Alternative Antriebstechnologien in Puchheim:"Wir wollen in Richtung Serienproduktion"

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Proton-Vorstandsmitglied Manfred Limbrunner zeigt sich im SZ-Interview zuversichtlich, dass die umweltfreundliche Brennstoffzelle sich bei Bussen und Kommunalfahrzeugen durchsetzen wird. Die Puchheimer Hightech-Firma könnte sich ein Engagement im Landkreis vorstellen

Interview Von Stefan Salger

Die Brennstoffzelle gilt als umweltfreundliche Zukunftstechnologie, konnte sich bislang aber nicht durchsetzen. Denn alle reden übers Elektroauto. Jüngst sind Forscher des Fraunhoferinstituts freilich zum Ergebnis gekommen, dass Fahrzeuge mit Wasserstoffantrieb ab Reichweiten von 250 Kilometer eine bessere Umweltbilanz aufweisen als Elektroautos. Mit Proton Motor gibt es eine Firma im Landkreis, die zu den Weltmarktführern bei der Entwicklung von Brennstoffzellentechnik zählt. Voriges Jahr hat sie 20-jähriges Bestehen gefeiert. Das im Puchheimer Gewerbegebiet ansässige Unternehmen beschäftigt 75 Mitarbeiter. Am Freitag hat Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger per Knopfdruck eine Anlage für die Serienfertigung in Betrieb genommen. Damit können vom Jahr 2020 an jährlich 6000 und künftig bis zu 30 000 Stacks (aus hintereinander angeordneten Brennstoffzellen bestehende "Pakete") hergestellt werden. Die Kosten dürften auf lange Sicht um weit mehr als den Faktor zehn sinken. Vorstandsmitglied und Marketingdirektor Manfred Limbrunner, 50, erklärt, warum sich Proton auf Nutzfahrzeuge konzentriert und wie die fehlende Infrastruktur der Verbreitung der Technik im Wege steht.

2019 nimmt Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger symbolisch eine Anlage im Puchheimer Stammwerk in Betrieb (links neben ihm Proton Motor Chairman Helmut Gierse). (Foto: Günther Reger)

SZ: Was macht für Sie den Reiz von Brennstoffzellentechnik und Wasserstoff aus?

Manfred Limbrunner: Wasserstoff ist ein regenerativer, verlustfreier Energiespeicher, der im Universum auch noch am häufigsten vorhanden ist. Und die Brennstoffzelle ist eine sehr gute Ergänzung zur Batterie. Die Frage ist nicht Brennstoffzelle oder Batterie. Für uns ist es immer eine Kombination aus beidem.

Warum kann man die Brennstoffzelle nicht solo einsetzen?

Die Brennstoffzelle braucht mindestens eine Starterbatterie. Die Batterie ist zurzeit billiger als die Brennstoffzelle, wenn man sich die Kosten in Euro pro Kilowatt ansieht. Aber in Euro pro elektrische Kilowattstunde ist die Kombination Brennstoffzelle/Wasserstoff billiger als die Batterie - zumindest im Nutzfahrzeugsektor. Der Kostenvorteil nimmt noch zu, wenn man die Abwärme für die Heizung des Fahrgastraumes nutzt.

Wie schnell geht das Tanken von Wasserstoff ?

Die Reichweite eines Busses liegt bei 300 bis 400 Kilometer, bei Bedarf auch mehr, und in zehn Minuten ist der dann wieder vollgetankt. Die Fahrenergie kommt aus dem Wasserstoff, die Batterie dient vor allem als Puffer.

Batterien lassen durch häufiges Schnellladen nach. Wie schlägt sich da die Brennstoffzelle?

Bei den Pkws, die eine extrem hohe Leistungsdichte erfordern, liegt die Lebensdauer der Batterie bei etwa 6000 Betriebsstunden. Bei uns wird die Lebensdauer lediglich eingeschränkt durch chemisch belastete Komponenten wie die Membran. Die Leistungsfähigkeit der Brennstoffzelle sinkt deshalb oberhalb von 20 000 Betriebsstunden auf etwa 80 Prozent. Ansonsten ist die Lebensdauer nahezu unbegrenzt.

Ein Notstromaggregat, wie es in nicht erschlossenen Gegenden zum Einsatz kommen kann. (Foto: Proton)

Wie wird der Wasserstoff gespeichert?

Früher wurde er tiefgekühlt, heute wird er unter Druck gespeichert. Auch an den Tankstellen wird mit Druck befüllt.

Wie gut ist das Tankstellennetz ausgebaut?

Die Wasserstoff-Infrastruktur ist sehr wichtig. Bislang gibt es in München vier öffentliche Wasserstofftankstellen mit 700 bar vor allem für Autos, da dürften pro Tag fünf bis sechs Fahrzeuge tanken - vielleicht jeweils fünf Kilo Wasserstoff für zehn Euro. So lange es kein Tankstellennetz gibt, setzen wir auf Back-to-Base. In einer Stadt wie München könnte das so aussehen: 20 Busse und ein paar Müllfahrzeuge sowie Lastwagen teilen sich eine Wasserstofftankstelle. Mit einer 350-bar-Tankstelle und 20 Bussen, die jeweils mit 30 Kilo Wasserstoff befüllt werden, rechnet sich eine Tankstelle natürlich eher.

Proton konzentriert sich auf Lastwagen und Busse. Warum nicht auf Autos?

Bei steigenden Reichweiten und Nutzlasten geht es mit der Batterie allein kaum. In puncto Energiedichte spielt die Brennstoffzelle da ihre Qualität aus, da ist sie um den Faktor vier besser als die Batterie. Wir fokussieren uns auf Lebensdauer und Wirkungsgrad. Während bei Pkws die Kosten erst bei sehr großen Stückzahlen runtergehen, ist es bei Nutzfahrzeugen günstiger. Dort geht es um die Kosten über den gesamten Lebenszyklus - da hat die Brennstoffzelle gute Karten.

Wäre die Brennstoffzelle nicht auch für Autos eine Alternative?

Zukünftig wohl schon. Große Automobilhersteller wie Daimler, BMW, VW und Audi forschen da längst - in Kooperation mit Hyundai oder Toyota. Die Hersteller müssen ihre Fahrzeuge aber erst mal elektrifizieren. Erst dann ist die Integration der Brennstoffzelle möglich. Bei der Elektrifizierung haben die Asiaten ihre Hausaufgaben schon gemacht.

Welche Systeme sind serientauglich?

Im Bereich der Busse gibt es bereits erfolgreiche Projekte. EBE Europa aus Memmingen hat mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzellen à 60 Kilowatt Stromleistung für 15 Busse bestellt. Die sollen in Frankfurt am Main, Mainz, Münster und Wiesbaden eingesetzt werden. Dann haben wir Kooperationsvereinbarungen mit Škoda Elektrik für Stadtbusse sowie im Railbereich. In einer Kooperation mit E-Trucks Europe aus Belgien wird in Kürze ein erstes Müllsammelfahrzeug mit Brennstoffzellenantrieb ausgeliefert, nächstes Jahr sollen zehn weitere Fahrzeuge folgen. Bei einem Förderauftrag, der nächste Woche vom Bundesverkehrsministerium übergeben wird, geht es um die Umrüstung von zunächst fünf 40-Tonnen-Sattelzugmaschinen. Die EU-finanzierten Förderprogramme Jive eins und Jive zwei geben Markteinführungsunterstützung. Gefördert wird dabei direkt der Endkunde, das ist sinnvoller als eine reine Technologieförderung. Letztlich steigt die Attraktivität der Technologie auch mit der CO₂-Steuer und Einfahrverboten in die Innenstädte.

Ein wasserstoffbetriebener Versuchslastwagen vor der Firmenzentrale. (Foto: Stefan Salger/oh)

Seit Ende 2015 setzt der MVV auf der Linie 840 in Fürstenfeldbruck drei Elektro-Diesel-Hybridbusse ein. Können Wasserstoff- Elektro-Busse unter Berücksichtigung von Fördermitteln wirtschaftlich mit denen konkurrieren?

Mit dem Jive-Förderprogramm kommen wir durchaus in diesen Bereich. In der Anlaufphase müsste die Politik aber noch mehr Anreize für potenzielle Käufer schaffen. Wasserstoffbetriebene Busse werden durch Jive mit 625 000 Euro gefördert. Zum Vergleich: Elektrobusse kosten unter Berücksichtigung der Förderung letztlich etwa 350 000 bis 400 000 Euro.

Haben die Elektrobusse bessere Startbedingungen?

Ab einer bestimmten Flottengröße wird sich meiner Überzeugung nach die Brennstofftechnik durchsetzen. Bei Batteriebussen muss auf die Streckenauswahl geachtet werden. Die Reichweite ist abhängig von der Jahreszeit. Und Batteriebusse sind derzeit noch mit Dieselstandheizungen beheizt. Bei etwa zehn Bussen dürfte zudem die Schwelle erreicht sein, wo es mit dem Laden der Busse schwierig wird bei Ladeleistungen von 50 bis 200 Kilowatt.

Hat sich denn auf Landkreisebene mal jemand gemeldet?

Leider nicht. Wir würden uns sehr freuen, wenn uns Kommunen mit Bestellungen und Wasserstofftankstellen unterstützen würden. Bundesweit sind bis 2025 immerhin 450 Tankstellen vorgesehen.

Proton kooperiert mit Škoda Elektrik. Wäre es denkbar, Busse für den Personennahverkehr im Landkreis zu liefern?

Ja, das wäre sehr wohl möglich. Der Engpass ist aber die Wasserstofftankstelle. Für ein oder zwei Busse lohnt sich die nicht. Wir hatten letztes Jahr mit dem MVV durchaus ermutigende Gespräche. Aber es gab bislang keine weitere Rückmeldung. Die Post wäre auch geeignet. Deren Streetscooter fahren ja bereits elektrisch. Die haben mal hundert Brennstoffzellenfahrzeuge angekündigt. Vor zwei Jahren gab es einen Kontakt. Aber mittlerweile haben sie einen Auftrag an einen amerikanischen Hersteller vergeben, weil sie uns offenbar gar nicht mehr auf dem Schirm hatten. Es wäre halt schön gewesen, wenn wir hätten anbieten dürfen. Aber wir haben andere spannende Joint Ventures.

Die Umweltfreundlichkeit steht und fällt mit der Produktion von Wasserstoff. Welche Rolle könnten Windräder spielen?

Wasserstoff muss langfristig regenerativ hergestellt werden, auch wenn momentan noch genügend grauer Wasserstoff, der in der chemischen Industrie abfällt, vorhanden ist. Köln hat die größte Busflotte, die fahren mit grauem Wasserstoff für 3,80 Euro je Kilogramm und damit natürlich unschlagbar günstig. Interessant wird Wasserstoff aber als verlustfreier, regenerativer Energiespeicher auch deshalb, weil das Erneuerbare-Energien-Gesetz ausläuft und viele Windparks aus der Förderung fallen. Da gibt es keine Kompensation mehr fürs Abschalten. Wird kein Strom im Netz benötigt, könnte mit den Windrädern grüner Wasserstoff produziert und gespeichert werden.

Verkaufsleiter Manfred Limbrunner in der Werkhalle. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Wäre ein energieautarkes Haus wie in Südtirol hier im Landkreis vorstellbar?

Wir bekommen viele Anfragen, sogar von Privathaushalten. In Form des Pure Power Pools wurde ein Konsortium gegründet, um Komplettanlagen anbieten zu können. Grundsätzlich ist für uns auch die saisonale Energiespeicherung aussichtsreich. Überschüsse von elektrischem Strom aus Wind und Sonne lassen sich in Form von Wasserstoff im Tank des Hauses speichern. Im Winter können daraus Strom und Wärme erzeugt werden. Wasserstoff kann auch zur Netzstabilisierung genutzt werden.

Wo setzt Proton jetzt die Schwerpunkte?

Wir wollen Richtung Industrialisierung und damit Serienproduktion. Unsere Systeme sind multifunktional. Stationäre Einsatzmöglichkeiten sind ebenso interessant wie Busse, Lastwagen und vor allem Müllsammelfahrzeuge. Darüber hinaus haben wir weitere Bereiche im Auge, wie Schiffe und Züge. Auch aus der Luftverkehrsbranche gibt es Anfragen. Die vorhandenen Systeme sind aber noch zu schwer, da bedarf es hoher Investitionen in die Entwicklung. Wenn wir Partner finden, die unser Know-how brauchen, wäre das schon interessant.

Fürchten Sie die Konkurrenz aus Asien?

In China passiert sehr viel, vor allem bei der Fahrzeug-Elektrifizierung. Ich verfolge das seit acht oder neun Jahren. Viele chinesische Firmen waren schon bei uns, aber wir würden nur mit einem strategischen Partner dorthin gehen. Noch haben wir das Know-how bei der Technologie komplett in Deutschland. Die Politik sollte helfen, dass das genutzt wird.

© SZ vom 28.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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