Erding:Druck machen

In Altenerding wehren sich die Anrainer der Sempt gegen die Pläne des Wasserwirtschaftsamts München für den Hochwasserschutz. Sie wollen keine Mauern an den Ufern ihrer Gärten. Eine Online-Petition, Unterschriftenlisten und die lokale Politik unterstützen sie dabei

Von Regina Bluhme, Erding

Mit einer Unterschriftenaktion machen Sempt-Anlieger in Altenerding mobil gegen den geplanten Hochwasserschutz vor ihrer Haustür. Sie wehren sich gegen den vom Wasserwirtschaftsamt München beabsichtigten linearen Ausbau, der Deiche und Mauern vorsieht, und sie finden viel Unterstützung. Die Online-Petition haben bereits mehr als 2000 unterzeichnet. Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) wendet sich im Video-Blog gegen die Ausbauvariante, auch die CSU-Landtagsabgeordnete und ehemalige bayerische Umweltministerin Ulrike Scharf kritisiert die Pläne, Und vor Kurzem sagte eine Delegation der Freien Wähler mit zwei Landtagsabgeordneten nach einem Ortsbesuch Hilfe zu. Das Wasserwirtschaftsamt indes besteht auf den geplanten Maßnahmen.

Rainer Hörl wohnt in einer Idylle. Sein Gartengrundstück am Altwasser mit den dichten Baumbestand grenzt an den Wasserarm. "Bis dahin würde die Betonmauer reichen", sagt Hörl und hält den Arm in die Höhe. "Da sind etwa 1,45 Meter." So hoch soll die Schutzmauer am Ufer werden. Zudem müssten alle Bäume gefällt werden. Wegen der Spundwände, die in den Boden gerammt werden. Insgesamt werden entlang der Ausbaustrecke sogar 200 Bäume entfernt, sagt er. Ahornbäume, Buchen, Eichen, Linden, Weiden. Rainer Hörl hat mit den Nachbarn Anton Bichlmeier, Christian Veicht, Josef Stimmer und Georg Bichlmaier vor wenigen Wochen eine Online-Petition gestartet. 2500 Unterschriften wollen sie zusammenbekommen, Stand Freitag Nachmittag waren es 2043.

Erding: Die Sempt entlang der Landgerichtsstraße bietet einen idyllischen Anblick. Damit wird es wohl vorbei sein, wenn Schutzwände errichtet werden. In einer Online-Petition wurden schon mehr als 2000 Unterschriften gegen die Maßnahme gesammelt. Bald beschäftigt sich der Erdinger Stadtrat mit dem Thema.

Die Sempt entlang der Landgerichtsstraße bietet einen idyllischen Anblick. Damit wird es wohl vorbei sein, wenn Schutzwände errichtet werden. In einer Online-Petition wurden schon mehr als 2000 Unterschriften gegen die Maßnahme gesammelt. Bald beschäftigt sich der Erdinger Stadtrat mit dem Thema.

(Foto: Renate Schmidt)

An der Landgerichtsstraße haben die Initiatoren am Semptufer eine 1,45 Meter hohe Wand aus weißer Plane errichtet, um den Eingriff zu demonstrieren. "So schaut das dann aus", sagt Hörl, "die Bäume sind dann natürlich auch weg." Es gibt zudem Unterschriftenstände im Bereich der Landgerichtsstraße, der Ardeobrücke, beim S-Bahnhof und, sobald die Genehmigung da ist, beim Eingang Erdinger Stadtpark.

Mitte März kam "der Schock", erinnert sich Rainer Hörl. Das Wasserwirtschaftsamt hatte über die Presse mitgeteilt, dass das jahrelang anvisierte Becken in Wörth vom Tisch ist. Stattdessen: linearer Ausbau durchs Erdinger Stadtgebiet. Die jetzt in den Vorentwurf aufgenommene Lösung sieht einen Deich im Bereich Bergham sowie Wände in Höhe zwischen 40 Zentimetern und circa 1,45 Metern entlang der Sempt in den Ortsteilen Altenerding und Langengeisling vor. Diese Variante verbraucht laut Wasserwirtschaftsamt weniger Flächen und kommt günstiger. Das Rückhaltebecken Wörth wird mit rund 22,7 Millionen Euro berechnet, die lineare Ausbau mit 20,3 Millionen.

Noch handelt es sich um einen Vorentwurf. Darum gelte es jetzt zu handeln, Druck aufzubauen, noch mehr Lokalpolitiker ins Boot zu holen, "um ein Umdenken zu erreichen", so Bichlmeier. Dass Erding einen Hochwasserschutz brauche, steht für die Altenerdinger außer Frage. Aber sie wollen einen natürlichen Hochwasserschutz, mit vielen kleinen Rückhaltebecken entlang der Sempt und Schwillach. Dazu ein digitales Wasser- und Schleusenmanagement, erklärt Christian Veicht. Wichtig wäre auch, dass wieder regelmäßig eine Bachabkehr durchgeführt werde. Ob sich etwas erreichen lässt? "Die Chancen stehen 50 zu 50", sagt Burkhard Köppen. Der CSU-Fraktionssprecher im Stadtrat war lange Hochwasserschutz-Referent. Er ist überzeugt, dass der Erdinger Stadtrat "dies nicht so hinnehmen wird". Es werde wohl im Rahmen des Planfeststellungsbeschlusses geklagt werden, "und da wird sich das Wasserwirtschaftsamt eine blutige Nase holen". Noch wird aber miteinander gesprochen: Im Juli wird das Amt in der Stadtratssitzung erwartet. OB Max Gotz machte sich im Video-Blog Mitte Juni für eine Allianz aller Anrainer der Sempt stark. Eine möglichst ökologische Lösung solle gefunden werden, auch gemeinsam mit dem Wasserwirtschaftsamt.

Erding: Die Proportion täuscht ein wenig: Mit 1,45 Metern reicht die geplante Mauer nicht bis zu den Schultern. Aber sie wäre ein gewaltiger Eingriff, wie Anrainer Anton Bichlmeier, Rainer Hörl und Christian Veicht (von links) zeigen.

Die Proportion täuscht ein wenig: Mit 1,45 Metern reicht die geplante Mauer nicht bis zu den Schultern. Aber sie wäre ein gewaltiger Eingriff, wie Anrainer Anton Bichlmeier, Rainer Hörl und Christian Veicht (von links) zeigen.

(Foto: Renate Schmidt)

Christian Leeb, der Leiter des Wasserwirtschaftsamts, verteidigt die beschlossene Variante. Es gelte, die kostengünstigste Lösung zu verwirklichen. Der geforderte ökologische Ausbau sei innerhalb Erdings kaum möglich: zu wenig Fläche. Sein Amt habe mit allen Anliegern Kontakt aufgenommen, es gebe immer noch gestalterischen Spielraum, so Leeb. Man könne die Freiborde mit mobilen Element versehen oder Treppenzugänge zum Wasser errichten. "Wir bauen hier keine Berliner Mauer." Das Wasserwirtschaftsamt wolle jedenfalls weiter versuchen, die Anrainer zu überzeugen. Eins weiß er aber jetzt schon: "In Altenerding beißen wir auf Granit."

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