Protestzug und Kundgebung:Bunter Hafen in Ebersberg

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Etwa 100 Demonstranten fordern Bekenntnis zur Seenotrettung

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

"Seenotrettung ist keine Straftat" oder "Ebersberg als sicherer Hafen statt Ankerzentren in der Pampa" stand auf den Plakaten. Es waren ungewöhnliche Botschaften für einen Freitagnachmittag, die die Demonstranten in der Ebersberger Innenstadt in die Luft hielten. Allerdings handelte es sich auch um keine gewöhnliche Demonstration. Zu einer Zeit, zu der normalerweise die Aktivisten von "Fridays for Future" auf den Straßen unterwegs sind, hatten sich etwa 100 Menschen versammelt, um ihre Stimme für Seenotrettung zu erheben. Ebersberg soll ein "Sicherer Hafen" werden.

Einen Hafen gibt es zwar im Ebersberger Zentrum mangels Wasser nicht, die Forderung der Demonstranten war aber ebenso symbolisch zu verstehen wie das aufgeblasene Schlauchboot, das auf einem der Parkplätze auf dem Marienplatz lag. Der Markt Schwabener Verein "Seite an Seite", der die Kundgebung federführend organisiert hatte, möchte erreichen, dass sich Ebersberg dem Seebrücken-Bündnis "Sicherer Hafen" anschließt - und somit ein Zeichen für die Menschlichkeit setzt.

Um ihrer Forderung Ausdruck zu verleihen, zogen die Demonstranten mit Bannern, Schildern und Megafon durch die Stadt. Vom Marienplatz aus ging es, eskortiert von mehreren Polizeiautos, zunächst in Richtung Landratsamt. Auf dem Fahrzeug, das den Zug anführte, dröhnte laute Musik. "Menschen zu retten, ist kein Verbrechen", hieß es in einem der Lieder, die aus den Boxen schallten. Die Passanten auf der Straße und in den Cafés drehten ihre Köpfe nach den Demonstranten um und versuchten zu lesen, was diese auf ihre Schilder und Transparente geschrieben hatten. Aufmerksamkeit erregte die Kundgebung auf jeden Fall.

Dies wollten die Aktivisten auch vor dem Ebersberger Landratsamt erreichen, wo sich der Demo-Zug zu einer kurzen Zwischenstation und zwei Redebeiträgen versammelte. Hausherr und Landrat Robert Niedergesäß (CSU), an den sich der Appell wohl vor allem richten sollte, ließ sich allerdings nicht sehen. Und so richtete Grafings Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) ihre Worte eben in Richtung der versammelten Menge auf dem Vorplatz der Kreisbehörde. Die Organisatoren hatten Obermayr deshalb zu der Kundgebung eingeladen, weil Grafing die erste Kommune in Oberbayern gewesen war, die sich zu einem sicheren Hafen erklärt hatte.

Der Beschluss sei im Stadtrat zwar mehrheitlich, aber nicht einstimmig gefallen, sagte die Bürgermeisterin. Dennoch hätten in Grafing alle gemeinsam zur sachlichen Diskussion über Flucht und Fluchtursachen beigetragen. In Bezug auf die Seenotrettung vertritt Angelika Obermayr eine klare Meinung. Es sei für sie unerträglich, wenn Menschen im Mittelmeer ertrinken: "Wir wollen, müssen und können helfen!"

Jemand, der bereits selbst unmittelbar vor Ort geholfen hat, ist Michael Buschheuer, der Gründer der Seenotrettungs-Organisation Sea-Eye. "Ich habe mich berufen gefühlt, so etwas aufzubauen", sagte er vor dem Landratsamt. Dabei habe er als gelernter Lackierer mit Seenotrettung eigentlich gar nichts am Hut gehabt. Als die Situation der Geflüchteten im Mittelmeer aber immer prekärer wurde, habe er sich zusammen mit Familie und Freunden dazu entschieden, die Organisation zu gründen. "Ich will keine Grenze, an der Menschen ertrinken", sagte er.

Buschheuer will Seenotrettung allerdings nicht als Einladung verstanden wissen, damit die ganze Welt nach Europa kommen kann. Ihm geht es darum, Menschen in Not einen Ruheplatz zu verschaffen. Für den Sea-Eye-Gründer dürfe die Rettung von Geflüchteten auch zu keiner Spaltung der Gesellschaft führen. "Machen Sie sich für das Thema stark, aber holen Sie auch die andere Seite", appellierte er deshalb an die Ebersberger Demonstranten.

Diese riefen auf dem Weg zurück zum Marienplatz laut im Chor: "Seenotrettung ist kein Verbrechen!" Zurück im Zentrum der Stadt folgten weitere Reden auf der dort aufgebauten Bühne. So berichtete etwa Marthe Balzer vom Bündnis Seebrücke über die Arbeit des Vereins und sagte unter Applaus über die Seenotrettung: "Da ist Europa gefordert - und da sind wir hier gefordert."

© SZ vom 30.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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