Hongkong und China:Stadt in Angst

Peking bricht mit dem umstrittenen Sicherheitsgesetz sein Abkommen mit Großbritannien über Hongkong. Das zeigt: Der Versuch, China in die Weltordnung einzubinden, ist gescheitert. Das muss Konsequenzen haben.

Kommentar von Lea Deuber, Peking

Heimlich und am Hongkonger Parlament vorbei hat die chinesische Regierung in Peking das umstrittene Sicherheitsgesetz für die Sonderverwaltungszone verabschiedet. Es ist das Instrument, mit dem die Kommunistische Partei (KP) die widerspenstige Stadt unter Kontrolle bringen will. Systematisch weitet sie ihr Regime aus Angst und Terror auf die Sonderverwaltungszone aus. Seit Jahren unterwandert sie die Zivilgesellschaft, sie bedroht Aktivisten, entführt Andersdenkende und schwächt die Pressefreiheit. Bereits 2014 erklärte das Regime, die Autonomie sei kein fester Bestandteil Hongkongs, sondern ein Privileg, das Peking geben und nehmen könne. Das tut es nun. Unter dem Vorwand von Terrorismusbekämpfung und Subversion verpasst es der Freiheit in der Stadt den Todesstoß.

China bricht mit dem Gesetz seine Gemeinsame Erklärung mit Großbritannien. Die Bundesregierung hat sich vergangenes Jahr während der andauernden Proteste immer wieder auf das internationale Abkommen berufen, das bei den Vereinten Nationen registriert ist. Jetzt, da die Kommunistische Partei den Vertrag einseitig aufkündigt, muss Deutschland Konsequenzen ziehen und eine Klage vor dem internationalen Gerichtshof unterstützen. Grundsätzlich gehört die deutsche China-Politik auf den Prüfstand. Die liberale Weltordnung, das ist nichts Neues, steckt in der Krise. Die Entwicklungen besonders in den USA bereiten Sorge. Die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten war ein Einschnitt. Hongkong erinnert nun daran, dass es ein weiteres entscheidendes Ereignis für die Erosion der internationalen Ordnung und Freiheit gibt: den Amtsantritt von Xi Jinping 2012.

Nach außen inszeniert sich die KP als Anhängerin von internationaler Zusammenarbeit und Multilateralismus, sogar als Freund Europas. Peking weiß, was seine europäischen Partner hören wollen. Doch spätestens seit Xi chinesischer Präsident ist, hat es Europa mit einem anderen Partner zu tun. Das neue China ist nach innen und außen aggressiv wie nie: die Masseninternierung von Muslimen in Westchina. Tibet. Die Gängelung anderer Länder, das aggressive Verhalten im Südchinesischen Meer, Drohungen Richtung Taiwan. Hinzu kommt die mangelnde Transparenz im Umgang mit dem Coronavirus. Europas Schwäche ist zum Teil eine Folge dieser Politik. Gezielt hat Peking die europäische Einheit mit seinen Staatsinvestitionen, bilateralen Deals und Dialogforen unterwandert.

Peking spürt nun Gegenwind. Das ist der Grund, warum es Kritik an seinem Auftreten als "antichinesisch" bezeichnet oder als "Kalter-Krieg-Mentalität". Doch nicht das Ausland oder die USA sind die Treiber hinter der Entfremdung. Chinas Öffnung ist seit Jahren nicht vorangekommen. Europäische Firmen dürfen bis heute zum großen Teil nur in Bereichen investieren, in denen chinesische Firmen die Marktmacht haben oder es nichts mehr zu gewinnen gibt. Chinas digitales System ist abgeschotteter denn je. Visa werden nur noch selektiv vergeben.

Peking fordert Offenheit von anderen. Selbst nimmt es sich, was es will. Verträge, internationales Recht, Regeln und Standards, das alles ist nur etwas wert, wenn es dem Regime nutzt. Der Versuch, die aufsteigende Wirtschaftsmacht einzubinden, war richtig. Er ist aber gescheitert. Es ist Zeit für eine ehrliche Bilanz. Und klare Konsequenzen.

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