Geschlossene Schulen in Italien:"Bewahrt einen kühlen Kopf"

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Ab jetzt zu Hause bleiben: Ein Mann hängt Anfang März eine amtliche Schließungsmitteilung an eine Tür einer Schule in Rom. (Foto: Andrew Medichini/dpa)

In Deutschland schließen Schulen, in Italien sind sie längst zu. Der Unterricht findet nun oft digital statt - wichtiger aber als der Stoff ist für Kinder und Lehrer in einem stillstehenden Land oft die Ermunterung.

Von Carolin Gasteiger

Jeden Morgen sitzt Antonella Meiani vor ihrem Computer. Die Grundschullehrerin aus Mailand hat ihre Klasse seit 21. Februar nicht mehr gesehen. Zumindest im echten Leben. Virtuell hält die 62-Jährige den Kontakt via Whatsapp, Google und einer digitalen Pinnwand, auf der Aufgaben für die Kinder stehen. "Es sind eben keine Ferien mehr", erläutert Meiani.

Italien hat seit 4. März die Schulen im Land geschlossen, im Norden, wo die ersten Fälle aufgetreten sind, gehen die Schülerinnen und Schüler schon seit Februar nicht mehr in den Unterricht. Was sich anfangs noch wie unverhoffte Ferien anfühlte, drückt inzwischen aufs Gemüt, vor allem das der Kinder, die sich allein zu Hause zunehmend langweilen. Vor wenigen Tagen sagte ein italienischer Fernsehmoderator, es sei der einzige Moment in der Geschichte, in der Schülerinnen und Schüler die Schule vermissen würden.

Lehrerin Meiani: "Wenn das alles vorbei ist, werden wir erwachsener sein." (Foto: privat)

Auf Unterricht und vor allem einen strukturierten Tagesablauf müssen Meianis Schüler nicht verzichten. Auf ihrer digitalen Pinnwand steht oben links eine Art täglicher Stundenplan: eine halbe Stunde Italienischübungen, eine halbe Stunde Mathematikaufgaben sowie wahlweise eine halbe Stunde Geschichte, Geografie oder Naturwissenschaften, je nachdem, was die Lehrer entscheiden. Außerdem können die Kinder ein Quiz über die Etrusker lösen, Grammatik üben und an ihren Dialogen für das Theaterprojekt arbeiten. In einem eingebetteten Video turnen Mitglieder eines Mailänder Sportvereins Gymnastikübungen für zu Hause vor.

Das italienische Ministerium für Schule, Universität und Forschung gibt auf seiner Internetseite einen Überblick über Plattformen, die Schüler und Lehrer virtuell verbinden. Im Grunde liegt es aber an den einzelnen Lehrern und Schülern, die Möglichkeiten digitalen Lehrens und Lernens auszuschöpfen. Vielen Lehrern ist es allein schon wichtig, den Kontakt zu den Schülern zu halten, andere geben ihnen zumindest Hausaufgaben auf. Und manche schaffen es bereits, richtige Unterrichtsstunden im Netz zu veranstalten - mit Schülern, die in Pantoffeln vorm Computer sitzen oder mit Töpfen und Pfannen in der Küche im Rücken. Die Server der digitalen Plattform WeSchool verzeichneten in den ersten Stunden nach der landesweiten Schulschließung 2,2 Millionen Anfragen - so viele wie nie zuvor.

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Aber mindestens so entscheidend wie der Unterricht ist die moralische Unterstützung der Schülerinnen und Schüler. Der Direktor eines Mailänder Gymnasiums appelliert in einem offenen Brief an seine Schüler, nicht die Hoffnung zu verlieren. Sie sollten vielmehr spazieren gehen, ein gutes Buch lesen - vielleicht sogar "Die Verlobten". In dem 900 Seiten starken Roman aus dem 19. Jahrhundert schildert Alessandro Manzoni unter anderem die Stadt Mailand während der Pest.

"Die Verlobten" wäre für Meianis Eleven zu hoch gegriffen. Aber auch ihr ist es wichtig, die Kinder aufzubauen. Sie bekommt mit, wenn ihre Eltern, von denen viele aufgrund des Lockdowns ebenfalls zu Hause sitzen, beunruhigt die Nachrichten verfolgen, und wüssten dann oft nicht damit umzugehen. "Man muss einen Ausgleich finden zwischen Informationen, die die Kinder beruhigen, aber auch eigene Sorgen mit ihnen teilen."

Also haben sie und ihre Kollegen die Schüler aufgefordert, über ihren Aufenthalt zu Hause Tagebuch zu führen. Manche schicken dann per Whatsapp Fotos ihrer Einträge, andere kleine Zeichnungen - Valdo etwa hat das Wort "Schule" in ein Herz gesetzt, Irene schickt der Lehrerin eine Nachricht: "Ich vermisse dich, Anto." Auf diese solidarischen Aktivitäten soll sich das Kollegium konzentrieren, hat der Direktor von Meianis Schule empfohlen. Es sei in diesen Zeiten nur schwer möglich, ernsthaft mit dem Lehrplan weiterzumachen.

"Bewahrt einen kühlen Kopf" schreibt der Schuldirektor in seinem Brief. "Lasst Euch nicht vom kollektiven Wahn anstecken, führt - bei aller nötigen Vorsicht - weiterhin ein normales Leben." Auch Meiani sieht das Positive an der Situation. Zwar würden die Kinder gerade nicht das lernen, was der Lehrplan vorsieht - dafür verbesserten sie ihre digitalen Kompetenzen und die Fähigkeit, sich selbst zu organisieren. Meiani sagt: "Wenn das alles vorbei ist, werden wir erwachsener sein und fähiger, uns gegenseitig zu helfen."

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