Nachruf:Aus einer anderen Musikgalaxis

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Sie wurde 74 Jahre: Die Sopranistin Edita Gruberová. (Foto: Uli Deck/dpa)

Sie sang, als müsse sie kaum atmen: Zum Tod der Koloratursopranistin Edita Gruberová.

Von Reinhard J. Brembeck

Die Königin ist alt, sie will es sich lange nicht eingestehen, auch nicht, dass sie von ihrem jungen Lover Roberto Devereux mehr benutzt als geliebt wird. Zuletzt aber hat sie es kapiert. In diesem Moment aber, vor siebzehn Jahren auf der Bühne des Münchner Nationaltheaters, wurde aus der grandiosen Superweltmeister-Koloratursopranistin Edita Gruberová eine ganz große Künstlerin. Dieser Moment wird jeder und jedem, der oder die dabei war, bis ans Lebensende in Erinnerung bleiben. Und jetzt, da die Nachricht vom Tod der erst 74 Jahre alten Sängerin um die Welt geht, ist es natürlich dieses Bild, das sofort im Gedächtnis auftaucht, weil es paradigmatisch für diese Künstlerin steht.

Als Edita Gruberová alias Elisabeth I. von England sich zuletzt keine Illusionen mehr machen kann und sogar auf die Krone verzichtet, da zieht sie sich - der immer dezent geniale Regisseur Christof Loy hat sich das ausgedacht - die Perücke vom Kopf, der von einem weißen Band umschlungen ist. Gruberová steht in Tristesse verloren da, nur mehr ein Häufchen Elend, nicht mehr die eiserne Lady, vor der sich die Welt einst fürchtete, auch nicht mehr die Meistervirtuosin, der nichts zu schwer oder zu hoch war, keine Tongirlande zu lang und die so unauffällig atmete, dass man glaubte, sie atme gar nicht: ein elysisches Wesen aus einer anderen Musikgalaxis.

Edita Gruberová wurde 1946 in Bratislava geboren, dort ausgebildet, debütierte dort - und schaffte bald den Sprung in den Westen, in das nahe Wien, an dessen Staatsoper, wo sie wie auch in München hymnisch geliebt wurde. Edita Gruberová war eine überwältigende Bühnenerscheinung, auf Platte fehlt es ihrer Stimme seltsamerweise an Kolorit und Ausstrahlung. Die realsozialistische Sängerausbildung, das hört man auch noch bei Anna Netrebko, war olympisch auf Perfektion ausgerichtet, auf schneller, höher, weiter, Durchschlagskraft. In den mit Koloraturen überschütteten Partien, in Mozarts nächtlicher Königin, in Richard Strauss' vergnügt zwitschernder Zerbinetta und in den Stücken Donizettis, Bellinis, Rossinis ging sie aber schon früh über die Ideale ihre Ausbildung hinaus.

Mit Callas konnte es keine aufnehmen, aber Gruberová zeigte sich interessiert

Der Beruf Koloratursopran ist durch die göttliche Callas vorbelastet, mit der es keine ihrer Nachfolgerinnen aufnehmen konnte, auch nicht die Gruberová. Die aber zeigte sich interessiert. Weniger am Bühnenspiel, das für ältere Sänger ganz generell nie übermäßig interessant war, sondern an musikalische Neuerungen. Was nicht heißen soll, dass sie Karlheinz Stockhausen gesungen hätte oder Luigi Nono, das war ihr und ihren Anhängern nun wirklich nicht vorstell- und zumutbar. Sie hat sich aber für den akribisch selbst in endlosen Koloraturen jede Note umdrehenden Alte-Musik-Meister Nikolaus Harnoncourt interessiert und der sich für sie, ihre Projekte sind in Aufnahmen dokumentiert und zeigen, dass Gruberová fähig und bereit war, die heilige Tradition weiter, genauer und manchmal sogar neu zu denken.

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Dabei brach sie auch wie wenige ihrer Kolleginnen mit der Tradition bei Giuseppe Verdi und man denkt an ein angeblich von Gustav Mahler wohl auf das Wiener Hofopernorchester gemünztes Bonmot: "Eure Tradition ist eure Schlamperei." Diese Traditionsschlamperei will, dass in der großen Soloszene der Edelmätresse Violetta Valéry, der schlichte langsame Teil schrecklich langsam und tränensacklastig gesungen wird. Gruberová machte, was Verdi wollte, sie singt etwas zügiger als üblich und zudem alle zwei Strophen, was Szene und Charakter verändert. Das hat sich bis heute nicht durchgesetzt. Aber die Gruberová ist durch diese Genauigkeit die noch bessere Künstlerin, als die sie es allein schon wegen ihrer Gesangskünste war.

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