#sprachemachtpolitik:Was den Bundestag umtreibt

Bundestag 1983

Kulturschock für den Herrenbetrieb: Die Grünen Otto Schily (von links, vorne), Marieluise Beck-Oberdorf und Petra Kelly ziehen mit ihrer Partei im März 1983 erstmals in den Bundestag ein. Im Hintergrund: Bundeskanzler Helmut Kohl.

(Foto: dpa)

Als das Parlament 1949 erstmals zusammentritt, ist die Bundesrepublik gerade wenige Monate alt. In den kommenden Jahrzehnten entwickelt es sich mit dem Rest des Landes. Wichtige Aspekte aus mehr als 70 Jahren Parlamentsgeschichte.

Von Anna Ernst und Barbara Galaktionow

Seit mehr als 70 Jahren wird im Bundestag debattiert, gestritten und manchmal auch gelacht. Im Parlament spiegeln sich dabei nicht nur die Themen der Zeit, sondern auch gesellschaftliche Entwicklungen wider. Ein Überblick.

Frühe Jahre - der erste Bundestag

Die Bundesrepublik ist erst wenige Monate alt, als der Bundestag am Nachmittag des 7. September 1949 zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommt. "Vorläufiger Sitz der Bundesorgane", also auch der Regierung und des kurz zuvor eröffneten Bundesrats des westlichen deutschen Teilstaates ist Bonn. 410 Abgeordnete ziehen in den ersten Bundestag ein. Eine Sonderrolle haben die acht Parlamentarier aus West-Berlin. Aufgrund des Viermächtestatus der geteilten Stadt haben sie nur beratende Funktion und kein Stimmrecht. Die West-Berliner dürfen den Bundestag bis zur Wiedervereinigung nicht mitwählen.

Die CDU/CSU ist mit 31 Prozent die stärkste Fraktion im ersten Bundestag, dicht gefolgt von der SPD. Die Unionsfraktion bildet mit der Mehrheit von nur einer Stimme gemeinsam mit der FDP und der rechtsgerichteten Deutschen Partei (DP) die Regierung.

Alterspräsident Paul Löbe (SPD) wünscht dem neuen Parlament in seiner Eröffnungsrede, "dass wir eine stabile Regierung, eine gesunde Wirtschaft, eine neue soziale Ordnung in einem gesicherten Privatleben aufrichten". Vieles ist noch provisorisch im jungen Abgeordnetenhaus. In den Gängen wird geschrieben und diktiert, denn für die Parlamentarier stehen zunächst nur 50 Büros zur Verfügung.

Anzugträger und Alternative - Parteien im Parlament

Ganze zwölf parteipolitische Gruppierungen und ein paar parteilose Abgeordnete ziehen 1949 in den neugegründeten Bundestag ein. Bereits bei der Wahl zum zweiten Bundestag reduziert sich die Zahl aber schon deutlich. Denn nun wird erstmals eine bundesweit geltende Fünf-Prozent-Hürde angewendet. Von 1961 an etabliert sich ein Drei-Parteien-System von Union, SPD und FDP - es wird über zwei Jahrzehnte hinweg Bestand haben. Die Liberalen sind dabei zwar stets die mit Abstand kleinste Partei, finden sich aber oft in der wirkmächtigen Position als sogenanntes Zünglein an der Waage für die Regierungsbildung wieder. Bei der Bundestagswahl 2013 scheitert die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde - sie ist die erste Regierungspartei, die aus dem Bundestag fliegt.

Mächtig aufgerüttelt wird das Parlament 1983 durch den Einzug der Grünen. Die bringen nicht nur neue Positionen und Inhalte wie Umweltschutz und Feminismus mit, sondern auch eine alternative Kultur. Mit bunten Kleidern und Wollpullis, Zottelbärten und langen Haaren verstören sie die bis dahin im Plenarsaal vorherrschende Herrenriege in ihren gedeckten Anzügen, verhelfen dem Plenum aber auch zu manch heiteren Momenten. Auch der vollbärtige grüne Abgeordnete Dieter Drabiniok selbst muss lachen, als 1985 seine technikkritischen Ausführungen "Wir brauchen keine elektrische Zahnbürste und wir brauchen auch keinen Videorecorder" durch den Zwischenruf "Und auch keinen elektrischen Rasierapparat" unterbrochen werden.

Die nächste Zäsur im Parteiengefüge kommt mit der Wiedervereinigung: Bei der ersten gesamtdeutschen Wahl 1990 zieht mit der PDS, der "SED-Nachfolgepartei", wie vor allem Konservative nicht müde werden zu betonen, eine Partei links von der SPD in den Bundestag ein. Inzwischen hat sie sich gesamtdeutsch etabliert - ihre Neuformierung als "Die Linke" 2007 ist hier ein wichtiger Schritt. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums wird bei der jüngsten Wahl 2017 die AfD in den Bundestag gewählt. Mit der Rechtsaußen-Partei hält auch ein schärferer Ton Einzug ins Parlament.

Mut zur Hose - Parlamentarierinnen

Es gibt Ereignisse im Bundestag, die verdeutlichen auf einen Schlag, wie sehr sich nicht nur das Parlament, sondern die gesamte Gesellschaft mit der Zeit verändert hat. 1970 verursacht die SPD-Abgeordnete Lenelotte von Bothmer Aufregung, weil sie als erste Parlamentarierin mit Hosenanzug ans Rednerpult tritt - als Protest gegen eine Aussage von Bundestagsvizepräsident Richard Jaeger, er werde keine Frau im Hosenanzug sprechen lassen. Und als die Grüne Waltraud Schoppe Mitte der 1980er Jahre fordert, "den alltäglichen Sexismus in diesem Parlament einzustellen", erntet sie höhnisches Gelächter aus den Reihen der etablierten Parteien.

Überhaupt - die Grünen. 1984 mischen sie den Bonner Politikbetrieb mit dem ersten rein weiblichen Fraktionsvorstand auf, dem sogenannten Feminat. Und erst mit und dank ihnen überschreitet der Frauenanteil im Bundestag die Marke von zehn Prozent. In den ersten Bundestag 1949 ziehen nur 28 Frauen ein, ein Anteil von nicht einmal sieben Prozent, und so ähnlich bleibt es mit leichten Schwankungen, bis sich der Frauenanteil 1987 schlagartig auf mehr als 15 Prozent erhöht. Ein vorläufiger Höhepunkt ist nach der Bundestagswahl 2013 zu verzeichnen: Die 230 Frauen machen einen Anteil von mehr als 36 Prozent aus. Mit der Wahl 2017 sackt der Anteil der Frauen aber wieder deutlich ab, auf nicht einmal 31 Prozent - der Wieder- beziehungsweise erstmalige Einzug der männerdominierten Parteien FDP und AfD spielt hierbei eine Rolle.

Das Absinken des Frauenanteils hat die Debatte darüber neu entfacht, wie die Rolle von Frauen im Bundestag zu stärken ist. Unter anderem geht es um die Frage, wie die Routinen im Parlamentsbetrieb familienfreundlicher gestaltet werden können. Abgeordnete haben beispielsweise keinen Anspruch auf Elternzeit und müssen eine Vielzahl von Abendterminen wahrnehmen. Und der Ruf nach einer Beteiligung der Frauen, die ihrem Bevölkerungsanteil entspricht, werden vehementer. Selbst Angela Merkel, die - obwohl erste Kanzlerin der Republik - nicht gerade als Vorreiterin der Frauenbewegung hervorsticht, fordert 2019: "Das Ziel muss Parität sein, Parität überall."

Scharfe Worte, Bonn-Berlin-Debatte und Skandale

Was den Bundestag umtreibt - Debatten und starke Worte

Emotional geht es im Parlament schon in den ersten Jahren zu, als die Abgeordneten die grundsätzliche Verortung der jungen Bonner Republik im Staatengefüge diskutieren. SPD-Chef Kurt Schumacher schmäht Konrad Adenauer (CDU) als "Bundeskanzler der Alliierten" und wird dafür vorübergehend von den Sitzungen ausgeschlossen. Die Westanbindung, aber auch die Wiederbewaffnung sorgen in den frühen Jahren für hitzige Debatten.

Das Verhältnis zum sozialistischen deutschen Nachbarstaat, der DDR, spielt immer wieder eine große Rolle - auch wegen der ideologischen Gräben. Besonders umstritten: der Abschluss der Ostverträge Anfang der Siebzigerjahre. Den von der sozialliberalen Regierung Willy Brandts betriebenen "Wandel durch Annäherung" geißelt die Unionsopposition als "Ausverkauf deutscher Interessen". Erregt wird auch über den Umgang mit den Linksterroristen von der RAF gestritten. In seiner Dauerfehde mit CSU-Mann Franz Josef Strauß sorgt beispielsweise der scharfzüngige Ex-Kommunist und SPDler Herbert Wehner für einen Eklat, als er diesem vorwirft, "geistig ein Terrorist" zu sein - nachdem Strauß die SPD seinerseits indirekt in geistige Nähe zur RAF gerückt hat.

Bundestagsgeschichte schreibt 1984 der spätere Außenminister Joschka Fischer, damals noch einfacher Abgeordneter der Grünen: "Herr Präsident, mit Verlaub, Sie sind ein Arschloch", ruft er Bundestagsvizepräsident Richard Stücklen zu, nachdem dieser einen anderen Grünen wegen einer Aussage zu Kohl und der Flick-Affäre des Saals verwiesen hat.

Im Laufe der mehr als 70 Jahre, die der Bundestag nun besteht, hat es natürlich zahlreiche weitere heftige Auseinandersetzungen gegeben: über den Nato-Doppelbeschluss Anfang der Achtzigerjahre, die Einführung des Euro oder die Beteiligung der Bundeswehr am Kosovokrieg Ende der Neunzigerjahre, die Aufnahme von Asylsuchenden kurz nach der Wiedervereinigung und nach 2015. Im Bereich der Arbeits- und Sozialgesetzgebung verursachen nach der Jahrtausendwende die Hartz-Gesetze der SPD erbitterte Auseinandersetzungen - vor allem innerhalb der Partei selbst.

Daneben werden immer wieder auch Themen mit gesellschaftlicher Sprengkraft oder ethischen Implikationen behandelt: der Abtreibungsparagraf 218, Vergewaltigung in der Ehe, Eltern- und Betreuungsgeld, Ehe für Alle, Sterbehilfe oder Organspende. Die Debatte um die Erderhitzung ist heute eines der zentralen Themen.

Bonn oder Berlin - wohin nach der Wiedervereinigung

Wo sollen die sogenannten Bundesorgane im wiedervereinigten Deutschland sitzen? Um diese Frage streiten die Parlamentarier kurz nach der Wiedervereinigung heftig. Von heute aus betrachtet nimmt sich die Vorstellung merkwürdig aus, Regierung und Parlament könnten knapp 30 Jahre nach dem Ende der deutschen Teilung immer noch aus der westdeutschen Rheinmetropole agieren, die sich 1949 im Wettstreit gegen Frankfurt, Stuttgart und Kassel als "provisorische Hauptstadt" behauptet hatte. Und doch hätte es so kommen können.

Denn noch kurz vor der entscheidenden Abstimmung am 20. Juni 1991 hängt Umfragen zufolge eine Mehrheit der Bundestagsabgeordneten der Idee an, Berlin könne Bundeshauptstadt mit rein repräsentativen Funktionen werden, Bonn aber Regierungs- und Parlamentssitz bleiben. Doch dann kommt Wolfgang Schäuble. Die Rede des damaligen Innenministers, der nach dem nur wenige Monate zuvor verübten Attentat auf ihn nun im Rollstuhl sitzt, gilt als der Wendepunkt in der Debatte.

Bei der Frage Bonn-Berlin gehe es nicht um einen Wettkampf von zwei Städten, um Umzugskosten oder Strukturpolitik, sagt der CDU-Politiker, es gehe "um die Zukunft Deutschlands". Um die Teilung zu überwinden, müsse man gemeinsam die Veränderungen tragen. Auch in den sogenannten alten Bundesländern könne nicht alles so bleiben, wie es war, "auch nicht in Bonn und nicht im Rheinland". Am Ende erhält Schäuble Standing Ovations und einen Handschlag von Willy Brandt. Und am Abend stimmen 338 Abgeordnete für Berlin, 320 für Bonn.

Schwarze Konten und Bonusmeilen - Skandale

Die Flick-Affäre ist einer der spektakulärsten Polit- und Wirtschaftsskandale in der Bundesrepublik. In Erinnerung bleibt das Wort von der "gekauften Republik": Zahlreiche Politiker, Parteien und Parteistiftungen werden in den Siebzigerjahren vom Flick-Konzern mit Geld ausgestattet, der sich auf diese Weise Steuervergünstigungen erkauft. Alle im Bundestag vertretenen Parteien hängen mit drin, am tiefsten CDU und FDP, aber auch die SPD. 1981 fliegt die Affäre auf. Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff (FDP) tritt zurück - er wird später wegen Steuerdelikten verurteilt, nicht aber wegen Bestechung. Auch Bundestagspräsident Rainer Barzel gibt sein Amt ab - ein Gerichtsverfahren gegen ihn wird aber eingestellt.

Eine ganz andere Folge hat die Flick-Affäre im Bereich der parlamentarischen Kontrolle: Das Wirtschaftsministerium weigert sich, einem vom Bundestag eingesetzten Untersuchungsausschuss Akten zur Verfügung zu stellen - eine Verletzung des Grundgesetzes, urteilt das Bundesverfassungsgericht und stärkt damit die Rechte der Ausschüsse.

Schwarze Konten gibt es bei der CDU aber auch im Jahr 1999 noch. Das wird von Helmut Kohl Ende November 1999 eingeräumt. Der frühere Bundeskanzler übernimmt die politische Verantwortung für die Parteispendenaffäre. Auf Druck der CDU-Spitze tritt er einige Tage später vom Amt des Ehrenvorsitzenden zurück. Namen von Spendern nennt er nie, Kohl beruft sich auf ein ihnen gegenüber geleistetes "Ehrenwort". Auch vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss verweigert er die Aussage. Womöglich stammen die schwarzen Kassen aber auch einfach noch von Flick und "es gibt keine Spender", wie CDU-Politiker Schäuble später sagt.

Als heikles Terrain für Politiker erweist sich Laufe der Jahre immer wieder die Nutzung der Flugbereitschaft der Bundeswehr. Der glücklose Rudolf Scharping (SPD) kommt 2002 als Verteidigungsminister über diese und andere politisch unkluge Verhaltensweisen zu Fall. Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth (CDU) wird hingegen letztlich durch den Ältestenrat des Bundestags vom Vorwurf entlastet, die Flugbereitschaft in den Neunzigerjahren Dutzende Male unberechtigt genutzt zu haben. Der frühere Justizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) weist in diesem Zusammenhang allerdings darauf hin, dass der "Unterschied zwischen legal und legitim" eine "Frage des Feelings" sei.

2002 sorgt die sogenannte Bonusmeilen-Affäre für Schlagzeilen. Wohl durch eine undichte Stelle bei der Lufthansa wird bekannt, dass mehrere Politiker ihre durch Dienstflüge erworbenen Bonusmeilen für Privatreisen nutzen. Der spätere Grünen-Chef Cem Özdemir, damals innenpolitischer Sprecher der Partei, legt dieses Amt nieder und tritt nach der Wahl 2002 seinen Mandat im Bundestag nicht an. Beträchtliche Diskussionen über Glaubwürdigkeit und Integrität von Politikern gibt es im Bundestag auch infolge der Plagiatsaffären. Der aufsehenerregendste Fall ist der von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der nach der Aberkennung seines Doktorgrades 2011 zurücktritt.

Gäste, Diäten und Wahlrechtsreform

Staatsoberhäupter und Holocaust-Überlebende - Gastredner

Wer im Bundestag sprechen darf, ist streng reglementiert. In Ausnahmefällen bekommen aber auch Nichtparlamentarier ein Rederecht. Der erste, dem diese Ehre zu Teil wird, ist der britische Labour-Politiker Arthur Woodburn. Als Leiter einer britischen Parlamentsdelegation betont er 1951 als Vertreter der "Mutter der Parlamente", wie er sagt, die Bedeutung der parlamentarischen Kontrolle durch die Opposition.

Später werden es häufig Staatsoberhäupter sein, die zu den Abgeordneten sprechen. Den Anfang macht 1969 der gerade erst ins Amt gekommene US-Präsident Richard Nixon. Noch bevor er in Washington vor dem US-Kongress auftritt, betont Nixon in Bonn die Bedeutung der Partnerschaft zwischen der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten. Zahlreiche weitere amtierende oder ehemalige Staatschefs folgen, zum Beispiel François Mitterand, Nelson Mandela, Michail Gorbatschow und zuletzt Israels Reuven Rivlin.

Bewegend, oft auch erschütternd sind die Gastreden von Überlebenden bei dem seit 1996 abgehaltenen Gedenken an die Opfer des Holocaust. 2012 ergreift Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki die Zuhörer mit der Schilderung eines Tags im Warschauer Ghetto. Weitere Redner sind unter anderem Schriftsteller Jorge Semprún, Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel und Cellistin Anita Lasker-Wallfisch.

Besonders umstritten ist 2011 der Besuch des damaligen Papstes Benedikt XVI. als erstem Kirchenoberhaupt. Viele Linke und einige Sozialdemokraten sehen dadurch das Gebot der weltanschaulichen Neutralität des Bundestags verletzt. Nicht reden, sondern "nur" singen soll 2014 der Liedermacher Wolf Biermann. Doch der DDR-Dissident lässt sich den Mund nicht verbieten. Biermann macht aus der Feierstunde zum Mauerfall eine Abrechnung mit der Linkspartei - dem "elenden Rest" der "Drachenbrut", wie er sie nennt.

Im Kreuzfeuer der Öffentlichkeit - die Abgeordnetendiäten

Der Begriff Abgeordneten-"Diät" stammt vom mittellateinischen "dieta" (Taggeld) ab. Die finanzielle Entschädigung soll die Verdienstausfälle ausgleichen und die Unabhängigkeit garantieren. Da sich die Abgeordneten ihre Diäten selbst festlegen, wird das Thema immer wieder zum Politikum.

Die Höhe der Diäten soll sich dem Abgeordnetengesetz nach an den Bezügen einfacher Richter an einem Obersten Gerichtshof des Bundes orientieren. Seit 2016 sind die Erhöhungen an die allgemeine Lohnentwicklung gekoppelt - dazu hatte eine Expertenkommission geraten. Seit dem 1. Juli 2019 bekommen Abgeordnete monatlich etwas mehr als 10 000 Euro. Das ist aber nicht alles: Zusätzlich gibt es eine steuerfreie Aufwandspauschale, sie liegt derzeit bei fast 4500 Euro. Davon werden Aufgaben beglichen, die bei der Ausübung des Mandates anfallen: vom zweiten Wohnsitz in Berlin bis hin zum Büromaterial im Wahlkreis. Nebentätigkeiten müssen ab einer Höhe von 1000 Euro im Monat angegeben werden.

Aufgeblähtes Parlament - Pläne für eine Wahlrechtsreform

Wie viele Abgeordnete braucht das Parlament eigentlich? Über diese Frage wird seit Jahren diskutiert. Aufgrund von Überhang- und Ausgleichsmandaten ist das Parlament überbelegt. Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei über Direktkandidaten mehr Sitze erhält als ihr an Wählerstimmen prozentual zusteht. Diese werden dann durch zusätzliche Sitze auch bei anderen Parteien ausgeglichen. Der Effekt: Der Bundestag hat eine Normgröße von 598 Abgeordneten, derzeit sind es jedoch 709.

Um das Parlament wieder zu schrumpfen, müsste das Wahlrecht reformiert werden. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und sein Vorgänger Norbert Lammert haben das immer wieder angemahnt. Diskutiert werden eine Reduzierung der Wahlkreise, eine Begrenzung der Überhangmandate oder ein nur teilweiser Ausgleich von Überhangmandaten. Das Bundesverfassungsgericht hatte es 2012 für zulässig erklärt, wenn bis zu 15 Überhangmandate nicht kompensiert würden - mehr allerdings nicht. Damit, dass sich noch vor der Bundestagswahl 2021 etwas ändert, ist nicht mehr zu rechnen. Die Zahl der Abgeordneten könnte dann noch steigen, möglicherweise sogar auf mehr als 800.

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