Verhalten von Fußballern:Meckern als Kult

Fussball, Bundesliga, Deutschland, Herren, Saison 2019/2020, 18. Spieltag, Merkur-Spiel-Arena Düsseldorf, Fortuna Düssel; Schiedsrichter meckern

Bekannte Szenen im Fußball: Spieler, die den Schiedsrichter anbrüllen.

(Foto: imago images/Uwe Kraft)

Manche sehen die Emotionalität im Fußball in Gefahr, weil es fürs Monieren schneller Gelb gibt. Das ist die falsche Reaktion in einem Sport, der Wut auf Schiedsrichter öfter fördert als hinterfragt.

Kommentar von Sebastian Fischer

Es ist nur ein paar Monate her, da wurde fast schon etwas zu oft von Gentlemen auf dem Sportplatz geschwärmt. "Was der Fußball vom Rugby lernen kann", so stand es anlässlich der Rugby-Weltmeisterschaft 2019 in vielen Überschriften, und stets ging es um die Fairness der schweren Männer, vor allem den Schiedsrichtern gegenüber. Da könne der Fußball noch viel lernen, heißt es eigentlich auch in jeder Handball-TV-Übertragung, wenn Spieler die Entscheidungen der Referees hinnehmen, ohne komplett die Fassung zu verlieren. Die Bundesliga-Rückrunde 2020 musste aber nur drei Spieltage alt werden, um zu zeigen, dass es mit dem Lernpotenzial des Fußballs so eine Sache ist.

Schiedsrichter Tobias Stieler betonte den Vorbildcharakter von Bundesligaprofis, als er am Samstag erklärte, warum er dem Mönchengladbacher Alassane Pléa beim Spiel in Leipzig die gelbe und gleich danach die gelb-rote Karte zeigte. Der Stürmer hatte sich zweimal hintereinander mit abfälligen Gesten über Entscheidungen beschwert.

Nun war auch Stielers Auftritt nicht unbedingt ein Lehrbeispiel für das besonnene Moderieren von Stresssituationen, in der Sache widersprechen konnte man ihm allerdings kaum, als er erläuterte, dass die Schiedsrichter der ersten und zweiten Liga im Winter eine schärfere Regelauslegung bei respektlosem Verhalten gegenüber dem Referee beschlossen hätten, wie es international schon länger üblich sei - und dass die Klubs über schärfere Sanktionen informiert worden seien. Dann stellte er einen Zusammenhang her zwischen meckernden Profis und den Gewalttaten gegen Schiedsrichter im Amateurfußball, die im vergangenen Herbst gar zu Streiks in mehreren deutschen Großstädten geführt hatten.

Das Problem: Emotionen richten sich bislang wie selbstverständlich gegen den Schiedsrichter

Dass sich etwas ändern sollte an der Kultur auf Fußballplätzen, das ist wohl Konsens. Als am Samstag der wütende Pléa vom Platz flog, regte sich in der Sky-Übertragung der TV-Experte Lothar Matthäus jedoch furchtbar über Stieler auf. Er forderte "Fingerspitzengefühl" - ein Attribut, das in der Fußballsprache kurioserweise für Schiedsrichter reserviert zu sein scheint - und beklagte, dass bei einer derartigen Regelauslegung Emotionalität verloren ginge, die den Sport ausmache.

Dabei ist es eher das Problem, dass sich Emotionen auf dem Fußballplatz bislang wie selbstverständlich gegen den Schiedsrichter richten. Man hätte in der Nachbetrachtung ja durchaus auch auf die Idee kommen können, Pléa selbst für seinen Platzverweis verantwortlich zu machen. Doch Wut auf den Schiri wird im Fußball öfter kultiviert als hinterfragt. "Ich werde allen versprechen, dass ich nicht die Schnauze halte, wenn ich das Gefühl habe, es war ein Fehlverhalten der Schiedsrichter", sagte jüngst zum Beispiel Paderborns Trainer Steffen Baumgart, der zuvor seine dritte gelbe Karte der Saison gesehen hatte.

Damit es ein "Umlernen" gibt, wie Stieler es fordert, müssten noch viele Schiedsrichter die Regel ähnlich konsequent auslegen - und dann würden wohl noch sehr viele Fußballer vom Platz fliegen. Es sei denn, sie zeigen bald mehr Fingerspitzengefühl. Das kann angeblich sogar klappen, wenn man wütend ist.

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