"Rap über Hass" von K.I.Z:Teure Autos, Tod, Skandal, Gewalt und so weiter

Pressematerial zur neuen Platte von "K.I.Z"

Hat den nach außen gewendeten Selbst-Diss perfektioniert: die Band "K.I.Z."

(Foto: Jens Koch)

Man kann die Brachial-Satire-Rapper von "K.I.Z" entweder brillant finden oder beknackt. Sie brillant zu finden, macht allerdings mehr Spaß.

Von Juliane Liebert

Juhu, ein neues K.I.Z-Album! K.I.Z gibt es inzwischen schon so lange, dass ein neues Album von ihnen sich anfühlt, als wäre es Weihnachten und man würde seine Cousins wieder treffen, das eine Mal im Jahr, das man sich eben sieht. Dieses Jahr ist Weihnachten also im Mai, und K.I.Z rappen über Hass und teilen wie üblich fröhlich in alle Richtungen aus. Die Gangart ist ein wenig rauer als auf "Hurra die Welt geht unter". "Rap über Hass" ist laut und eklektizistisch, und damit eher ein Geschenk für Fans der frühen Sachen. "Hahnenkampf" lässt grüßen.

Das Cover ist in Beige gehalten und zeigt eine lächelnde Frau mit einer süßen Katze. Es erinnert - Zufall? - an Billie Eilishs neues Cover, auf dem sie nach einem Imagewechsel statt mit giftgrünschwarzem Haar mit blonden Locken von einem ähnlich beigen Hintergrund herabblickt. Ohne Katze. Aber Beige ist offenbar die Farbe der Zeit.

"Wenn du in die Crew hineinwillst / Bring mir den Kopf von Julian Reichelt"

Man sollte sich allerdings nicht täuschen lassen - bis auf das Cover ist an diesem Album nichts beige.

Auf dem ersten Track erklärt zur Einstimmung deshalb erst mal der AfD-Abgeordnete Bernd Baumann dem Bundestag, wie "gewaltverherrlichend", "deutschfeindlich" und "christenfeindlich" K.I.Z sind. Was diese natürlich als Kompliment verstehen und erst richtig loslegen. Sie fahren ihre ganze Palette auf - teure Autos, Tod, Skandal, Gewalt und so weiter: "Wenn du in die Crew hineinwillst / Bring mir den Kopf von Julian Reichelt."

K.I.Z machen also, unbeirrt von der neuen woken Linken, das, was sie schon immer machen: Gymnasial-Arbeiterklasse-Nihilismus-Rap mit Punchlines, die programmatisch Tabus overtriggern. Das führt zu Zeilen wie "Lass mich mal Junge, das ist 'ne Muschi, keine Blindenschrift". Die kann man nun entweder brillant oder beknackt finden. Sie brillant zu finden, macht allerdings mehr Spaß.

"Rap über Hass" von K.I.Z: undefined

Für die Hookline von "Unterfickt und geistig behindert" haben sie den Roboterrefrain von Beastie Boys' "Intergalactic" gekapert, was extrem affig, aber leider lustig ist. Man könnte das "Entertainment jenseits des Sagbaren" nennen, aber generell randalieren K.I.Z trotz der Punchline-Dichte sehr überlegt und mit einem scharfen Bewusstsein dafür, was sie sagen können. Auf dem Album kokettieren sie denn auch noch prominenter als bisher mit Homosexualität. Mit Zeilen, die ein klarer Diss sind gegen die Rap-Szene und ihre notorische Schwulenfeindlichkeit - und wohl auch ein Umgang mit dem eigenen Unwohlsein.

Im Tagesspiegel-Interview behaupteten sie jüngst, dass sie keine Satire machen. Ist das nur eine metasatirische Autonomie-Geste à la Rafael Horzons "Ich bin kein Künstler", oder machen sie wirklich keine Satire? Und wenn nicht, was dann? Immerhin kultivieren sie doch das Pubertäre als Dauerzustand. "Kinderkram", der letzte Track des Albums, ist eine Art Daft-Punk-Hommage und ein Zeugnis der eigenen Verwirrung, dass ihr Musikrezept seit 20 Jahren funktioniert. "Kinderkram, haben sie gesagt / stoßt euch erst mal die Hörner ab / Bis hierher ist alles gut gegang' / Fick-deine-Mutter-Rap seit 20 Jahrn".

Ihre Schlussfolgerung aus der Unmöglichkeit, glaubwürdig zu rappen: Kunst ist, wenn man trotzdem rappt

Der AfD-O-Ton am Anfang des Albums unterstreicht allerdings, wie relevant sie trotzdem sind. Immerhin: Sie fordern das freie Denken heraus. In diesem Sinne ist ihr Style sogar Rootsrap. Eigentlich texten sie sehr traditionsbewusst, weil sie radikale Freiheit praktizieren, deren Voraussetzung ja gerade die ästhetische Form ist. Außerdem widerlegen sie die These, dass sprachliche Gewalt automatisch ein Schritt hin zu tatsächlicher Gewalt ist. Sie kann auch kathartisch wirken. Kommt eben auf Kontext und Rahmen an.

K.I.Z bezeichneten sich in ihrer Pressekonferenz zum Album mit angemessenem Pathos als Künstler. Man sollte das nicht ironisch verstehen.

Am ehesten ist ihr Gestus vielleicht mit Jonathan Meeses notorischem Erzhitlergruß zu vergleichen. Nur ist ihr Absolutheitsanspruch klüger, weil er seine Kraft daraus zieht, sich permanent selbst zu demontieren. "Hier kann man nicht kiffen wie in Amerika", haben sie schon vor Jahren festgestellt. Als Dicke-Hose-Rapper sind sie also immer Witzfiguren, egal wie klug sie sind. Und das wussten sie von Anfang an. Deshalb ist ihr Style auch immun gegen Vorwürfe der Übergriffigkeit oder Aneignung. Sie haben den nach außen gewendeten Selbst-Diss perfektioniert. Ihre Schlussfolgerung aus der Unmöglichkeit, glaubwürdig zu rappen: Kunst ist, wenn man trotzdem rappt. In ihrer ewigen Pubertätssause manifestiert sich die Erkenntnis, dass man nur im grotesken, aber lebensnahen Bullshit der Ernsthaftigkeit nahekommen kann.

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