Krieg in Syrien:Kramp-Karrenbauers verstolperter Alleingang

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Die Verteidigungsministerin fordert eine internationale Sicherheitszone für Syrien. Das ist richtig, aber weil der Vorstoß eine grundlegende Neuausrichtung einleitet, müsste die Kanzlerin ihn erklären, nicht eine angeschlagene CDU-Vorsitzende.

Kommentar von Nico Fried, Berlin

Annegret Kramp-Karrenbauer hat einen Vorschlag gemacht, der das Potenzial hat, die deutsche Außenpolitik grundlegend zu verändern - oder die Karriere der Verteidigungsministerin zu beenden. Die CDU-Politikerin fordert eine internationale Sicherheitszone für die Kurden in Nordsyrien. Sie schlägt dafür eine Initiative der Nato unter Einbeziehung Russlands vor. Seit der Gründung der Bundesrepublik hat noch nie eine deutsche Regierung einen Militäreinsatz initiiert, noch dazu außerhalb des Nato-Gebietes. Die Bekenntnisse vieler Politiker zu mehr internationaler Verantwortung - die CDU-Chefin gibt ihnen eine Richtung. Eine Marschrichtung.

In der Sache ist das ein plausibler Vorschlag, im Stil aber haben sich Kramp-Karrenbauer und auch die Kanzlerin bereits am ersten Tag schwere, ja unerklärliche Fehler geleistet. Die Arbeitsteilung zwischen Kramp-Karrenbauer und Angela Merkel ist unangemessen und lässt hinter der außenpolitischen Initiative zu viel innenpolitische Motivation vermuten. Und der Koalitionspartner SPD wurde sinnlos düpiert.

Kurdengebiete
:Kramp-Karrenbauer fordert internationale Sicherheitszone in Syrien

Es wäre das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass Deutschland eine Initiative zu einer internationalen Militärmission ergreift. Auch die Bundeswehr müsste dann wohl in den Einsatz.

Von Stefan Braun und Nico Fried, Berlin, und Paul-Anton Krüger

Doch der Reihe nach. Deutsche Soldaten nach Syrien? Natürlich hat Kramp-Karrenbauer auf die Frage nach der Beteiligung der Bundeswehr an einer Mission mit dem Verweis auf den Parlamentsvorbehalt geantwortet. Und dass es überhaupt zur Einrichtung einer Sicherheitszone und einem internationalen Militäreinsatz kommen wird, ist noch mehr als zweifelhaft. Aber wenn doch, werden sich deutsche Soldaten nicht raushalten können. Eine solche Politik würde den Vorwurf noch verstärken, Deutschland verhalte sich stets als Zaungast internationaler Konflikte, gebe gute Ratschläge und schiebe die Verantwortung gerne auf andere ab. Genau diesen Eindruck aber will Kramp-Karrenbauer entkräften.

Seit mehr als 25 Jahren beteiligt sich die Bundeswehr an Auslandseinsätzen, stets im Kollektiv sowie nach konkreten Anforderungen von Partnerstaaten oder der Nato. Manche deutsche Unterstützung war symbolisch, vieles substanziell. In den Kosovo und nach Afghanistan folgten deutsche Soldaten in erster Linie den Amerikanern, nach Mali und zur Luftaufklärung über Syrien und dem Irak den Franzosen.

Angela Merkel hatte als Oppositionsführerin im Streit um den Irakkrieg eine schmerzhafte politische Lektion gelernt. Als Kanzlerin hat sie zwar an Auslandseinsätzen einiges mitgemacht, aber doch stets nur das Nötigste. Sie legt Wert auf Verlässlichkeit und Solidarität unter Verbündeten, aber sie ist keine Interventionistin. Das Eingreifen des Westens in Libyen gilt ihr als Paradebeispiel dafür, dass aus guter Absicht nicht notwendig ein guter Ausgang folgt.

Diese Politik könnte sich nun ändern. Das ist grundsätzlich zu begrüßen. Denn es ist richtig, dass Deutschland mehr Verantwortung in der Welt übernehmen muss, vor allem dort, wo es um die eigene Sicherheit geht. Aber gerade weil es sich um eine so tiefgreifende Neuausrichtung der Außenpolitik handelt, wäre es Aufgabe der Kanzlerin, die Deutschen darauf einzustellen. Es geht ja nicht nur um einen Militäreinsatz, es geht ganz nebenbei auch um eine Kooperation mit Russland, trotz Ukraine-Krieg und Sanktionsregime; es geht um eine neue Positionierung im Verhältnis zu den USA und in Europa. Selbst mit dem syrischen Diktator Assad müsste man sich ins Benehmen setzen, immerhin soll die Sicherheitszone auf seinem Territorium eingerichtet werden. Es ist deshalb unverständlich, ja völlig falsch, dass Merkel die Öffentlichkeitsarbeit für diesen Vorschlag Kramp-Karrenbauer überlässt.

Eine solche Initiative, in der es in der Konsequenz um Krieg und Frieden, um Leben und Tod gehen kann, kommt weder der CDU-Vorsitzenden, noch der Verteidigungsministerin zu, nicht einmal dann, wenn man beide Ämter zusammenzählt. Vielmehr setzen sich die beiden CDU-Politikerinnen schlicht dem Verdacht aus, einen Militäreinsatz als Profilierungsmittel für die angeschlagene neue Parteivorsitzende zu instrumentalisieren.

Kramp-Karrenbauer, noch keine 100 Tage im Amt der Verteidigungsministerin, handelt nun recht forsch, man könnte auch sagen hopplahopp. Am Sonntag saß der Koalitionsausschuss zusammen, aber über ihre Initiative informierte sie den Außenminister erst am Montag per SMS und die SPD-Bundestagsfraktion überhaupt nicht. Ob die CSU, traditionell auch eher militärisch zurückhaltend, einverstanden ist, muss sich noch zeigen. Dass Kramp-Karrenbauer in einem Fernsehinterview am Montagabend gleich in der ersten Antwort den Irak und Syrien durcheinanderwarf, steigert auch nicht gerade das Vertrauen, dass sie politisch wirklich weiß, wo sie hin will.

Dieser ganze verstolperte Alleingang könnte sich noch rächen, wenn der Bundestag über eine Beteiligung der Bundeswehr abstimmen sollte. Verweigert das Parlament ein solches Mandat, ist vermutlich nicht nur die Koalition am Ende, sondern auch die Karriere der Verteidigungsministerin.

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