Corona-Regeln:Der unvermeidliche Weihnachtsaffront

Berlin Prepares For Christmas Season During Pandemic Second Wave

Dass der Staat nun in die Weihnachtszeit eingreift, ist maximal bevormundend, es ist ein Affront.

(Foto: Getty Images)

Jeder Einzelne hat es in der Hand, ob nicht nur Weihnachten, sondern auch die Wochen danach gerettet sind. Die Einschränkungen lassen genügend Raum für Eigenverantwortung.

Kommentar von Jan Heidtmann

Ist Weihnachten noch zu retten? Wenige Tage vor dem ersten Advent scheint das eine der wesentlichen Fragen zu sein, die die Menschen in Deutschland umtreibt. Die Ministerpräsidenten haben nun eine Antwort gegeben, sie muss am Mittwoch noch in den Verhandlungen mit der Bundesregierung abgesegnet werden.

Auf den ersten Blick erinnern die Vorgaben an die Kindheit, als einem die Eltern noch gesagt haben, wann man zu Hause zu sein hat. Sie sind sicherlich einer der heftigsten staatlichen Eingriffe in die Privatsphäre der Deutschen, zum Beispiel die Vorgabe, sich mit maximal zehn Leuten zu treffen.

Denn egal, ob jemand gläubig ist oder nicht - die Weihnachtstage, die Zeit zwischen den Jahren bis Silvester, sind eine heilige Zeit. Viele Menschen versuchen sie von jeher fernab von Arbeit und amtlichen Verpflichtungen zu verbringen. Es ist Zeit für die Familie, für Freunde, im besten Fall für einen selbst. Dass der Staat nun dort eingreift, ist maximal bevormundend, es ist ein Affront.

Einerseits.

Andererseits ist die Zahl der mit Corona Infizierten weiterhin hoch, immer mehr Kliniken sorgen sich um die Zahl ihrer freien Betten auf den Intensivstationen. Die Ministerpräsidenten konnten gar nicht anders, als darauf zu reagieren. Wie sonst wäre es auch zu rechtfertigen, dass der Lockdown light verlängert werden soll. Herausgekommen ist ein Kompromiss, der es den Menschen erlaubt, Weihnachten und Silvester mit Familie und Freunden zu verbringen. Es ist eine gute Nachricht - vor allem für diejenigen, die erst das Frühjahr und nun den Herbst isoliert verbringen mussten. Den Preis dafür haben die ersten Virologen bereits taxiert: eine dritte Infektionswelle im Januar.

Ein Böllerverbot muss nicht sein. Dahinter steckt vor allem Ideologie

Der Berliner Senat hatte zudem ein komplettes Böllerverbot vorgeschlagen. Tatsächlich kann man sich fragen, ob es nötig ist, Hunderttausende Euro für Silvesterknaller mit Namen wie "Toxic Typhoon" oder "Peace Destructor" in die Luft zu jagen. Trotzdem ist es gut, dass das Verbot vorerst vom Tisch ist - der Vorschlag der Berliner Linkskoalition war mehr der Ideologie geschuldet denn der Not.

Das zentrale Argument jedenfalls, die Versorgung von Schwerverletzten durch Silvesterböller könnte die Intensivbetreuung von Corona-Patienten beeinträchtigen, ist durch Zahlen nicht zu belegen. Dieses Jahr ist eh von Einschränkungen geprägt, da braucht es keine weiteren. Zumal das Silvesterfeuerwerk für manche Menschen eine geradezu symbolische Bedeutung hat.

Das Beste an dem Vorschlag der Ministerpräsidenten ist jedoch, dass er jetzt kommt. Denn so großzügig wie die Vorgaben angesichts der Pandemielage gehalten sind: Sie sind, obwohl sie den Menschen ein Korsett für die Feiertage anlegen, vor allem als Denkanstoß zu verstehen, als Appell an die Eigenverantwortung der Menschen. Jeder Einzelne hat es nun in der Hand, ob nicht nur Weihnachten, sondern auch die Wochen danach gerettet sind.

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