Prozess um Falschparker:Tragische Leberkässemmel

Prozess in München: Der Wagen eines Klägers vor dem Oberlandesgericht

Ein Strafzettel und ein kaputter Scheibenwischer: Im Hof des Oberlandesgerichts parkt der weiße Mercedes des Klägers.

(Foto: Susi Wimmer)

Ein Münchner hält im Parkverbot, um sich schnell eine Leberkässemmel zu kaufen. Als er wiederkommt, hat er einen Strafzettel - und einen kaputten Scheibenwischer. War es die Polizeihostess? Der hungrige Fahrer klagt sich durch die Instanzen.

Von Susi Wimmer

So eine Leberkässemmel kann ganz schön viel Unheil anrichten. Und wir reden hier nicht von Fettpunkten oder Massentierhaltung. Helmut G. hat das Wurstglück nach seiner Einschätzung 1264 Euro gekostet, von den Gerichtskosten ganz zu schweigen. Der Münchner hatte im August 2019 verbotswidrig vor einer Metzgerei geparkt. Als er vom Einkauf zurückkam, klebte ein Strafzettel an der Scheibe seines Mercedes, und ein Scheibenwischer war kaputt. Für ihn war klar: Den hat die Polizeihostess kaputt gemacht. Daraufhin klagte sich der 84-Jährige durch alle Instanzen - und zog am Donnerstag vor dem 1. Zivilsenat am Oberlandesgericht München seine Berufung zurück.

"Wir haben uns wirklich ausführlich um Aufklärung bemüht", sagt der Vorsitzende Richter Thomas Steiner am Ende. Und bedenkt man den Schaden, den Helmut G. in erster Instanz vor dem Landgericht mit 100 Euro angab, so kann man schon mal über Relationen nachdenken. Jetzt sagt Helmut G., in der Autoscheibe sei auch noch ein Kratzer gewesen, deshalb die gestiegene Schadenssumme. In den Gerichtssaal hat Helmut G. nicht nur den kaputten Scheibenwischer und das abgebrochene Verbindungsteil mitgebracht, im Hof des Oberlandesgerichts parkt noch dazu sein weißer Mercedes. Das Gericht lädt zum Ortstermin.

"Ich habe 50 Jahre lang Kfz-Gutachten gemacht als Sachverständiger", ruft Helmut G. Der Wischer sei ganz klar mit Gewalt abgebrochen worden. Von Verschleiß könne keine Rede sein. Und die Polizeihostess Christine S. erklärt: "Ich arbeite seit über 30 Jahren auf der Straße. Ich fasse keine Scheibenwischer an, ich schiebe die Strafzettel unter den Gummi." Das will der Senat dann sehen. Helmut G. lässt die Scheibenwischer hin- und herflitzen, bis sie die Stellung haben, wie an dem verhängnisvollen 12. August 2019. Da parkte G. am Kufsteiner Platz, um sich die Semmel zu kaufen. Allerdings dauerte es in der Metzgerei etwas länger. Die Wischer stehen fast senkrecht. Christine S. demonstriert, wie sie mit einem Griff "die VMZ" (Verwarnung mit Zahlungsaufforderung) von oben oder unten unter den Wischer schiebt, ohne diesen anzufassen.

"Sie müssen beweisen, dass die Polizeihostess ihr Auto beschädigt hat"

"Als ich aus der Metzgerei kam, war der rechte Scheibenwischer ganz nach unten gezogen und abgebrochen. Und dort steckte der Strafzettel", entrüstet sich der 84-Jährige. Also versucht die Polizeihostess, von der Beifahrerseite aus, den Scheibenwischer zu berühren. Sie kommt kaum hin, "und ich lehn' mich auch nicht an die Autos, sonst werd' ich ja dreckig". Um das Ganze auch noch realistisch nachzustellen, kippt eine Richterin Wasser auf die Windschutzscheibe, um Regen zu simulieren. Das Ergebnis bleibt dasselbe.

Zurück im Gerichtssaal redet der Vorsitzende Tacheles und geht in Vorlage für den Senat: "Sie müssen beweisen, dass die Polizeihostess ihr Auto beschädigt hat", sagt Thomas Steiner. Dafür aber habe G. keine Zeugen, und er selbst habe es auch nicht gesehen. Dass der Wischer "bis zur tragischen Leberkässemmel" funktioniert habe, und dann plötzlich nicht mehr, sei wohl auch nicht mit einem Materialschaden zu erklären. Am ehesten wohl noch damit, dass ein Passant den Strafzettel sehen wollte, und deshalb den Wischer nach unten zog, oder dass sich ein Passant über den falsch geparkten Wagen geärgert und ihn mutwillig beschädigt habe. Summa summarum: "Der Vorwurf gegen die Polizeihostess ist nicht bewiesen."

Weiter protestierend nimmt G. die Berufung zurück. "Ich bin mit meinen 84 Jahren um eine Lebenserfahrung reicher geworden", fügt er an, und packt den kaputten Wischer wieder ein.

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