Konjunkturhilfen:Die Regierung muss das Geld jetzt klug ausgeben

Gegen Abwrackpraemie - Demonstration before coalition summit DEU, Deutschland, Germany, Berlin, 02.06.2020 Aktivisten m

Aktivisten demonstrierten am Dienstag vor dem Bundeskanzleramt in Berlin gegen die geplante Prämie für Autokäufe.

(Foto: imago images/IPON)

Nicht jede Wohltat für Unternehmen ist wirtschaftspolitisch und ökologisch sinnvoll. Statt in Autoprämien sollte Deutschland jetzt lieber in Bildung, Klimaschutz und digitale Infrastruktur investieren.

Kommentar von Marc Beise

Deutschland findet zunehmend wieder in den Alltag, und auch die Politik muss in einen neuen Modus. Die Regierenden hatten viele Gelegenheiten, sich als Macher zu profilieren: Je schneller und härter die Maßnahmen kamen, desto besser, Geld spielte keine Rolle, daran könnte man sich gewöhnen. Mühsam ist der Weg zurück, wie das Ringen um die nächsten Hilfsmaßnahmen zeigt. Abgerechnet wird ohnehin nicht nach der Sitzung des Koalitionsausschusses am Dienstagabend, sondern erst nach fortgesetzter Diskussion und vielfältigen weiteren Beratungen im Parlament.

Weil es in Politik und Wirtschaft selten richtig und falsch gibt, müssen die Akteure sich, wenn sie gut entscheiden wollen, zunächst darüber klar werden, worum es vor allem geht. So kann es nach dem bisher beispiellosen Einschnitt der Corona-Krise nicht ernsthaft das Ziel sein, alte Parteiprogramme oder Koalitionsvereinbarungen abzuarbeiten. Es gilt vielmehr zu berücksichtigen, was sich in den vergangenen Monaten ereignet und geändert hat. Es sollte doch klar sein, dass es in der größten Rezession seit den Dreißigerjahren höchste Priorität haben muss, die Wirtschaft wieder in Fahrt zu bringen, die allein Arbeitsplätze, Geld und Wohlstand sichern kann. Es geht also um Wachstum - aber dieses Wachstum muss mehr als früher sozial und ökologisch geprägt und finanziell nachhaltiger sein als in der ersten Rettungsphase.

Es ist, um mit dem letzten Punkt anzufangen, nicht sinnvoll, weiter so viel Geld auszugeben wie zuletzt. Der tadellose Ruf Deutschlands an den Finanzmärkten, der die Rettungspakete erst möglich gemacht hat, wird nicht endlos strapaziert werden können. Wenn die Zinsen wieder steigen, verschwinden die politischen Gestaltungsräume. Deshalb verbietet es sich, mal eben alle Sozialleistungen durchzusetzen, die man schon immer auf dem Zettel hatte. Es muss wieder gelten, was vor Corona galt: Vieles ist wünschenswert, aber nicht alles finanzierbar.

Wohl aber hat das Land während der Pandemie gelernt, dass es Menschen gibt, die systemrelevant sind, auch wenn sie wenig verdienen: Die Gesundheitsarbeiter finanziell besserzustellen, war ein Versprechen der Krise. Es jetzt nicht zu erfüllen, würde Vertrauen zerstören und wäre schlechte Politik. Und dann muss ein Thema von existenzieller Bedeutung mit in die weitere Planung genommen werden: der Umwelt- und Klimaschutz. Die vielfach abgesicherte Erkenntnis, dass die Industrienationen dabei sind, ihre Lebensgrundlagen zu vernichten, hat sich nicht über das Frühjahr geändert. Deshalb braucht es qualifiziertes Wachstum. Nicht jede Wohltat für die Unternehmen ist volkswirtschaftlich hilfreich, auch wenn das die Lobbyisten in Berlin behaupten.

Besonders unverschämt tritt die Autobranche auf. Eine milliardenschwere Kaufprämie für Neuwagen wird so vehement gefordert, dass ein Politiker schon sehr prinzipienfest sein muss, um dem Druck standzuhalten. Dabei ist abzusehen, dass eine Prämie vor allem den Verbrennermotor bedienen würde. Die deutschen Konzerne sind im Moment gar nicht in der Lage, Elektroautos in großem Umfang auszuliefern. Davon abgesehen sind sich Ökonomen weitgehend einig: Branchenspezifische Lösungen schaden mehr, als dass sie nutzen, und viel mehr als ein Strohfeuer bewirken sie nicht.

Besser gedacht, aber ähnlich fehlgeleitet wäre es, den Menschen einfach Konsumgutscheine auszugeben. Gut daran wäre, dass sie selbst über die Verwendung entscheiden, aber das könnte angesichts der Unsicherheiten und vielleicht auch veränderten Konsumgewohnheiten eben auch bedeuten: Das Geld wird gespart. Auch der diskutierte Kinder-Einmalbonus ist gut und schön, aber was hilft er dauerhaft? Stattdessen müsste das Geld doch in die Verbesserung der Betreuungsmöglichkeiten gehen.

Richtig dagegen sind Maßnahmen, die sich punktgenau bei allen bedürftigen Firmen und Menschen auswirken: beispielsweise die Stundung von Steuerschuld auf Zeiten, bis wieder mehr verdient wird. Die schnelle Abschaffung des Soli, die ohnehin geplant war. Die Senkung der Stromsteuer. Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, in die Bahn, in Ladestationen für Elektroautos, Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz.

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Und es muss in Bildung investiert werden, die einzige Ressource, die das rohstoffarme Deutschland in großem Umfang selbst ausbeuten kann und an der im digitalen Zeitalter mehr denn je der künftige Wohlstand hängt. Durch das Homeschooling ist während der Pandemie ein unerwarteter digitaler Impuls in die Bildung gekommen. Ihn aufzunehmen und auszubauen, wäre klug investiertes Geld.

Die Politiker haben jetzt eine große Chance. Sie können ihre gute Performance in der Pandemie verstetigen. Dafür gibt es keinen Nobelpreis, aber das gute Gefühl, sich um Kinder und Enkel verdient gemacht zu haben. Und vielleicht kann man so sogar Wahlen gewinnen.

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