Vorwürfe gegen Alexander Zverev:Heile Welt, sorgenvolle Welt

Vorwürfe gegen Alexander Zverev: Unter Druck in London: Alexander Zverev benötigt in seinem zweiten Gruppenspiel einen Sieg.

Unter Druck in London: Alexander Zverev benötigt in seinem zweiten Gruppenspiel einen Sieg.

(Foto: Frank Augstein/AP)

Alexander Zverev erlebt ein erfolgreiches Tennisjahr, doch die Vorwürfe im privaten Umfeld belasten ihn schwer. Ein neuer Krisenmanager soll helfen.

Von Gerald Kleffmann

7:37 Minuten dauerte die Video-Schalte, es war diesmal eine normale Pressekonferenz. Alexander Zverev analysierte sein Match. Er hatte verloren gegen den Russen Daniil Medwedew, den er seit Kindertagen kennt. Seit der Wiederaufnahme der Tennistour im Sommer sei diese 3:6, 4:6-Pleite am Montagabend "eine der schlechtesten" Partien von ihm gewesen, sprach er. Und hatte teils recht.

Sieben Doppelfehler erinnerten an seine in ihm schlummernde Aufschlagschwäche. In einigen Ballwechseln blitzte Zverevs Können auf; derart enttäuschend, wie er seine Leistung einstufte, war sie indes nicht. Aber seine Ansprüche, vor allem an diesem für ihn besonderen Ort, sind hoch. 2018 gewann der heute 23 Jahre alte Deutsche die ATP Finals in London, das Jahresendturnier der besten acht Profis. Will er jetzt ins Halbfinale kommen, muss er an diesem Mittwoch gegen den Argentinier Diego Schwartzman gewinnen.

"Für mich ist es jetzt ein ganz normales Turnier", erkannte er richtig. "Wenn ich verliere, fahre ich nach Hause." Seine letzte Partie in der Gruppe gegen Novak Djokovic wäre in jedem Fall bedeutungslos. Zverev ist folglich in der O2-Arena, wo letztmals die Finals stattfinden, ehe sie nach Turin weiterziehen, unter Druck. Aber im Kontext eines anderen Themas lässt sich nur darüber spekulieren, ob ihn diese sportliche Situation wirklich gerade am meisten belastet.

Zverev wehrt sich entschieden gegen die Vorwürfe

Seine frühere Freundin Olga Scharipowa, mit der er bis 2019 zusammen war, hatte ihm vor wenigen Wochen öffentlich psychische und physische Gewalt während ihrer Beziehung vorgeworfen. Zverev versuchte zunächst in einem Statement bei Instagram, in dem er seine Unschuld beteuerte, die Vorwürfe abzuwehren. Doch Fragen blieben, zumal Scharipowa ihre Vorwürfe im amerikanischen Racquet Magazine ausweitete. In London musste Zverev damit rechnen, wieder mit dem Thema konfrontiert zu werden, so war er vorbereitet.

Auf die erste Frage trug Zverev am Freitag ein auf Englisch vorbereitetes Statement vor (das er auf Deutsch wiederholte) und wehrte sich entschieden. "Die Anschuldigungen sind unbegründet und unwahr, und ich weise sie weiterhin zurück", sagte er, teils von seinem Handy ablesend. "Wir hatten unsere Hochs und Tiefs, aber so, wie unsere Beziehung in der Öffentlichkeit dargestellt wird, war es nicht." So sei er nicht, "so wurde ich nicht erzogen von meinen Eltern. Es macht mich traurig, welche Auswirkungen solche falschen Anschuldigungen haben können". Nach diesen Ausführungen beantwortete er Fragen zum Sport. Der abrupte inhaltliche Wechsel machte klar, in welch komplexer Lage Zverev sich befindet. Heile Welt hier, sorgenvolle Welt dort. Die letzte Wahrheit kennen ohnehin nur er und Scharipowa.

In jedem Fall, das hat sich bereits gezeigt, dürfte die Causa nicht einfach so mit knappen Erklärungen verschwinden. Scharipowa hat zwar angekündigt, keine rechtliche Schritte einzuleiten, weil es ihr nur darum gegangen sei, auf das Thema häuslicher Gewalt hinzuweisen. Und auch seitens Zverev kam noch kein Hinweis, dass er juristisch tätig werde. Und doch schwelt das Thema, so dass sich sogar die ATP zu einem Statement genötigt sah: Man verurteile jede Form von Gewalt, hieß es, man nehme Vorwürfe sehr ernst, wenn es zu offiziellen Ermittlungen gegen ein Mitglied der Tour käme. Ansonsten könne man aber nichts kommentieren. Den Schaden konnte diese Erklärung, die für manche Beobachter zu spät kam, kaum begrenzen.

Ein neuer Krisenmanager berät Zverev nun

Längst wurde inzwischen in großen Medien weltweit über Zverevs Fall berichtet. Im Internet formiert sich lose eine Bewegung, die Scharipowa unterstützt. Und auch zu namhaften Profis ist das Thema vorgedrungen. Der dreimalige Grand-Slam-Sieger Andy Murray, oft so etwas wie das moralische Gewissen der Tennisbranche, war der Erste, der sich auf den Fall bezog und in einem Internetchat mit dem französischen Kollegen Gaël Monfils von Zverevs "Off-court-issues" sprach.

Er sagte dann das absolut Richtige: Man müsse warten und sehen, was passiert in den nächsten Monaten. Aber auch bei ihm war zu spüren, wie heikel die Thematik ist. Nur: Sie ist nun einmal im öffentlichen Raum. Auch wenn selbstverständlich die Unschuldsvermutung gilt.

Dem Vernehmen nach - und wenig überraschend - ist Zverevs Management längst im Hintergrund intensiv im Einsatz, um seinem Klienten beizustehen. Pikanterweise ist das Roger Federers Agentur namens Team 8, der Schweizer gilt als der Vorzeigeprofi seiner Branche schlechthin. Wie sehr es brennt und Team 8 um das Image Zverevs fürchtet, lässt sich an einer Personalie in diesem Fall ablesen. Béla Anda wurde zusätzlich angeworben und berät Zverev. Der 57-Jährige ist ein Profi in Sachen Krisenkommunikation, er war Regierungssprecher, einst auch stellvertretender Chefredakteur bei der Bild-Zeitung, er kennt also alle Seiten und ist bestens vernetzt in der deutschen Medienlandschaft. Wie zu hören ist, soll er auch schon sehr aktiv sein.

Anda steht vor einer herausfordernden Aufgabe, grundsätzlich hat Zverev schon oft in seiner Karriere polarisiert, gerade erst im Frühsommer, als er an der umstrittenen Adria Tour teilnahm, bei der sich mehrere Spieler nach Feierlichkeiten mit dem Coronavirus infiziert hatten. Später hatte Zverev auch noch seine selbst auferlegte Quarantäne gebrochen. Seine letzte Freundin, mit der er zusammen war, verkündete jüngst, sie erwarte ein Kind von Zverev. Angesichts all dieser Ereignisse ist es durchaus bemerkenswert, dass Zverev, der bei den US Open im Finale stand, ein überaus erfolgreiches sportliches Jahr erlebte. Daran würde auch ein frühes Aus bei den ATP Finals nichts ändern.

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