen in der Glyphosat-Debatte, dazu die Logos von Monsanto und der PR-Agentur Publicis. Auf der waagrechten Achse ist die Haltung zu Glyphosat verzeichnet, auf der senkrechten der Einfluss. Einzelne Namen sind nicht zu sehen. Dem Handelsblatt sagte Publicis-Chef Clément Léonarduzzi, die "alte Mannschaft" sei mit dem Vorgang befasst gewesen. Er habe davon erst nach seinem Amtsantritt erfahren. Publicis sei im Auftrag der PR-Agentur Fleishman Hillard tätig geworden. Fast alle Personen, die damit befasst waren, seien mittlerweile ausgeschieden.

Die Staatsanwaltschaft in Paris hat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet

Ein zweites, den Medien ebenfalls zugespieltes Dokument stammt von Fleishman Hillard selbst und listet rund 200 Personen auf. Je nach Haltung und Einfluss werden sie mit Noten von Null bis Fünf bewertet. Die Personen wurden auch in Gruppen eingeteilt: Verbündete, potenzielle Verbündete, die es zu rekrutieren gelte, Akteure, die zu "erziehen" und solche, die "zu überwachen" seien. Fleishman Hillard äußerte am Wochenende, man habe keinerlei Kenntnis von rechtswidrigen Handlungen. Zu den Vorwürfen in Frankreich wollte sich Hanning Kempe, Chef der deutschen Fleishman-Tochter, am Sonntag nicht äußern. Auch diese arbeitete 2016 für Monsanto. Im Rahmen der Kommunikationskampagnen seien, wie üblich, Excel-Dateien mit den öffentlich zugänglichen Daten der Stakeholder erstellt worden, "aber keine privaten Geschichten", sagte Kempe der SZ. Fleishman Hillard sitzt wie Monsanto in St. Louis in den USA, arbeitete lange für den US-Konzern und nun für Bayer.

Bayer kündigte nun an, die Zusammenarbeit mit den betreffenden Dienstleistern vorerst auf Eis zu legen. Der für dieses Projekt zuständige Manager habe bereits kurz nach Abschluss der Übernahme von Monsanto das Unternehmen verlassen.

Zu den Opfern in Frankreich zählt auch die damalige französische Umweltministerin Ségolène Royal. Sie sei als "null beeinflussbar" geführt worden. Dem Sender France 2 sagte Royal, der Fall sage viel aus über das Lobby-System: "Sie spionieren, infiltrieren, beeinflussen." Dieses absolut "schädliche System" müsse bekämpft werden. Im Widerstand gegen Monsanto habe sie sich 2016 "ein wenig alleine gefühlt". Sie forderte Behörden und Justiz dazu auf, die Sache zu verfolgen. Auch andere Lobbyisten müssten überprüft werden, sie könne sich nicht vorstellen, dass Monsanto das einzige Unternehmen sei, das solche Methoden anwende, so die Ex-Ministerin.

Die Staatsanwaltschaft in Paris leitete ein Ermittlungsverfahren gegen Monsanto wegen illegaler Erfassung privater Daten ein. Sie reagierte damit auf eine Klage von Le Monde und eines Journalisten, dessen Name auf der Liste stand. Rund die Hälfte der auf der Liste geführten Personen sind den Berichten zufolge Journalisten. Die Vereine Foodwatch und Générations Futures, die gegen Pestizide in Lebensmitteln kämpfen, bereiten nach eigenen Angaben ebenfalls Klagen vor. Wie Foodwatch France auf seiner Internetseite berichtet, stehen Geschäftsführerin Karine Jacquemart und Kommunikationschefin Ingrid Kragl auf der Liste. Die Dokumente seien ein neuer Beleg dafür, dass "die Lobbyisten multinationaler Konzerne vor nichts zurückschrecken, um ihr Geschäft zu schützen". Sie glaubten, dass sie sich nicht an die Vorschriften halten müssten. "Das ist skandalös", werden die Frauen auf der Internetseite zitiert. Mit der Übernahme von Monsanto für rund 63 Milliarden Dollar hat sich Bayer jede Menge Ärger eingekauft. In den USA wurden bis Mitte April mehr als 13 400 Klagen wegen Glyphosat eingereicht. Wegen der Risiken der Übernahme und des Kursverfalls der Aktie hatten die Bayer-Aktionäre den Vorstand bei der Hauptversammlung Ende April nicht entlastet.

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