Handball-WM:"Das ist absolut peinlich"

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Findet eine WM vor Zuschauern "peinlich": Sander Sagosen. (Foto: Robert Michael/dpa)

Bei der Handball-WM in Ägypten sollen 20 Prozent der Zuschauer in die Hallen gelassen werden. Das führt zu heftiger Kritik - der DHB übt sich jedoch in Gelassenheit.

Von Carsten Scheele

Der Norweger Sander Sagosen nimmt im Welthandball eine Rolle von gehobener Wichtigkeit ein. Er hat mit dem THW Kiel gerade die Champions League gewonnen, gilt als bester Mittelmann der Welt, und deshalb, klar, als kommender Welthandballer. Wenn sich einer wie Sagosen, 25, also hinstellt und die Pläne des Handball-Weltverbands (IHF) als "peinlich" bezeichnet, ist dies ein Vorgang, der kaum ignoriert werden kann.

Sagosen bezog sich auf die Ankündigung der IHF, bei der Weltmeisterschaft in Ägypten (13. bis 31. Januar) Zuschauer in die Hallen zu lassen. Nicht alle, aber immerhin 20 Prozent, wie der Verband am Dienstag bekräftigte. In eine Arena mit normalerweise 5200 Zuschauern dürfen während der Corona-Pandemie also immerhin 1040 Fans hinein. "Ich finde, das ist absolut peinlich. So wie die Welt gerade aussieht, und da wollen sie Zuschauer dabei haben", erklärte Sagosen gegenüber der Nachrichtenagentur NTB in seinem Heimatland.

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Diese Pandemie-WM hatten schon Spitzenspieler wie der Kroate Domagoj Duvnjak ("zu gefährlich") oder der Isländer Aron Pálmarsson ("sollte das absagen") kritisiert: Sie alle verstehen nicht, weshalb die IHF trotz nach wie vor hoher Infektionszahlen am Megaturnier mit erstmals 32 Mannschaften aus aller Welt festhält. Einige der besten deutschen Spieler, darunter Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek, haben gleich ganz abgesagt. Und auch der dänische Topmann Mikkel Hansen gestand, er würde "lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht eine Absage erwogen hätte". Da wird eine WM angesetzt, und die besten Spieler wollen eigentlich gar nicht hin.

Hanning reagiert auf die Kritik von Bissel

Beim Deutschen Handball-Bund (DHB) sehen sie die Lage noch etwas entspannter. Ja, man werde nach Ägypten fliegen, und ja, man vertraue auch dem Hygienekonzept der Veranstalter, sagte Sport-Vorstand Axel Kromer am Montag. Man müsse in Ägypten jedoch "nicht alles machen, was formell erlaubt ist". Gut möglich also, dass die Nationalspieler bei der WM strengere Regeln befolgen werden als vom Veranstalter vorgesehen. Vizepräsident Bob Hanning nutzte zudem die Gelegenheit, öffentlich auf Erlangens Geschäftsführer Carsten Bissel zu antworten, der in der SZ deutliche Kritik am WM-Vorhaben des DHB geäußert hatte. Die Weltmeisterschaft sei "nicht tragbar", hatte Bissel gesagt, das Hygienekonzept und die geplante Blase in Kairo für alle Mannschaften, Spieler, Betreuer und Journalisten sei "ein Witz".

Er tue sich "sehr schwer" mit solcher Kritik, sagte Hanning dem RBB: "Ich finde das sehr hart, so etwas ständig zu behaupten." Bissels Äußerungen waren nicht die ersten Verlautbarungen aus der Bundesliga; auch die Bosse des THW Kiel und der SG Flensburg-Handewitt hatten sich für eine Verlegung der WM ausgesprochen. "Ich weiß nicht, woher wir die Arroganz nehmen, dass wir das alles besser können als andere Länder", beklagte Hanning nun. Der Manager der Füchse Berlin fliegt am kommenden Dienstag zusammen mit der deutschen Mannschaft nach Kairo, und zwar "sehr positiv gestimmt auf das, was kommen wird".

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Diese Haltung vertritt auch Kapitän Uwe Gensheimer. Man habe sich im Vorfeld mit allen Schwierigkeiten auseinandergesetzt, "natürlich reden wir über die Corona-Regeln. Aber sie sind keine Last oder kein Hemmnis", sagte Gensheimer und versicherte: "Alle, die hier sind, wollen dieses Turnier spielen." Jetzt gilt es, sich in nur zwei Vorbereitungsspielen gegen Österreich - das erste am Mittwoch in Graz - so gut es geht einzuspielen. Das ist wenig Zeit für Bundestrainer Alfred Gislason, der ohne Pekeler, Wiencek und all die anderen Absager und Verletzten ein neues, offensiveres Abwehrkonzept einüben will. Er müsse "auf einige taktische Möglichkeiten verzichten", sagte der Isländer, der neue Mittelblock mit Erlangens Sebastian Firnhaber und Flensburgs Johannes Golla stehe aber schon passabel. "Ich glaube trotzdem an diese Mannschaft", sagte Gislason.

Und die Sache mit den Zuschauern? Gislason sagt, man werde in der Blase "sicherer sein als zu Hause, wo wir gelegentlich raus müssen zum Einkaufen". Gensheimer findet, die Hallen seien ja groß: "Ich glaube nicht, dass auch nur ein Zuschauer nah an uns herankommt." Ein Gespräch mit Sagosen unter internationalen Topspielern könnte interessant werden.

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