Insolventes Rinecker Protonen-Therapiezentrum:Lebenswichtiger Bedarf - und ein trauriger Niedergang

Überheblichkeit des Gründers, Ablehnung durch andere Kliniken und der Abschied von einer Institution, die eigentlich gebraucht wird

Insolventes Rinecker Protonen-Therapiezentrum: Beendet zum Jahresende seinen Betrieb, wenn nicht noch eine neue Lösung auftaucht: Das Rinecker Protonen-Therapiezentrum in München.

Beendet zum Jahresende seinen Betrieb, wenn nicht noch eine neue Lösung auftaucht: Das Rinecker Protonen-Therapiezentrum in München.

(Foto: Catherina Hess)

"Experiment gescheitert" vom 2. November:

Gestatten Sie mir eingangs anzumerken, dass ich als ärztlicher Leiter der Strahlentherapie am Rinecker Protonen-Therapiezentrum (RPTC) seit April 2015, mit 22 Jahren Berufserfahrung in der Radioonkologie, die von Ihnen verwendete Bezeichnung unserer Einrichtung als "Experiment" als wenig geglückt ansehe. PD Dr. Hans Rinecker hatte vor zehn Jahren mit seiner umfangreichen Investition die zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich für die breite klinische Anwendung leistungsfähigste und modernste Protonenbestrahlungsanlage der Welt mit vier nachfolgend voll kommissionierten 360°-Gantryarbeitsplätzen im aktiven Strahlformverfahren (Scanning-Technologie) hier in München erschaffen. Es gab bereits damals für spezielle medizinische Indikationen einen Behandlungsbedarf für eine Protonenbestrahlung nach anerkannten Therapieprotokollen, die Indikationsgebiete wurden durch die deutsche Fachgesellschaft für Radioonkologie (DEGRO e.V.) auf wissenschaftlicher Basis bestätigt, in den letzten Jahren ausgeweitet.

Es besteht somit ein anerkannter Versorgungsbedarf für spezielle onkologische Krankheitsbilder, insbesondere auch in der Therapie von Kindern, deren Durchführung keineswegs als experimentell dargestellt werden darf. Ich hatte selber von meiner vorherigen Tätigkeitsstätte in Leipzig einzelne geeignete Patienten nach München an das RPTC überwiesen. Im Grunde ist ja auch der kritischste Strahlentherapeut in Deutschland froh, in speziellen Situationen seinen Patienten eine Behandlungsalternative mit Protonen anbieten zu können. Aufgrund der dreidimensionalen Formbarkeit des Therapiestrahles und der hohen Präzision ist eine Protonenbestrahlung im Vergleich zur konventionellen Bestrahlung (im Linearbeschleuniger erzeugte beschleunigte Röntgenstrahlung) insbesondere in enger Nachbarschaft zu Hochrisikoorganen, bei aufgrund der Tumorausdehnung irregulär konfigurierten Zielvolumen, bei wenig strahlensensiblen Tumoren (welche eine sehr hohe Dosis benötigen) sowie bei Kindern oftmals deutlich besser geeignet. Die meistens geringeren Nebenwirkungen sind bei weitem nicht das einzige Kriterium.

Dass für diese Behandlungsindikationen und -situationen natürlich noch keine beweisenden randomisierten multizentrischen Studienergebnisse vorliegen oder zeitnah erbracht werden können, erklärt sich aufgrund der noch geringen Verbreitung, des immensen finanziellen, personellen und wissenschaftlichen Aufwandes und der erforderlichen Nachbeobachtungszeiten klinischer Studien von selbst. Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang anzumerken, dass selbst auf dem Gebiet der sich rasant entwickelnden und ständig weiter verbessernden konventionellen Strahlentherapie (meines Wissens derzeit über 300 aktive Einrichtungen in Deutschland) die Anzahl neuerer, multizentrischer randomisierter Studien als eher bescheiden dargestellt werden muss und die der Protonentherapie stets auferlegte Beweislast kaum erbracht werden kann. Die ständige Verwendung von zweierlei Maß sehe ich hier für uns alle als sehr belastend an.

Es wurden bedauerlicherweise in der Vergangenheit von PD Dr. Hans Rinecker und der damaligen Führungsriege in der Kommunikation und im kollegialen Umgang zur Einbettung des RPTC in die lokale und bayerische Klinikstruktur schwere, zum Teil kaum entschuldbare Fehler begangen. Es war schlichtweg falsch, aus den physikalisch-technischen Strahleigenschaften eine generelle Überlegenheit der Protonentherapie gegenüber der konventionellen Strahlentherapie zu postulieren, da die Protonentherapie sehr empfindlich auf strukturelle Änderungen des durchstrahlten Gewebes reagiert, einen sehr hohen apparativen und planungstechnischen Aufwand erfordert und deutlich kostenintensiver ist. Selbst auf dem Gebiet der pädiatrischen Radioonkologie, wo die Protonentherapie zunehmend an Stellenwert gewinnt, lassen sich einige Krankheitsbilder auch in Zukunft deutlich effektiver und sicherer mit konventioneller Strahlentherapie behandeln. Es besteht aus meiner Sicht ein dringender Bedarf in Bayern an Versorgungseinrichtungen beider Strahlmodalitäten zur patientenorientierten und effektiven, aber auch gleichzeitig ökonomisch sinnvollen Versorgung. Hierzu existieren Behandlungsverträge unseres Zentrums mit einigen gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen.

Insbesondere in der Zeit unmittelbar vor Einleitung des Insolvenzverfahrens hatten wir für unsere personelle Ausstattung mit Arbeit überwiegend im Ein-Schicht-System respektable Behandlungszahlen erreicht. Dieses ist umso bedeutender, da unser Zentrum (abgesehen von der sehr guten Zusammenarbeit mit der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Klinikums München/Klinikums der Technischen Universität München) weitestgehend gemieden wird und bedauerlicherweise keine nennenswerte klinische Kooperationsbereitschaft seitens der beiden Münchener Universitätskliniken erkennbar war. Die Anzahl der Patientenüberweisungen insbesondere aus München und dem Umland waren ausgesprochen schlecht. Ich hatte an anderer Stelle in diesem Zusammenhang bereits darauf hingewiesen, dass die Aussage, wir hätten summativ in zehn Jahren nicht die ursprünglich jährlich geplanten Behandlungszahlen erreicht, zur Information nicht geeignet ist, da sie auf völlig falschen und obsoleten Fehlkalkulationen beruhen, welche uns und den Unternehmensführungen seit langem bekannt sind.

Es ist für mich schwer zu glauben, dass sich in einer prosperierenden Stadt wie München mit einer Vielzahl von hochangesehenen Wissenschafts- und Technologiestandorten bei nachgewiesenem Bedarf nach Protonenbestrahlungstherapie kein Betriebs- und Entwicklungskonzept hierfür finden lässt, wenn gleichzeitig vor allem im europäischen Ausland immer mehr klinische Protonenbestrahlungsanlagen als Investitionen in die Zukunft errichtet werden. Dr. med. Ronald Richter, München

Wichtiger als Bayerns Mars-Mission

Wie aus der SZ zu erfahren war, wird das Rinecker Protonen-Therapiezentrum (RPTC) Ende des Jahres geschlossen. Vor drei Monaten hieß es noch, die Uni-Kliniken München stünden in Verhandlungen für eine Kooperation. Das hat sich wohl wegen Kompetenzstreitigkeiten zerschlagen. Die Frage ist: Kann es sich München, kann es sich Bayern leisten, so ein Leuchtturmprojekt einfach fallen zu lassen? Das RPTC hat sich international einen guten Ruf für die schonende erfolgreiche Behandlung bestimmter Tumore erworben. Auch ich habe davon profitiert.

Das Scheitern der Klinik war systemimmanent: Die Kosten für die Errichtung dieser komplizierten technischen Anlage waren so hoch, dass der Investor mit einem Rückfluss der Mittel oder einer Rendite nur bei einer sehr hohen Auslastung rechnen konnte. Die war aber deswegen nicht gegeben, weil viele private und öffentliche Kliniken sehr zurückhaltend mit der Weiterleitung von Patienten waren, auch wenn diese im RPTC bessere Behandlungsmöglichkeiten erfahren hätten. Inzwischen ist die Auslastung fast am Limit, aber sie genügt leider nicht, das aufgelaufene Defizit auszugleichen.

Für das Fortbestehen des RPTC wäre es wichtig, wenn nicht nur durch die Medien und die Öffentlichkeit ein gewisser Druck entstünde, sondern es läge auch an der Politik, in dieser Sache aktiv zu werden. Ich will nicht mit "Bavaria One" zum Mars, sondern im Land eine optimale medizinische Behandlung erhalten. Eine weitere Ansammlung von Luxuswohnungen dient zwar dem Investor, aber alle, die auf diese Form der Behandlung angewiesen sind, fallen hinten runter. Werner Hillinger, München

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