Europäische Umweltagentur:400 000 Europäer sterben durch Luftverschmutzung

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Kohlekraftwerk in Polen (Foto: Petr David Josek/picture alliance/AP Photo)
  • Gesundheitsfolgen durch Feinstaub haben in Deutschland und Europa in den vergangenen Jahren insgesamt leicht abgenommen. Vor allem im Osten und Süden Europas ist die Belastung jedoch noch sehr hoch.
  • Durch Stickoxide verursachte gesundheitliche Probleme sind dagegen kaum zurückgegangen.
  • Die Entwicklung zeigt, dass die bisherigen politischen Maßnahmen gegen Luftverschmutzung zwar greifen, doch bei Weitem noch nicht ausreichen.

Von Hanno Charisius

Laut einem Bericht der Europäischen Umweltagentur EEA hat sich die Luftqualität in europäischen Städten zuletzt etwas verbessert. Vielerorts ist die Luft jedoch noch so stark verschmutzt, dass im Jahr 2016 rund 400 000 Menschen vorzeitig starben. Als Grundlage dieser Abschätzung diente der EEA die Entwicklung der Luftqualität zwischen den Jahren 2000 und 2017.

Bei der Zahl handelt es sich um einen rechnerisch ermittelten Wert, keinen gemessenen. Er eignet sich vor allem für Vergleiche zwischen Regionen oder Zeiträumen. Die aussagekräftigere Angabe ist die der verlorenen Lebensjahre durch Schadstoffe in der Luft.

Auch diese gibt keinen Anlass zur Beruhigung:

  • Laut dem Bericht gingen in Europa im Jahr 2016 zusammengerechnet 4,2 Millionen Lebensjahre aufgrund von Feinstaub mit einem Durchmesser kleiner als 2,5 Mikrometer (PM 2,5) verloren.
  • Die Belastung mit Stickstoffdioxid kostet die Bevölkerung 707 000 Lebensjahre.
  • Durch die Ozonbelastung schwinden weitere 160 000 Lebensjahre.

Immerhin zeigen die EEA-Zahlen gegenüber den Vorjahren einen leichten Rückgang der vorzeitigen Todesfälle und der verlorenen Lebensjahre. Gleichwohl werden die von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlenen Grenzwerte vielerorts nicht eingehalten. Gerade in den Ballungsräumen, in östlichen europäischen Ländern und Norditalien ist die Belastung mit den drei wichtigsten Schadstoffen noch immer viel zu hoch. Verkehr, Energieerzeugung und Landwirtschaft sowie die Industrie sind die wesentlichen Quellen des Drecks in der Luft. Wobei insbesondere die Belastung durch Verkehr und Landwirtschaft nahezu konstant geblieben ist, während sie in den anderen Bereichen zurückgegangen ist.

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Für Nino Künzlich, stellvertretender Direktor des Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Instituts zeigt der neue Bericht klar, dass die von der WHO empfohlenen Höchstmengen der Luftschadstoffe eingehalten werden könnten, wenn die Politik diese Ziele vorgebe. "Am Beispiel der Stickoxide erkennt man die Bedeutung gesundheitsorientierter Zielvorgaben gut: Die Jahresmittelwerte liegen nur noch an zehn Prozent aller Messstationen über dem von der WHO vorgeschlagenen und von der EU als Grenzwert vorgegebenen Wert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. Ohne Betrugsskandale wäre die Situation noch besser."

Beim Feinstaub wiederum werden an der Mehrzahl der Messstationen noch immer Mengen ermittelt, die über dem WHO-Jahresrichtwert von zehn Mikrogramm pro Kubikmeter liegen. "Seit Jahren weigert sich die EU, diesen Richtwert gesetzlich zu verankern. Stattdessen hat die EU für den Feinstaub den von Lobbyisten propagierten - viel zu hohen - Jahresmittelwert von 25 Mikrogramm pro Kubikmeter in der Direktive verankert", sagt Künzlich. "Wäre die Luftreinhaltepolitik der EU schon vor 20 Jahren den Forderungen der Wissenschaft gefolgt, lägen heute auch die Feinstaub-Belastungen tiefer."

Luftreinhaltung ist auch eine Maßnahme für den Klimaschutz

Als Skandal bezeichnet Christoph Schneider, Professor für Klimageografie an der Berliner Humboldt-Universität, "die lasche Umsetzung von Maßnahmen zur Einhaltung von Grenzwerten an Tausenden von Messstellen in Europa". In Süd- und Osteuropa müssten die Emissionen flächendeckend durch Modernisierungen in der Industrie und im Verkehrssektor gesenkt werden. In West- und Nordeuropa bräuchten insbesondere die ärmeren Einwohner Schutz, die häufig an hochbelasteten Orten leben. Dazu empfiehlt Schneider Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge, Tempolimits und einen raschen Umstieg auf Elektromobilität. Auch mit Holz befeuerte Öfen sind enorme Dreckschleudern, die vor allem in Städten zur Belastung der Anwohner beitragen.

Europaweite Daten zur Belastung mit sogenanntem Ultrafeinstaub aus Partikeln kleiner als 100 Nanometer liegen bislang nicht vor. Sie tragen vor allem in verkehrsreichen Regionen zur gesundheitlichen Belastung der Bevölkerung bei.

Im Vergleich zu den übrigen Schadstoffquellen ist die Luftbelastung durch die Landwirtschaft seit dem Jahr 2000 kaum gesunken. "Hier spielen vor allem die weiterhin auf hohem Niveau stagnierenden Ammoniak-Emissionen eine wichtige Rolle, weil sie eine Vorläufersubstanz für die Bildung von Feinstaub sind", sagt Barbara Hoffmann, Professorin für Umweltepidemiologie an der Universität Düsseldorf. "Für die Luftreinhaltung gilt - ähnlich wie für den Klimaschutz -, dass es keine einzelne Maßnahme gibt, die das Problem lösen kann." Erfolgreiche Luftreinhaltung habe allerdings einen doppelten Nutzen: Dadurch werde nicht nur die Gesundheit der Menschen verbessert, sondern auch das Klima geschützt.

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