Hertha BSC:Klavierspielen auf der Yacht des Investors

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Jürgen Klinsmann beim Training der Berliner. (Foto: imago images/Matthias Koch)
  • Hertha BSC absolviert sein Trainingslager in Florida. Jürgen Klinsmann krempelt den Klub weiter nach seinen Vorstellungen um.
  • Ondrej Duda hat wohl keine Zukunft mehr in diesen Planungen. Arne Maier verletzt sich im Testspiel.
  • Im Trainingslager besucht die Mannschaft Investor Lars Windhorst auf seiner Yacht.

Von Javier Cáceres, Berlin

Wollte man die nachhaltigsten Eindrücke der mitgereisten Reporter aus dem Wintertrainingslager der Berliner Hertha in den USA unter einer Rubrik zusammenfassen, so würden diese wohl wie folgt lauten: Hertha taucht ab. Nicht im sportlichen Sinne, die Mission Klassenerhalt scheint auf gutem Weg zu sein. Zur Erinnerung: Mit acht Punkten aus den letzten vier Spielen vor Weihnachten robbte sich Hertha ans Tabellenmittelfeld heran, am Mittwoch war sogar Herthas B-Elf zu stark für Eintracht Frankfurt. Im Testspiel in Florida siegten die Berliner 2:1. Abtauchen will Hertha aber offenbar im wörtlichen Sinne. Zumindest wenn es nach Ex-Nationalspieler Arne Friedrich geht.

Im Funktionsteam des seit Ende November amtierenden Chefcoachs Jürgen Klinsmann, 55, bekleidet Friedrich das innovative Amt des "Performance Managers". Bei seiner Ernennung spielte nicht nur seine Vergangenheit als Hertha-Profi eine Rolle, sondern auch, dass er zwischenzeitlich in den USA seinen Horizont erweitert hatte. In Florida erzählte Friedrich, dass er mit Klinsmann schon seit geraumer Zeit im Gespräch sei, unter anderem über "das Thema Benchmarking", also darüber, "Vergleichspunkte zu schaffen". Das sei "sehr, sehr interessant". So interessant, dass er nun auch bei Hertha ein "Benchmarking-System" einführen möchte.

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Athletische, fußballerische, medizinische Aspekte solle das umfassen, aber auch den persönlichen Bereich der Profis. Sagte Friedrich. "Wir wollen schauen: Wie ist der Status quo bei jedem einzelnen? Dafür haben wir ein Farbensystem eingeführt", das knapp unter der Komplexität der sog. Lebensmittelampeln der Europäischen Union liegt und "rot, gelb und grün" umfasse. "Damit können wir den jetzigen Status festhalten." Was die Statusampel bei Spielmacher Ondrej Duda zeigt, immerhin Herthas Topscorer der Saison 2018/19, ist wohl Definitionssache. Regisseur Duda jedenfalls soll unter Klinsmann nicht mehr spielen - was für rot spricht - und darf Berlin deshalb per sofort und Leihe verlassen (also grün). Duda soll aber das Trikot des englischen Premier-League-Klubs Norwich City überstreifen, und das ist: gelb. Aber selbst diese Personalie stellte nicht in den Schatten, was Ampel-Arne Friedrich noch über die USA zu erzählen hatte. Denn er verriet auch, dass er einen sehr guten Freund gewonnen habe, einen früheren "Marine Raider" und damit also "so was Ähnliches wie ein Navy Seal" - sprich: einen Veteranen jenes Großverbandes, der in den letzten Jahrzehnten noch bei jeder Aktion der US-Army dabei war, ganz egal, wie appetitlich diese war.

Friedrich empfiehlt die Underwater Torpedo League

Friedrichs Freund jedenfalls habe zwei Start-ups gegründet, so genannte "Unterwasser-Workouts". Ausweislich des Protokolls einer Begegnung Friedrichs mit dem Kicker haben es diese Übungen in sich: "Das eine ist ein Unterwasser-Spiel, das heißt Underwater Torpedo League, das geht unter Wasser auf zwei Tore, fünf gegen fünf mit einem kleinen Torpedo." Bei einem anderen Workout unter Wasser werde mit Hanteln gearbeitet, "da werden auch Ängste adressiert, weil nicht jeder gerne unter Wasser ist, wenn er keine Luft holen kann", sagte Friedrich.

"Unfassbar interessant" sei das, weil "die Jungs knallhart" und ungemein fokussiert seien, "davon können wir eine Menge lernen". Seine Erkenntnisse habe er bereits Herthas Fitnesstrainer Werner Leuthard hinterbracht, der zwar nie in der US-Army war und mithin niemals Seal, Raider oder Twix war, wohl aber Oberleutnant der Bundeswehr. Immerhin. "Am Ende müssen die Trainer entscheiden, inwieweit man das einfügt oder nicht", sagte Friedrich. Klinsmanns Meinung dazu ist unbekannt. Das liegt unter anderem daran, dass er im übertragenen Sinne abtauchte - nach dem Spiel gegen Eintracht, dem einzigen Testspiel im Trainingslager gegen einen Gegner von Format.

Die Handvoll Reporter, die Hertha knapp 8000 Kilometer gefolgt waren, hatten Gesprächsbedarf mit Klinsmann angemeldet. Weniger wegen Friedrichs Fitnessideen, die Herthas Nachbarn Hagen Stamm von den Wasserfreunden Spandau in der BZ zu der Frage animierte, ob sie es nicht erst mal mit Wasserball probieren wollen. Interesse weckte vielmehr die aktuelle Lage des hochtalentierten U21-Nationalspielers Arne Maier. Klinsmann hatte dem defensiven Mittelfeldmann einerseits den soeben verpflichteten Argentinier Santiago Ascacibar (VfB Stuttgart) vorgesetzt und sich (letztlich wohl erfolglos) auch um Granit Xhaka vom FC Arsenal bemüht. Anderseits verdrehte sich Maier gegen die Eintracht das Knie.

Klinsmann hat für Fragen keine Zeit oder keine Lust

Um solche Reporterfragen zu beantworten, hätte Klinsmann allerdings, wie der Tagesspiegel meinte, "wenige Augenblicke auf die mitgereisten Berliner Journalisten warten müssen", ziemlich genau "30 Sekunden", wie der Kicker präzisierte, die Reporter wollten vorher nur noch das kurze Gespräch mit Kapitän Vedad Ibisevic gesittet zu Ende bringen.

"Darauf könne er nun wirklich nicht mehr warten, ließ Klinsmann ausrichten", schrieb der Tagesspiegel pikiert. Und der Kicker erfuhr von Hertha, Klinsmann habe "keine Lust" gehabt.

Höhere Priorität genießt halt Investor Lars Windhorst, der 224 Millionen Euro in die Hertha gepumpt hat. Mit Blick auf den Rückrunden-Auftakt am 19. Januar gegen den FC Bayern hatte Klinsmann noch so viel Arbeitsbedarf gesehen, dass er den Urlaub des Kaders kürzte und den nun beendeten Florida-Trip infrage stellte. Er brauche Zeit, um mit der Mannschaft zu arbeiten. Weil Windhorst aber dieser Tage seine Yacht vor der Küste Floridas liegen hatte, opferte Hertha mehr als einen halben Arbeitstag, um dem Patron die Aufwartung zu machen. Klinsmann packte das Team in den Bus, ließ 90 Minuten hin und 90 Minuten wieder zurückfahren, zwischendrin gab es Essen, alkoholfreie Drinks, Spiele und Musik. Eine rondoartige Übung kam auch zur Aufführung: Nicht mit dem Ball wie bei Pep Guardiola, bei dem Rondos im Zentrum des Trainingsalltags stehen.

Vielmehr setzte sich Ersatztorwart Luis Klatte, 19, an das Piano des millionenschweren Besitzers der Hälfte der Hertha-Profiabteilung - und spielte ein paar Takte von Beethovens "Für Elise".

© SZ vom 11.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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