Corona-App:Freiwillig oder gar nicht

Corona Warn-App soll kommen

Bald soll sie kommen: Startbildschirm der geplanten Corona-Warn-App.

(Foto: dpa)

Die vier Justizminister und -senatoren der Grünen legen einen Gesetzentwurf zur geplanten Corona-App vor. Sie befürchten Zwänge durch die Hintertür und warnen vor Ungerechtigkeit.

Von Detlef Esslinger

Die vier Justizminister und -senatoren der Grünen fordern, dass die geplante Corona-App "lediglich auf freiwilliger Basis eingesetzt" wird. Die sächsische Ministerin Katja Meier sagte am Dienstag der Süddeutschen Zeitung, nur so könne sie überhaupt funktionieren. Mit ihren Amtskollegen Dirk Adams (Thüringen), Dirk Behrendt (Berlin) und Till Steffen (Hamburg) hat Meier einen Gesetzentwurf erarbeitet, der gewährleisten soll, dass die App wie vorgesehen tatsächlich nur freiwillig genutzt werden darf.

In Deutschland arbeiten zurzeit die Telekom und SAP im Auftrag der Bundesregierung daran, eine Corona-App zu entwickeln. Ihr Prinzip: Wer sie sich aufs Smartphone lädt und positiv getestet wird, kann dies in der App verzeichnen. Daraufhin bekommen Menschen, mit denen man in den Tagen zuvor in Kontakt war, einen Warnhinweis - und können sich ihrerseits testen lassen. Dabei erfährt weder der Infizierte, wen sein Handy informiert, noch erfahren die Informierten, woher der Hinweis kam. Länder wie Großbritannien, Island und Singapur haben bereits Versuche mit einer Corona-App unternommen; es zeigen sich jedoch enorme technische und praktische Probleme. Die Justiz-Ressortchefs von Bündnis 90/Die Grünen warnen deshalb vor allzu großen Erwartungen. Die App sei "sicher nicht das Allheilmittel, sondern ein Element im Kampf gegen das Virus", sagte die sächsische Ministerin Meier. Davon abgesehen müsse Deutschland mehr testen "und auf die Eigenverantwortung" der Bürger setzen.

Niemand soll ausgeschlossen werden

Der Entwurf zielt zunächst auf Versicherungen sowie auf das, was Juristen "Massengeschäfte" nennen: Geschäfte also, die jeder ohne schriftlichen Vertrag oder Prüfung der persönlichen Umstände abschließen kann - etwa Taxifahrten, Restaurantbesuche oder Einkäufe in Boutiquen. Die Minister verlangen in ihrem Entwurf: "Niemand darf deshalb benachteiligt werden, weil er oder sie keine Anwendung auf einem Mobilgerät installiert, die dazu dient, Kontakte mit anderen Personen zu identifizieren." Die Grünen befürchten, dass die Inhaber von Geschäften die Menschen vor die Wahl stellen könnten, sich entweder die App herunterzuladen oder nicht mehr hereinzudürfen. "Man würde sie vom gesellschaftlichen Leben ausschließen, und die Akzeptanz der App würde sinken", sagte Meier der SZ. "Genau das wollen wir nicht." Sie wies auch darauf hin, dass es weiterhin Menschen gibt, die kein Smartphone besitzen, vor allem Senioren.

Darüber hinaus wollen die vier Minister ein Benachteiligungsverbot auch für Arbeitnehmer festschreiben. Nach ihrer Einschätzung besteht die Gefahr, dass Firmen ihre Mitarbeiter drängen oder verpflichten, die App herunterzuladen und ihr Handy immer dabei zu haben - selbst wenn der Staat auf Freiwilligkeit setze. Bei Verstößen sieht ihr Entwurf Ansprüche auf Beseitigung, Unterlassung und Schadenersatz vor. Arbeitnehmer sollen zudem mit einem Maßregelungsverbot davor geschützt werden, dass ihre Firma sie bedrängt.

Das Prinzip der Freiwilligkeit ist den Grünen deshalb so wichtig, weil sie es als Voraussetzung sehen, damit die App tatsächlich funktioniert. Till Steffen, der voraussichtlich noch bis 10. Juni Justizsenator in Hamburg ist, sagte der SZ, nur eine freiwillige App könne Akzeptanz und Vertrauen bei den Menschen schaffen. Deshalb dürfe es keinen "Zwang durch die Hintertür" geben. Seine sächsische Kollegin Meier ergänzte, das Risiko dieses Zwangs müsse der Gesetzgeber vorwegnehmen, "wenn er ernsthaft von Freiwilligkeit spricht". Ihr Gesetz müsste vom Bundestag beschlossen werden. Die Länder haben hier kein Gesetzgebungsrecht.

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