Zero-Waste-Bier:Dieser Mann braut Bier aus altem Brot

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Daniel Anthes: "Um achtsam mit Lebensmitteln umzugehen, braucht man keinen Michelinstern."

(Foto: Jonas; Knärzje)

1,7 Millionen Tonnen Backwaren landen in Deutschland jedes Jahr im Müll. Gründer Daniel Anthes wollte das ändern - und durch Bier trinken Lebensmittel retten.

Von Vivien Timmler

Bier trinken und damit die Welt ein Stückchen besser machen. Das war die Vision, mit der im vergangenen Jahr alles anfing. Daniel Anthes, tätowierter Oberarm, verschmitztes Lächeln, Dreitagebart, hatte sich bereits seit Längerem voll dem Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung verschrieben. Per Crowdfunding finanzierte er 2016 einen Foodtruck, in dem er aus geretteten Lebensmitteln Gerichte zauberte, ein Jahr später brachte er per Crowdpublishing ein Kochbuch mit Rezepten für die Resteküche heraus.

Für ein Lebensmittel aber hatte auch er bislang keine perfekte Verwendung gefunden: Brot. Etwa 1,7 Millionen Tonnen Backwaren landen allein in Deutschland jedes Jahr im Müll, obwohl sie noch genießbar wären. Und während sich auch aus schrumpelnden Kartoffeln, matschigen Tomaten und Auberginen mit Druckstellen noch eine prima Gemüsepfanne kochen lässt, wird aus den Unmengen Brot am Ende oft nicht mehr als Entenfutter.

Anthes wollte das ändern. Im Internet stieß er auf die Idee aus Großbritannien, aus Brotresten Bier zu brauen. Eine Idee aus dem Mittelalter, also nicht wirklich innovativ im engeren Sinne. Aber er fragte sich: Warum macht das hierzulande niemand, im Land des Bieres und des Brotes?

Gemeinsam mit einem Freund gründete der 33-Jährige das Start-up Knärzje und begann zu experimentieren. Gewöhnliches Bier besteht in der Regel aus Hopfen, Malz, Hefe und Wasser. Den Malzanteil wollten sie durch Brot ersetzen, doch sie merkten schnell, dass sich nicht jedes auch eignet. "Baguette oder Weißbrot geben dem Bier einfach nicht so viel wie Körnerbrot", sagt Anthes. Am Ende landeten sie bei einem Sauerteigbrot, von dem je eine Scheibe in je eine Flasche Bier wandern sollte - und von dem in Deutschland jeden Tag eine Menge weggeworfen wird.

Der nächste Schritt war die Suche nach einer Brauerei. Ahnung von der Braukunst hatte Anthes keine, dafür aber einen pragmatischen Ansatz: "Ich bin auch kein ausgebildeter Koch, aber mache trotzdem hin und wieder Kochkurse." Warum sollte das nicht auch mit dem Brauen funktionieren?

Drei Mal hat Anthes sein Zero-Waste-Bier mittlerweile in einer kleinen Brauerei hergestellt, jedes Mal etwa 700 Liter, das entspricht etwa 2000 geretteten Scheiben Brot. Nun will er bei einem Mittelständler brauen, Mindestabnahme: 5000 Liter. Also griff Anthes zu dem Instrument, das ihm schon zu einem Foodtruck und einem Kochbuch verholfen hatte: dem Crowdfunding. Schon nach drei Wochen hatte er das nötige Geld zusammen, sowohl das Helle als auch das Pils waren ausverkauft.

Knärzje ist der pfälzische Ausdruck für das Endstück eines Brotes

Der nächste Schritt ist nun eine Testlistung im Einzelhandel. Anthes setzt darauf, dass der Name des Bieres ihm regional Vorteile verschafft: Knärzje ist der pfälzische und hessische Ausdruck für das Endstück eines Brotes. Aber versteht das im Rest der Rupublik überhaupt irgendjemand? Schließlich gibt es in Deutschland mehr als 200 Begriffe dafür. "Ich hoffe auf einen Marketingeffekt wie bei Häagen-Dazs", sagt Anthes. Auch da habe anfangs keiner gewusst, wie man die Eismarke ausspreche geschweige denn, was der Name bedeute. Und heute sei sie überall auf der Welt erfolgreich.

Das aber ist gar nicht das Ziel des 33-Jährigen. Es gehe ihm nicht darum, "schnell Kohle zu machen", sagt Anthes. Er selbst zahle sich ohnehin kein Gehalt aus, stecke alle Einnahmen zurück in das Start-up und verdiene seinen Lebensunterhalt mit Vorträgen und Koch-Workshops. Vielmehr wolle er andere mit dem Bier ermutigen, sich mit dem sperrigen Thema der Lebensmittelverschwendung auseinanderzusetzen und diese so zu verringern. "Mein Wunsch wäre es, dass es uns in sieben Jahren nicht mehr gibt - weil kein Brot mehr weggeworfen wird."

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