Gesundheit:Strafanzeige gegen Kinderpsychiater Winterhoff

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Der Kinderpsychiater Michael Winterhoff ist 66 Jahre alt und behandelt Kinder in seiner Bonner Praxis und in bis zu 30 Pflegefamilien und Einrichtungen der Jugendhilfe. (Foto: Imago)

Es bestehe der Anfangsverdacht der schweren Körperverletzung. Zahlreiche ehemalige Patientinnen und Patienten werfen dem Bonner Arzt vor, ihnen ohne Diagnose schwere Neuroleptika verschrieben zu haben.

Von Nicole Rosenbach, Köln, und Rainer Stadler, Köln/München

Nach den massiven Vorwürfen gegen den Bonner Kinderpsychiater Michael Winterhoff ist bei der Staatsanwaltschaft Bonn eine erste Strafanzeige gegen den Arzt eingereicht worden. Sie kommt vom Siegburger Anwalt Mehmet Daimagüler, der auch im NSU-Prozess in München Angehörige von Opfern vertrat. Es bestehe "der Anfangsverdacht der Körperverletzung und der schweren Körperverletzung, des Abrechnungsbetrugs" und möglicherweise weiterer Straftatbestände, heißt es in der Anzeige.

WDR und Süddeutsche Zeitung hatten über die Behandlungsmethoden des bekannten Kinderpsychiaters berichtet, der zahlreiche Bücher verfasste und wiederholt in Talkshows zu Gast war. Ehemalige Patienten erheben schwere Vorwürfe gegen ihn. Winterhoff verschrieb ihnen, zum Teil ohne Diagnose, stark sedierende Neuroleptika. Vor allem das Mittel Pipamperon mussten viele der Betroffenen über Jahre einnehmen. Das räumt der Arzt ein.

Die Medikamente, die Winterhoff verschrieb, können zahlreiche Nebenwirkungen hervorrufen. Sie reichen von Müdigkeit über starke Gewichtszunahme bis hin zu Diabetes und Herzerkrankungen. Studien deuten darauf hin, dass sie dazu beitragen, die Gehirnmasse zu verringern. Winterhoff hatte zunächst auf Anfrage mitgeteilt, dass der Einsatz von Pipamperon unbedenklich sei, solange die Behandlung kinderpsychiatrisch kontrolliert werde. Später erklärte er, dass er den Einsatz von Medikamenten bei Kindern nicht für unbedenklich halte, da Nebenwirkungen auftreten könnten. Daher wäge er Nutzen und Risiken einer medikamentösen Behandlung ab.

Seine Diagnosen sind in der Fachwelt nicht anerkannt

Eltern und auch Vormunde der Kinder, von denen sich viele in Einrichtungen der Jugendhilfe befanden, klagten, sie seien nicht hinreichend über die Medikamente aufgeklärt worden. In mindestens einem Fall wurden die Erziehungsberechtigten offenbar überhaupt nicht informiert. Laut Winterhoff handelte es sich um ein Missverständnis.

In einigen Fällen stellten Erziehungsberechtigte der Kinder fest, dass Winterhoff eine andere Diagnose bei der Krankenkasse abgerechnet hatte, als er ihnen gegenüber angab. WDR und SZ haben mit mehr als 20 ehemaligen Patienten gesprochen und deren Unterlagen eingesehen. Ihnen allen stellte Winterhoff die Diagnose "Entwicklungsretardierung mit Fixierung im frühkindlichen Narzissmus" sowie "Eltern-Kind-Symbiose" aus. Dieses Krankheitsbild beschreibt er auch in seinen Büchern. In Fachkreisen wird die Diagnose jedoch nicht anerkannt, sie taucht in keinem Lehrbuch auf.

Nach Informationen von WDR und SZ wollen noch weitere Betroffene gerichtlich gegen den Bonner Kinderpsychiater vorgehen. Entsprechende Strafanzeigen seien gerade in Vorbereitung und würden in den nächsten Tagen bei der Staatsanwaltschaft eingereicht.

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