Fürstenfeldbruck:Endlich genug Zeit

Die Künstler im Landkreis sind von der Krise zwar betroffen, aber nicht verzweifelt. Die meisten konzentrieren sich auf das Positive

Von Florian J. Haamann

Auf der einen Seite bedeuten die Ausgangsbeschränkungen für die Künstler aus dem Landkreis den Wegfall aller Ausstellungen und Möglichkeiten, miteinander zu arbeiten. Auf der anderen Seite allerdings scheint dieses Zurückgeworfensein auf sich selbst in vielen kreative Prozesse auszulösen. Diesen Eindruck gewinnt man, wenn man in diesen Tagen mit einigen von ihnen spricht. Sie alle sprechen von Ideen, die in ihnen den letzten Tagen und Wochen gereift sind, von Projekten, die sie nun angehen wollen, vom Ordnen der eigenen Werke bis hin zu Guerilla-Street-Art-Aktionen.

Alicia Henry Malerin Atelier Bella Martha

Die Malerin Alicia Henry hat die ersten Wochen der Ausgangsbeschränkungen genutzt, um über alte und neue Projekte nachzudenken.

(Foto: Matthias F. Döring)

Die Gröbenzellerin Alicia Henry, die ihr Atelier im Kunsthaus Bella Martha in Marthashofen hat, hat auch gleich eine Erklärung für diesen Zustand. "Ich denke das liegt daran, dass man, wenn man als Künstler arbeitet und lebt, durchaus immer mit dem Risiko vertraut ist." Am Donnerstag ist sie zum ersten Mal seit drei Wochen wieder in ihr Atelier gefahren. "Ich mache gerade Kehraus und schaue, was ich zuletzt gemacht habe, wo ich anknüpfen kann. Ich habe die letzten Wochen viel über Projekte nachgedacht, die ich nun zum Laufen bringen will. Ideen mit sozialpolitischer Komponente für den öffentlichen Raum zum Beispiel".

Bruck: KULTURWERKSTATT HAUS 10 / Präsentation Kunst-Workshop

Christine Helmerich

(Foto: Johannes Simon)

Eine große Erleichterung ist für sie dabei, dass Freistaat und Bundesregierung finanzielle Unterstützung auch für Künstler angekündigt haben. Noch muss sie nicht darauf zugreifen, obwohl auch sie einige Auftragsausfälle habt. "Ich will keine Hilfe beantragen, solange ich nicht absehen kann, wie es weitergeht. Ich habe gerade noch eine Zahlung bekommen und kann damit erst einmal über die Runden kommen", sagt die zweifache Mutter.

Auch für den Olchinger Friedo Niepmann ist das Geld aktuell nicht das drängendste Problem. "Finanziell wird es für viele vermutlich nicht allzu gravierend. Für die Künstler, die nur von der Kunst leben, natürlich schon. Aber die meisten Kunstschaffenden haben ja in der Regel einen Broterwerbsjob. Wenn der nicht gefährdet ist, können die aktuellen Einschränkungen für die Kreativität sogar förderlich sein." Endlich sei Schluss mit dem Termingehetze, den Treffen und Besprechungen. Mehr Zeit für die Kunst also. Zeit zum Nachdenken, für Ideen und deren Umsetzung. Niepmann experimentiert mit unterschiedlichen Kunstformen und Techniken und arbeitet aktuell an seinen markanten Bildkästchen, experimentellen Techniken und Soundmodulen - und an seinen Gitarrenfähigkeiten.

Christine Helmerich

"Ich hatte mir die letzten Wochen vorgenommen, etwas zu tun, war aber bisher nicht fähig dazu. Gestern habe ich mein Material rausgelegt und jetzt fange ich an, eine kleine Serie zu machen"

"Endlich komme ich dazu, intensiv und konzentriert zu arbeiten, das ist schon schön. Aber wenn man sechs bis acht Stunden in der Werkstatt ist, würde man danach schon gerne ein Bier trinken gehen." Trotzdem komme der Kontakt zu anderen Künstlern nicht zu kurz. Über Whatsapp tauscht er Ideen und Bilder der entstehenden Werke aus. Sobald die Krise überstanden ist, hofft er, die Menschen wieder mit seinem oft hochpolitischen Werken zum Nachdenken zu bringen. Aktuell beschäftigt ihn die Überbevölkerung der Welt durch den Menschen. Für ihn mit ein Auslöser für die rasante Ausbreitung des Virus. In einem seiner Bildkästen will er sich mit diesem Thema beschäftigen.

Haus 10 Rückkehr der Aquarellis

Friedo Niepmann

(Foto: Claudia Hassel/OH)

Auch Christine Helmerich von der Künstlervereinigung Fürstenfeldbruck kommt langsam wieder in eine produktive Phase. "Ich hatte mir die letzten Wochen vorgenommen etwas zu tun, war aber bisher nicht fähig dazu. Irgendwie war ich in diesen unsicheren Zeiten gefangen, habe gedacht, wer weiß, was wird. Aber vielleicht habe ich diese zwei Wochen gebraucht. Gestern habe ich mein Material rausgelegt und jetzt fange ich an, eine kleine Serie zu machen", erzählt sie. Sie malt und zeichnet. Allerdings nehme sie sich auch die Zeit, viel zu lesen. Kunsttheoretische Texte, Bildbände, ein Interviewbuch zwischen Anselm Kiefer und Mathias Döpfner. "Ich merke aber auch, wie sehr die Kunstszene lebt. Ich bekommen viele Videos und Texte von Künstlern, mit denen ich sonst gar nicht soviel Kontakt hatte. Das ist schon interessant."

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