Finanzindustrie:Wirtschaftsprüfer verweigern Wirecard Testat - Aktie stürzt ab

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Markus Braun, geschäftsführender Vorstand von Wirecard. (Foto: Lino Mirgeler/dpa)

Eigentlich wollte der Konzern am Donnerstag seine Jahreszahlen für 2019 vorstellen. Daraus wird nichts - stattdessen stürzt Wirecard endgültig in die Krise.

Von Klaus Ott, Jörg Schmitt und Nils Wischmeyer

Wirecard wird seine Zahlen für das Geschäftsjahr 2019 einmal mehr nicht wie geplant veröffentlichen. Das gab der Konzern am Donnerstag bekannt und schockierte damit die Anleger, die im Laufe des Tages mit der Bekanntgabe gerechnet hatten.

In einer Ad-hoc-Mitteilung heißt es, die Prüfer von Ernst & Young (E&Y) hätten den Konzern darüber informiert, dass es keine ausreichenden Prüfungsnachweise für Treuhandkonten in Höhe von 1,9 Milliarden Euro gebe. Das entspricht etwa einem Viertel der Konzernbilanzsumme. Weiter heißt es: "Es bestehen Hinweise, dass dem Abschlussprüfer von einem Treuhänder bzw. aus dem Bereich der Banken, welche die Treuhandkonten führen, unrichtige Saldenbestätigungen zu Täuschungszwecken vorgelegt wurden." Der Vorstand arbeite mit Hochdruck daran, den Sachverhalt aufzuklären.

Die Aktien von Wirecard brachen unmittelbar nach Veröffentlichung der Ad-Hoc-Mitteilung ein. Zwischenzeitlich betrug das Minus bis zu 66 Prozent, später pendelten sich die Verluste zunächst bei etwa 50 Prozent ein.

Die Prüfer von E&Y verweigern dem Dax-Konzern somit bis auf Weiteres ein Testat unter seiner Bilanz. Viel schlimmer kann es bei einer Prüfung der Jahresbilanz kaum kommen. Ob und wann die Bilanz nun vorgestellt wird, bleibt zunächst unklar. Doch damit nicht genug: Liegt das Testat nicht bis Freitag vor, könnten Kredite von Wirecard in Höhe von zwei Milliarden Euro gekündigt werden, teilt der Konzern mit.

Wirecard stürzt nun endgültig in die Krise. Der einst gefeierte digitale Aufsteiger hat bereits seit mehr als einem Jahr mit massiven Vorwürfen zu kämpfen, darunter die der Bilanzmanipulation. In Singapur laufen unter anderem deshalb Ermittlungen gegen den Konzern. Im vergangenen Oktober engagierte Vorstandschef Markus Braun die Wirtschaftsprüfer von KPMG mit einer Sonderprüfung, die ein Befreiungsschlag sein und alle Vorwürfe widerlegen sollte. Genau das geschah aber nicht. KPMG konnte zwar einige Vorwürfe ausräumen, doch war anhand der Daten von Wirecard nicht in der Lage, alle Umsätze des Konzerns einwandfrei nachzuweisen. Auch gab es Fragen zu Treuhandkonten, die Wirecard oder seine Partner nicht beantworten konnten.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Marktmanipulation

Als wäre das nicht genug, durchsuchte vor einigen Tagen auch noch die Staatsanwaltschaft München I die Büros bei Wirecard. Sie ermittelt aufgrund einer Anzeige der Finanzaufsicht Bafin gegen die vier Vorstände des Konzerns, darunter den Chef Markus Braun und seine rechte Hand Jan Marsalek. Hintergrund sind zwei Ad-hoc-Mitteilungen, die die Firma ausgab und in denen sie sich positiv zum KPMG-Bericht äußerte - und so womöglich Anleger in die Irre führte. Die Staatsanwaltschaft ermittelt laut dem Durchsuchungsbeschluss, den die SZ einsehen konnte, wegen Marktmanipulation und beschlagnahmte unter anderem Laptops und die Mobiltelefone des Vorstands.

Wie es nun für Wirecard weitergeht, bleibt zunächst unklar. Der Vorstand will sich gegen 14 Uhr in einem Live-Stream äußern, zunächst zum Geschäftsverlauf, später auch zur Abschlussprüfung. So war es zumindest vor der Veröffentlichung geplant.

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