Pinakothek der Moderne:Dichter Sprachteppich

Pinakothek der Moderne: Mit den Worten „tritt ein“ und „sprich laut“ forderte der Künstler Alexander Löwenstein die Besucher auf, ihre Fragen an den „Denkraum Deutschland“ zu stellen.

Mit den Worten „tritt ein“ und „sprich laut“ forderte der Künstler Alexander Löwenstein die Besucher auf, ihre Fragen an den „Denkraum Deutschland“ zu stellen.

(Foto: Evelyn Vogel)

Im "Denkraum Deutschland: Interspace", einer Zwischennutzung in der Pinakothek der Moderne, untersuchen zahlreiche Künstler die Übergänge zwischen digitalen und analogen Welten

Von Evelyn Vogel

Akustisch am nächsten kommt das Ergebnis einer dadaistischen Performance oder einer Sprachkakofonie. Inhaltlich ist es eine große Selbstbefragung von Kunst und Künstlern. Eine Woche lang konnten die Besucher der Ausstellung "Denkraum Deutschland" in der Pinakothek der Moderne im Chatroom von Alexander Löwenstein Fragen stellen und bekamen Antworten - oder konnten die Fragen anderer beantworten. Die aufgezeichneten Ergebnisse dieser verbalen Befragung wurden jeden Abend während der letzten Stunde der Ausstellungsöffnung abgespielt. Nach und nach verdichtete sich dieser Soundteppich zu eben jener großen kakofonischen Sprachsymphonie, die am Sonntag, dem letzten Tag der Ausstellung, ihre größte Dichte erreicht haben wird.

Doch die akustische Dissonanz dieser Arbeit sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier neun Künstler mit 13 Arbeiten am gleichen Strang ziehen. Das fängt damit an, dass alle Arbeiten auf dem Abbruchmaterial der vorherigen Ausstellung "Feelings" installiert sind. Recycling ist ein aktuelles verbindendes Element in dieser von den Künstlern Miro Craemer und Philipp Messner kuratierten Schau. Aber die Arbeiten spinnen viele Gedanken weiter, mit denen wir uns in der aktuellen Situation beschäftigen. Was geht in diesen Coronazeiten noch analog? Was digital? Wie kann das eine ins andere übersetzt werden und wo sind Schnittstellen? Und ist die "Digitalität", jene Verschränkung von digitalen und analogen Wirklichkeiten, nicht längst Teil unseres gesellschaftlichen Diskurses, mehr noch, unseres Lebens?

Die Beiträge nähern sich diesen Überlegungen im "Denkraum Deutschland" von verschiedenen Seiten an: Da sind so minimalistische Werke wie die Wandarbeiten von Heinz Butz aus den Sechzigerjahren oder das Fernsehstück "Quadrat" von Samuel Beckett von 1980. Da sind neuere Videoarbeiten wie "Blessed is the Maschine" von Gülbin Ünlü, Mixed-Media-Werke wie der "Helsinki Raum 220814" von Thomas Thiede und Alexander Kluge, die raffinierte Installation "WSOD" von Ivan Paskalev oder die analogen Arbeiten von Hell Gette (Malerei) und Kristina Lovaas (Keramik), die digitale Welten ins Analoge übersetzen. Und über allem hängt das "Quantification Set" von Thomas Weinberger und Benjamin Zuber wie ein leuchtendes, ständig umspringendes Null-und-Eins-Menetekel an der Wand. Kein Anfang, kein Ende. Aber ein Denkanstoß im Zwischenraum.

Denkraum Deutschland 2020: Interspace. Digitalität - Kunst - Gesellschaft, Pinakothek der Moderne, Barer Straße 40, noch bis Sonntag, 18. Oktober, Sa./So. 10-18 Uhr

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