Pipeline:Streit um Nord Stream 2 erreicht die Ampel

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Ausgangspunkt der gestoppten Ostsee-Pipeline Nord Stream 2: Bislang kommt mehr als die Hälfte des Erdgases in Deutschland aus Russland. (Foto: Peter Kovalev/imago images)

Grünen-Chefin Baerbock will der Gasleitung die Betriebsgenehmigung verweigern. Das kann die Koalitionsverhandlungen mit SPD und FDP auf eine harte Probe stellen.

Von Daniel Brössler, Berlin

Vor wenigen Wochen, Anfang Oktober, meldete die Betreibergesellschaft der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 Vollzug. "Die Leitung wird nun schrittweise mit Gas befüllt und der notwendige Druck aufgebaut", teilte die Gesellschaft mit. Jetzt folgten noch technische Tests. Das klang ganz so, als stehe der Inbetriebnahme der 1200 Kilometer langen Gasleitung nun nichts mehr im Wege. Dass dem mitnichten so ist, hat nun Grünen-Chefin Annalena Baerbock klargestellt. Unmittelbar vor Beginn der Ampel-Koalitionsverhandlungen plädierte sie dafür, der fertiggestellten Pipeline keine Betriebsgenehmigung zu erteilen.

Nord Stream 2 ist ein altes Streitthema der internationalen Politik. In Deutschland ist sie eines, bei dem die Fronten zwischen den künftigen Koalitionspartnern verlaufen. Von der SPD wurde das Vorhaben immer unterstützt. Die Grünen lehnen die Pipeline ab, die FDP sieht sie zumindest skeptisch.

Klar ist daher, dass die Kontroverse die drei Parteien in den Koalitionsverhandlungen beschäftigen wird. Im Sondierungspapier wird Nord Stream 2 zwar nicht namentlich erwähnt, dennoch spielt die Pipeline sehr wohl eine Rolle. "Für energiepolitische Projekte auch in Deutschland gilt das europäische Energierecht", heißt es im letzten Satz des Papiers. Das bezieht sich offenkundig auf die umstrittene deutsch-russische Röhre. In einem Zertifizierungsverfahren muss die in Bonn ansässige Bundesnetzagentur nämlich genau darüber befinden - ob der Betrieb der Pipeline im Einklang mit EU-Recht steht.

Baerbock wirft Russland ein "Pokerspiel" mit den Energiepreisen vor

Nach Ansicht von Baerbock ist die Sache klar. Nach europäischem Energierecht müsse der Betreiber der Pipeline "ein anderer sein als derjenige, der das Gas durchleitet", sagte sie der Funke-Mediengruppe. "Solange das ein und derselbe Konzern ist, darf die Betriebserlaubnis nicht erteilt werden", betonte sie. Dieser Konzern ist im Falle von Nord Stream 2 der russische Gasgigant Gazprom als Eigner von Nord Stream 2. Der eng mit dem Kreml verwobene Konzern steht aktuell im Verdacht, den rasanten Anstieg der Gaspreise mit zu befeuern - womöglich auch, um bei der noch ausstehenden Betriebsgenehmigung für Nord Stream 2 nachzuhelfen.

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Baerbock scheint dies für gesichert zu halten. Jedenfalls wirft sie Russland ein "Pokerspiel" mit den Energiepreisen vor. "Wir dürfen uns nicht erpressen lassen", forderte sie. Russland weist diesen Vorwurf von sich. Sehr wohl aber erweckt es den Eindruck, eine schnelle Betriebsgenehmigung für Nord Stream 2 könnte die Preise drücken.

Es sei "besser für die Endverbraucher", wenn die Bundesnetzagentur die bis 8. Januar laufende Frist für ihre Entscheidung nicht voll ausschöpfe, zitierte die russische Agentur Ria unlängst den russischen EU-Botschafter Wladimir Tschischow. Dabei fehlt es gar nicht an Transportkapazitäten. Vielmehr fühlt sich die Ukraine gerade bestätigt in ihrem Verdacht, dass die Pipeline durch ihr Gebiet langsam ausgetrocknet werden soll.

Letztlich stehen die künftigen Koalitionäre vor der Frage, ob sie den Streit um Nord Stream 2 als großen geopolitischen Konflikt behandeln wollen oder nur als bürokratische Entscheidung, die nun von der Bundesnetzagentur zu treffen ist. Am 8. September hatte die in Zug ansässige Nord Stream 2 AG bei der Bonner Agentur eine Zertifizierung als "unabhängiger Transportnetzbetreiber" beantragt. Die Agentur muss nun entscheiden, ob die Betreibergesellschaft, wiewohl im Besitz von Gazprom, ausreichend unabhängig agiert, um EU-Recht Genüge zu tun. Dazu folgt dann eine Stellungnahme der EU-Kommission, woraufhin dann die letzte Entscheidung bei der Bundesnetzagentur liegt.

Zunächst ist Wirtschaftsminister Peter Altmaier von der CDU am Zug

Das klingt so, als habe das alles nichts mehr mit Politik zu tun. Doch so ist das nicht. Für das Verfahren bei der Bundesnetzagentur muss das Bundeswirtschaftsministerium noch eine Einschätzung abgeben, ob die neue Pipeline die europäische Energiesicherheit beeinträchtigt. Da ist jetzt der noch amtierende Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Zug.

Doch auch die Haltung der künftigen Koalitionäre spielt nach Einschätzung des grünen Europaabgeordneten Reinhard Bütikofer eine Rolle für das weitere Verfahren. Er verweist auf die Formulierung im Sondierungspapier, wonach europäisches Energierecht gelte und die in einem Koalitionsvertrag präzisiert werden könnte. "Die Position, dass europäisches Recht nach Buchstaben und Geist angewandt werden soll, wäre mehr als ein technisches Versprechen", sagte Bütikofer der Süddeutschen Zeitung. Dadurch nämlich könne "die Konfliktbereitschaft der EU-Kommission gegenüber der Bundesnetzagentur erhöht werden".

In den Koalitionsverhandlungen dürfte nun eine Rolle spielen, wie die negativen Folgen für die Ukraine abgefedert werden können. Sie fürchtet nicht nur um Einnahmen aus dem Gastransit, sondern auch eine geostrategische Schwächung gegenüber Russland. Auch die USA sehen diese Gefahr, hatten im Juli angedrohte Sanktionen aber ausgesetzt. Im Gegenzug gelobte die Bundesregierung Unterstützung für die Ukraine und drohte Russland Sanktionen für den Fall an, dass es Energie als Waffe einsetzt. Was das konkret heißt, muss nun die neue Bundesregierung ausformulieren.

Derweil könnte Russland versucht sein, Fakten zu schaffen und schon mal Gas durch die neue Pipeline nach Europa zu pumpen. "Ein Gastransport in den Binnenmarkt ist erst dann zulässig, wenn die regulatorischen Voraussetzungen erfüllt sind", warnte am Mittwoch ein Sprecher der Bundesnetzagentur. Die Einhaltung der regulatorischen Voraussetzungen überwache die Behörde "genau".

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