Drogenpolitik:Diskussion um die Legalisierung von Cannabis

Karl Lauterbach

Karl Lauterbach, Gesundheitsexperte der SPD, diskutierte bei Maybrit Illner über das Ende der Corona-Beschränkungen.

(Foto: Michael Kappeler/dpa)

SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach spricht sich überraschend für mehr Freiheiten im Umgang mit Cannabis aus. In den Sondierungsgesprächen wurde allerdings noch nicht darüber gesprochen.

Von Michaela Schwinn

Geht es um die Sondierungen, dann geht es zuallererst um die ganz großen Themen: Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit, Finanz- und Steuerpolitik. Hier heißt es, standhaft zu bleiben, hart zu verhandeln, hier werden die viel zitierten "roten Linien" gezogen. Wer zahlt für saubere Luft? Kommt das Tempolimit? Und was passiert mit den Steuern? Darüber herrscht - zumindest was bisher aus den Gesprächen bekannt wurde - noch wenig Einigkeit bei SPD, Grünen und FDP. Nicht ungelegen dürfte den Regierungswilligen daher ein eher kleines, aber nicht minder hitzig debattiertes Thema kommen, bei dem sich die drei auf einen Kompromiss zubewegen: die legale Abgabe von Cannabis.

Die Einsicht, dass der bisherige Umgang mit Cannabis, der vor allem aus Verboten und Kriminalisierung bestand, den Konsum nicht senken konnte. Und dass die Verfolgung enorme Ressourcen bei Justiz und Polizei verschlingt, dass grundsätzlich ein neuer Weg eingeschlagen werden muss, all das findet sich in den Wahlprogrammen der Ampel-Sondierer. Schwieriger wird es bei der Frage, was sich konkret ändern soll in der Drogenpolitik. Grüne und FDP befürworten eine Legalisierung von Cannabis und "lizenzierte Fachgeschäfte", in denen volljährige Personen Gras kaufen können. Dagegen wirken die Bemühungen der SPD eher zaghaft: Mit Modellprojekten soll eine regulierte Abgabe von Cannabis erst mal "erprobt" werden, heißt es im Wahlprogramm.

Am Mittwoch schien es dann zumindest kurzzeitig so auszusehen, als bestünde beim Thema Drogenpolitik nun aber Einigkeit zwischen den drei Parteien: SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, der eine Legalisierung von Cannabis lange strikt ablehnte, sprach sich in einem Interview mit der Rheinischen Post überraschenderweise dafür aus, eben diese in einen möglichen Koalitionsvertrag aufzunehmen. Grund für den Sinneswandel sei ein neues Phänomen in der Drogenszene: "Wir haben in letzter Zeit zunehmend das Problem, dass Cannabis verunreinigt auf den Markt kommt und dass Cannabis-Händler versuchen, Konsumenten dadurch auch von härteren Drogen abhängig zu machen", sagte er der Süddeutschen Zeitung.

Eine schnelle und große Reform klingt dann doch anders

Ein kleiner Zwischenerfolg also für die Ampel-Sondierer? Ganz so einfach scheint es nicht zu sein. Zum einen habe es das Thema Cannabis noch gar nicht auf den Verhandlungstisch geschafft, so Lauterbach. Zum anderen rudert der Gesundheitsexperte auch bei der praktischen Ausführung der Legalisierung ein Stück weit zurück: Seiner Meinung nach soll Cannabis zunächst nur in Modellregionen legal abgegeben werden. Einen Verkauf in Geschäften, wie es Grüne und FDP fordern, fände er "auch in Ordnung", aber am Anfang nur in bestimmten Regionen und wissenschaftlich begleitet. Langfristig, sagt Lauterbach, müsse man zu einer Entkriminalisierung kommen. Eine schnelle und große Reform klingt anders.

Ausdiskutiert dürfte das Thema also noch nicht sein. Das machten auch die Jungen Liberalen deutlich: Ihr Bundesvorsitzender Jens Teutrine schrieb auf Twitter, die Cannabislegalisierung sei "eine überfällige Selbstverständlichkeit. Stigmatisierung, Prohibition und Kriminalisierung sind gescheitert". Noch jemand reagierte wenig begeistert: das Gesundheitsministerium. Ein Sprecher von Jens Spahn erteilte der Sache sofort eine Absage. Das aber dürfte die Ampel-Sondierer im Moment nur wenig kümmern.

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