TSV 1860 München:Zwei Kandidaten für Scharolds Nachfolge

Geschäftsführer Michael Scharold (li.) (1860 München) / Fussball / 3. Liga / Grünwalderstadion / 08.02.2020 / TSV 1860 M; Michael Scharold

Michael Scharold: Hört bei den Löwen auf

(Foto: imago images/Lackovic)

Anfang Juni soll beim TSV 1860 München ein Finanz-Geschäftsführer bestellt werden: Vereinsvertreter und Investorenseite haben je eine Person vorgeschlagen, die im Hintergrund Diskussionen auslösen.

Von Javier Cáceres und Philipp Schneider

Die Sehnsucht nach qualifiziertem Personal beim TSV 1860 ist fast so alt wie die Suche nach dem Sinn des Lebens. Der Verein legt dabei zwar stets eine beachtliche Kreativität an den Tag, doch kompliziert ist es fast immer. Präsidenten wurden per Casting gesucht, bei dem die Mitglieder persönliche Favoriten vorschlagen konnten. Der ehemalige Oberlöwe Gerhard Mayrhofer schaltete vor Jahren mal einen Headhunter ein, um den Geschäftsführer Markus Rejek zu finden. Der Maschinenbauer Anthony Power, einstmals von Mehrheitseigentümer Hasan Ismaik als Geschäftsführer durchgedrückt, sorgte für Aufsehen, als er Stellenanzeigen schaltete. Auf sportsrecruitment.com setzte er vor drei Jahren fünf offene Jobs ins Netz: einen Personalchef, einen Marketingchef, einen Kommunikationschef, einen Finanzbuchhalter und einen Assistent der Geschäftsführung.

Oh ja, man hatte Großes vor. Die in der Ausschreibung genannten gewünschten Kompetenzen des Medienchefs lasen sich allerdings wie eine Warnung vor der Stelle mit vier roten Ausrufezeichen: "lässt sich nicht irritieren, wenn die Zeiten hart sind; kann mit Stress umgehen; lässt sich nicht von Unerwartetem aus der Fassung bringen; zeigt keine Frustration, wenn ihm Widerstand geleistet wird." Widerstand ist in der Tat zwecklos bei Sechzig. Das merkten die Fans kurz darauf beim Doppelabstieg des Klubs von der zweiten in die vierten Liga. Fortan gab es keine Stellenanzeigen mehr. Der Verein hob zweimal nacheinander einen Finanz-Geschäftsführer mittels 50+1 ins Amt, also gegen Ismaiks Widerstand. Erst den Insolvenzfachmann Markus Fauser, dann Michael Scharold, der von Schalke 04 wechselte und den Ismaik noch vor dessen erstem Tag im Amt öffentlich als "zu schwach" für die Stelle einordnete und -nordete.

Scharold wiederum, das stand schon fest, bevor ein Virus den Planeten überfiel, scheidet am 30. Juni auf eigenen Wunsch aus dem Amt; er habe im Herbst in sich reingehorcht, sagte er, und dabei festgestellt, "dass die Batterien nicht mehr die Kraft haben, die man für 1860 braucht".

In der ersten Woche im Juni wird Scharolds Nachfolger feststehen. Dann soll eine Sitzung des Beirats stattfinden, der den Geschäftsführer förmlich bestellt. Beide Gesellschafter entsenden je zwei Vertreter in das Gremium, bei Patt entscheiden wegen der 50+1-Regelung die Vereinsvertreter. Möglicherweise aber gibt es diesmal sogar eine einvernehmliche Entscheidung.

Nach SZ-Informationen haben sowohl die Vereinsvertreter als auch die Investorenseite einen Kandidaten vorgeschlagen. Am vergangenen Freitag hat sich zunächst der e.V.-Verwaltungsrat auf eine Person geeinigt, nachdem ihm das Präsidium drei Kandidaten zur Auswahl überstellt hatte. Diese waren übrig geblieben aus ursprünglich sechs Vorschlägen, die auf einer Liste gestanden hatten. Nach einer Vorauswahl von Sechzigs-Bossen Robert Reisinger, Heinz Schmidt und Hans Sitzberger lud der Verwaltungsrat die drei Personen zu Vorstellungsgesprächen, was ja in Pandemie-Zeiten einem logistischen Abenteuer gleicht. Der Wunschkandidat, der übrig blieb, hat schon als Geschäftsführer bei einem Fußball-Regionalligisten gearbeitet.

Die Investorenseite ihrerseits plädiert dem Vernehmen nach seit Mittwoch für eine Person, die es nicht über das Vorauswahl-Verfahren des e.V. hinaus geschafft hat. Mit der sich also zwar das Präsidium, nicht aber der e.V.-Verwaltungsrat näher befasst hat - und mit dem deshalb auch noch keinerlei vertiefte Gespräche geführt worden sind: Sven Froberg, bis April Leiter der Marketing- und Unternehmenskommunikation beim VfL Wolfsburg, zuvor Managing Director beim Sportinformationsdienst und Sportchef bei Pro7/Sat1. Der Vertrag des 48-Jährigen, der seither als sogenannter "externer Berater" des Bundesligisten geführt wird, war im April regulär ausgelaufen. Er wolle sich beruflich neu orientieren, teilte Froberg kürzlich den Medien der Funke-Gruppe mit. Und was soll man sagen? Wer etwas rundum Neues erleben mag, der ist an der Grünwalder Straße 114 nicht an der schlechtesten Adresse!

Im Hintergrund werden nun erneut die zwei Kandidaten diskutiert. Es geht wohl auch um die Höhe des Gehalts und die möglicher Erfolgsprämien. Der einen Seite ist der eine zu jung, der anderen Seite der andere zu teuer. Auch bei 1860 wiederholt sich Geschichte ganz gerne. Und so stehen die zwei Kandidaten auch mal wieder für die unterschiedlichen Denkschulen der Gesellschafter: Die Vereinsvertreter wollen nachhaltig wirtschaften, keine weiteren Schulden - und Personal, dass so bodenständig ist, dass es fast als Bodenpersonal durchginge. Und einer wie Froberg, der kommt ja zumindest schon mal aus der Bundesliga.

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