Peter Boehringer:Zeitungsanzeige könnte AfD-Abgeordneten das Amt kosten

Boehringer AfD Anzeige

Peter Boehringer sitzt dem Haushaltsausschuss vor.

(Foto: imago/Jens Jeske)

Der Chef des Haushaltsausschusses im Bundestag schimpft in einer Zeitungsanzeige auf die EU. Die anderen Fraktionen wollen ihn nun seines Postens entheben.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Die AfD und die Fachausschüsse im Bundestag, das ist keine Erfolgsgeschichte. Nach dem Streit um den inzwischen abgewählten Vorsitzenden des Rechtsausschusses, Stephan Brandner, gibt es erneut einen Eklat. Er könnte den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, Peter Boehringer, das Amt kosten.

Boehringer hatte am 20. Juni in einer halbseitigen Anzeige in der Neuen Züricher Zeitung (NZZ) einen Text veröffentlicht und damit nach Ansicht der Kollegen im Haushaltsausschuss "mehrere Grenzen überschritten". Nachzulesen ist das in einem Brief, den Abgeordnete von Union, SPD, FDP, Grünen und Linken parteiübergreifend an Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) geschrieben haben. In dem Brief, eingegangen am 8. Oktober, fordern sie Schäuble auf zu prüfen, ob Boehringer "sowohl gegen die Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestags verstoßen hat, als auch seine Rolle als Vorsitzender des Ausschusses missbräuchlich verwendet hat".

Die Textanzeige sieht aus wie ein Gastbeitrag Boehringers. Unter der Überschrift "Mehr Europa durch weniger EU: Die Marktwirtschaft muss erhalten bleiben" schreibt er über "selbsternannte Eliten", "Herren des 'realen Falschgeldes'", und "hemmungslose Kreditschöpfung", "der Brüsseler Leviathan wird immer gefräßiger". Er ruft dazu auf, sich "mit der nötigen Zivilcourage" zu wehren.

Die Abgeordneten von Union bis Linken befürchten nun einen Schaden für den Bundestag. Sie kritisieren, dass Boehringer in der NZZ-Anzeige "Verschwörungstheorien über die EU, die EZB und die Flüchtlingspolitik verbreitet". Er informiere aber nirgends darüber, dass er Mitglied der AfD ist. Statt auf die Parteizugehörigkeit hinzuweisen, lässt er neben seinen Namen den Adler des Bundestags drucken sowie sein Amt, Vorsitzender des Haushaltsausschusses. "Aus unserer Sicht suggeriert er hier bewusst eine Sicht des gesamten Ausschusses, die so nicht vorhanden ist", mit diesen Worten distanzieren sich die Kollegen von Boehringer.

Der AfD-Mann ist seit seinem Einzug in den Bundestag immer wieder dadurch aufgefallen, dass er Verschwörungsmythen verbreite. Im Internet betreibt er die Seite "Wahnsinn mit Methode gegen deutsche Interessen - Boehringer spricht Klartext". In einem Tweet Anfang Oktober prangt Boehringer an, wie "deutsche Interessen verraten und verkauft" werden, er benutzt Vergleiche wie "Gott versus Satan: Wahrheit versus völligen Gegensatz". Auch bei seinen Redebeiträgen im Plenum des Bundestags ist Boehringer dadurch aufgefallen, dass er fast ausschließlich in Superlativen und Schlagworten argumentiert.

Aus Sicht der Bundestagsabgeordneten der anderen Fraktionen ist der Ärger aber noch größer, weil Boehringer sich diese Anzeige in der NZZ bezahlen ließ. Auf seiner Facebook-Seite verkündete er am 24. Juni 2020, er sei dem Sponsor der Anzeige dankbar, dem Berner Privatmann Jonas Müller. Dieser hatte sich in der Anzeige das letzte Wort vorbehalten: "Meine Hochachtung, sehr geehrter Peter Boehringer!" Die Kosten für so eine halbseitige Anzeige, schreiben die Abgeordneten, lägen laut Preisliste bei 17 000 Schweizer Franken - knapp 16 000 Euro. "Damit scheint ein Verstoß gegen... Verhaltensregeln für Abgeordnete in Verbindung mit Parteiengesetz gegeben".

Die Bundestagsverwaltung werde "einen möglichen Verstoß" prüfen, hieß es am Freitag aus Schäubles Pressestelle. Sollte sie zu der Ansicht kommen, dass Boehringer gegen die Regeln verstoßen habe, sind unterschiedlich scharfe Restriktionen möglich, sie reichen vom schriftlichen Ordnungsruf bis zum Bundestagsvermerk. Am Ende muss der Ausschuss entscheiden, ob Boehringer noch das Vertrauen der Kollegen hat - oder wie Brandner abgewählt wird. Der Haushaltsausschuss ist der wichtigste Fachausschuss des Bundestags, die Abgeordneten bezeichnen die Budgetverhandlungen als Königsdisziplin.

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