Weltwährungsfonds:Drastischer kann Europa seine Zerrissenheit kaum vorführen

Kristalina Georgiewa

Kristalina Georgiewa erwarb sich als Weltbank-Vize und Brüsseler Haushaltskommissarin einen guten Ruf. Nun hat ihr Paris zum neuen Amt verhofen.

(Foto: dpa)

Dass die Bulgarin Kristalina Georgiewa Chefin des IWF werden soll, wirkt wie ein Erfolg für den Balkanstaat. Es ist aber viel mehr Zeichen für die brachialen Machtspiele von Emmanuel Macron in der EU.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Auf den ersten Blick wirkt es vor allem wie ein Erfolg für Bulgarien, dass Europa Kristalina Georgiewa an die Spitze des IWF entsenden will. Der Direktorenposten beim Weltwährungsfonds würde den Balkanstaat aufwerten, der sonst eher durch Korruption von sich reden macht. In Wahrheit aber bedeutet Georgiewas Nominierung vor allem einen Erfolg für Frankreich. Präsident Emmanuel Macron zwingt dem Rest der EU mal wieder seinen Willen auf. Das ist eine doppelt schlechte Nachricht: für Europa genauso wie für den IWF in Washington.

Zunächst sah es so aus, als würden Frankreich und Deutschland gemeinsam Jeroen Dijsselbloem als Kandidaten stützen. Der Niederländer stand als Chef der Euro-Finanzminister für eine Stabilitätspolitik, womit er sich in Nordeuropa empfahl und im Süden nicht. Deutsch-französische Einmütigkeit hätte ihn nach Washington befördert. Doch Macron verfolgte eigene Pläne und kürte Georgiewa, womit er sich das sonst eher isolierte Mittelosteuropa zu Dank verpflichtete.

Macron schafft mit Brachialgewalt Abhängigkeiten

Nachdem Macron schon Manfred Weber als Kommissionschef verhindert und damit die Idee des Spitzenkandidaten zerstört hat, stößt er nun mindestens die Bundesregierung erneut vor den Kopf. Europas Personaltableau besteht nun aus einer französischen Zentralbankchefin Christine Lagarde, einer deutschen Kommissionschefin von französischen Gnaden - und einer möglichen IWF-Chefin, die sich ebenfalls in Paris bedanken muss.

Macron schafft mit Brachialgewalt Abhängigkeiten. Zum ersten Mal wurde kein Konsens über den EU-IWF-Kandidaten erreicht. Paris setzte eine Kampfabstimmung an. Dabei kam Georgiewa nicht mal auf die unangefochtene Mehrheit. Drastischer kann Europa seine Zerrissenheit der Welt kaum vorführen.

Dieser Gewaltakt belastet zunächst die Kandidatin selbst. Kristalina Georgiewa erwarb sich als Weltbank-Vize und Brüsseler Haushaltskommissarin einen guten Ruf. Nun startet sie mit dem Makel, dass Europa nicht geschlossen hinter ihr steht. Zudem muss für die bald 66-Jährige die IWF-Altersgrenze geändert werden. Beides erschwert Georgiewas Stand bei den Schwellenländern, die westliche Dominanz satthaben.

Der Streit legt offen, wie uneins Frankreich und Deutschland sind

Obwohl der Währungsfonds mittlerweile 189 Mitglieder zählt, besetzt Europa seit den 1940er-Jahren immer den Top-Job - dank einer Absprache mit den USA, die im Gegenzug den Weltbankchef küren. So funktioniert die West-Dominanz, obwohl Schwellenländer geeignete Kandidaten hätten: Agustín Carstens etwa, mexikanischer Manager der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, oder Indiens Ex-Zentralbankchef Raghuram Rajan, der vor dem globalen Finanzcrash warnte.

Weil sich die IWF-Stimmrechte nach Einzahlungen richten, dürfte Europa mit den USA auch diesmal seinen Kandidaten durchboxen. Doch Georgiewa ist geschwächt für die Aufgaben, für die der IWF gebraucht wird: Was stoppt den globalen Handelskrieg made in USA? Untergraben Konzerne wie Facebook mit eigenen Währungen das Devisensystem? Wer verhindert die nächste Weltfinanzkrise?

Macrons Brachialakt schadet auch Europa. Er legt offen, wie uneins Frankreich und Deutschland sind. Wenn die größten EU-Mitglieder nicht harmonieren, ist Europa schwach. In London und Washington zündeln Boris Johnson und Donald Trump. Und weder die Flüchtlingsfrage noch der Klimaschock dulden Aufschub.

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:Nominierung der neuen IWF-Chefin - eine gute Wahl?

Mit der Bulgarin Kristalina Georgiewa wird eine Frau als Chefin des Internationalen Währungsfonds nominiert, die eigentlich schon zu alt ist. Ihre Wahl sei aber viel mehr ein Zeichen für die brachialen Machtspiele von Emmanuel Macron, meint SZ-Autor Alexander Hagelüken.

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