Sportartikelhersteller:Adidas kehrt in den Skisport zurück

Sportartikelhersteller: Seit Spätsommer unter Vertrag: Mikaela Shiffrin, beste Skirennläuferin der Welt.

Seit Spätsommer unter Vertrag: Mikaela Shiffrin, beste Skirennläuferin der Welt.

(Foto: Marco Trovati/AP)
  • Adidas plant nach Informationen der SZ eine großangelegte Rückkehr in den alpinen Skisport.
  • Der Sportartikelhersteller hatte sich 2005 aus dem umkämpften Markt zurückgezogen.
  • Konzernchef Kasper Rorsted will im Herbst 2021 mit einem breiten Angebot wieder einsteigen.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Wenn Adidas-Chef Kasper Rorsted im kommenden Herbst einen neuen Strategieplan für den Sportartikelhersteller verkündet, dürfte das Thema Wintersport eher eine geringe Rolle spielen. Denn gemessen am Gesamtumsatz des Konzerns von voraussichtlich 24 Milliarden Euro im laufenden Jahr spielt das Segment eine überschaubare Rolle. Für Wintersportler und die Outdoor-Branche sind die Pläne allerdings bedeutsam, an denen Adidas arbeitet. Denn im Herbst 2021 will die Drei-Streifen-Marke überraschend in den alpinen Skisport einsteigen.

Entsprechende Informationen bestätigte auf Anfrage ein Konzernsprecher. Adidas werde dann erstmals eine komplette Wintersportkollektion nicht nur für Langlauf und Skitouring, sondern erstmals auch für Ski- und Snowboardfahrer anbieten, sagte er. Unlängst hatte dies ein Manager des Unternehmens bereits bei einem Branchentreff angedeutet.

Die Entscheidung kommt überraschend, weil Adidas lange mit Wintersport fremdelte, dieser Markt auf Anbieterseite als weitgehend gesättigt gilt und von kleinen Herstellern wie The North Face, Schöffel oder Mammut bestimmt wird. Klar ist aber auch: Wenn ein Branchenriese wie Adidas einsteigt, könnte dies den Markt durcheinander wirbeln.

Entsprechend groß ist die Neugier. "Wir sind sehr gespannt, mit welchen Konzepten Adidas in das Wintersportsegment eintreten möchte", sagt Mathias Boenke, Vorstand beim größten Sportartikelhandelsverbund Intersport. "Das kann dem gesamten Marktumfeld wichtige Impulse geben - auch wenn es sicherlich ein sehr umkämpftes Feld ist."

Das Unternehmen will künftig mehr sportliche Frauen ansprechen

Die Verwunderung über die Adidas-Pläne ist groß, zumal das Unternehmen lange Zeit den Eindruck erweckte, von Wintersport die Finger lassen zu wollen und sich lieber auf die eigenen Kernsportarten zu konzentrieren, als da vor allem sind: Teamsport, Training, Fitness oder auch Sportmode, wofür die Sparte "Originals" steht. Die Gründe für diese Zurückhaltung liegen in der Vergangenheit. 1997 kaufte Adidas den französischen Outdoor- und Wintersporthersteller Salomon für umgerechnet 1,2 Milliarden Euro - und wurde nie wirklich glücklich damit.

Dass der Konzern in der Folgezeit sogar einige Jahre als Adidas-Salomon AG firmierte, änderte nichts an der wechselseitigen Fremdelei. "Das Wintersportgeschäft von Salomon war uns immer etwas fremd", räumte der damalige Adidas-Vorstandschef Herbert Hainer ein. "Es funktioniert nach anderen Rhythmen und Zyklen als unsere ureigenen Kernbereiche." Außerdem schrumpfe der Skimarkt insgesamt, und: "Wir haben auf diesem Gebiet keine Expertise." Weshalb Adidas Salomon 2005 für knapp 500 Millionen Euro an die finnische Firma Amer Sports verkaufte.

Ohne sich allerdings vollständig aus dem Wintersport zu verabschieden. Über Outdoor-Bekleidung blieb man im Geschäft, und bei olympischen Winterspielen waren die drei Streifen und das Firmenlogo an den Werbebanden, aber auch bisweilen an der Wettkampfkleidung oder den Mützen von Athleten zu sehen. Sukzessive bauten die Franken diese Präsenz zuletzt aus. So trugen etwa Sportlerinnen und Sportler des Deutschen Skiverbands bei Eröffnungs- und Schlussfeiern, Siegerehrungen und Medienterminen Adidas. Damit einher brachte das Unternehmen unter anderem Bekleidung für nordische Disziplinen auf den Markt.

In Sachen Skisport scheint nun unter Hainers Nachfolger, dem seit drei Jahren amtierenden Nachfolger Kasper Rorsted, ein grundlegendes Umdenken eingesetzt zu haben. Erste Anzeichen dafür gab es im Spätsommer, als Adidas die US-Amerikanerin Mikaela Shiffrin unter Vertrag nahm, aktuell die beste alpine Ski-Rennläuferin. Bis dahin setzte Adidas auf Biathletinnen als Testimonials, Magdalena Neuner etwa oder Laura Dahlmeier.

Für Shiffrin spreche ihre außergewöhnliche Erfolgsbilanz, sagte Konzernchef Rorsted und verwies auf "zwei olympische Goldmedaillen, fünf Weltmeisterschaftstitel, drei Gesamtweltcupsiege in Folge und 60 Weltcupsiege." Shiffrins Strahlkraft will Adidas mit Blick auf sportliche Frauen, vor allem aber mit Blick auf den wichtigsten Sportartikelmarkt Nordamerika nutzen. Der US-Star werde Adidas "dabei helfen, Millionen von Konsumenten in den USA und auf der ganzen Welt zu inspirieren", sagte Rorsted, der selbst ein großer Wintersportfan ist.

Die Nummer Eins im Frauen-Skirennsport passt natürlich auch perfekt zu den Adidas-Plänen, wieder in den alpinen Skisport einzusteigen, auch wenn Adidas tiefstapelt und erklärt, es gehe dabei lediglich um eine Abrundung des eigenen Angebots an Outdoor-Bekleidung. In die Produktion von Skiern oder deren Verkauf will man nicht einsteigen. Im Sporthandel verfolgt man diese Pläne mit Neugier, aber auch mit Skepsis.

Vor allem für die Händler in Skigebieten sei Wintersport nach wie vor wichtig, sagt Intersport-Vorstand Boenke. Ihren Geschäften täten "Innovationen und neue Produkte" immer gut. Andererseits haben sich vor allem kleine Spezialmarken Plätze in den Nischen erkämpft, in denen sich Geld verdienen lässt. Was schwieriger werden könnte, wenn der Branchenriese Adidas in diesen Bereich einsteigt.

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