Seine Hände sind groß, sie wirken grob, und man sieht ihnen das Alter an. 92 Jahre hat Josef Steidle auf dem Buckel, er ist Jahrgang 1927. Doch auf den kleinen Knöpfen der diatonischen Harmonika fliegen seine Finger flink umher, sind treffsicher wie eh und je. Steidle runzelt die Stirn, kneift die Augen zusammen. An seiner Esszimmerwand hängt eine Figur des heiligen Martin, in der Zimmerecke eine Madonna. Ein Gemälde zeigt einen schneebedeckten Gebirgszug, am Esstisch steht ein Strauß roter Rosen. Was fehlt, ist ein Notenblatt. Peps Steidle, so nennen ihn seine Freunde, kann nicht alle Lieder auswendig, aber viele. Jetzt spielt er "Lili Marleen" - ein Lied, mit dem er sein Publikum immer begeistern konnte, waren es amerikanische Besatzungstruppen oder deutsche Soldaten.
Weltkriegsende in München:Musik für Schokolade
Lesezeit: 5 min
Im Mai 1945 sind Brot, Mehl und Fleisch knapp, die Münchner hamstern, der Schwarzmarkt blüht. Und Josef Steidle, erst 17 und schon Kriegsveteran, schlägt sich mit seiner Harmonika durch.
Von Miriam Steiner
SZ-Serie: Das Weltkriegsende:Endlich keine Bomben mehr
Als die amerikanischen Soldaten Ende April 1945 München einnehmen, herrscht bei vielen Bewohnern große Erleichterung, Frauen schmücken die Jeeps der GIs mit Osterprimeln - es kommt aber auch zu Schusswechseln.
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