Katharina Holzhey:"Sich spezialisieren in Pseudowissenschaften"

Das Theater 4 hat einen Film über die Anziehungskraft von Ideologien gedreht

Interview von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Für seine Bühnenarbeit ist das junge Theater 4 in diesem Jahr mit dem Tassilo-Kulturpreis der Süddeutschen Zeitung ausgezeichnet worden. Das Ensemble stellt sich in den selbst geschrieben Stücken immer große gesellschaftliche Fragen, schaut auf die Zusammenhänge, hinterfragt die eigenen Positionen. Nun haben sich die Schauspieler von der Bühne vor die Kamera begeben und den Film "Cement of the Universe", natürlich wieder mit selbst geschriebenem Drehbuch, produziert. Ensembleleiterin Katharina Holzhey hat das Drehbuch geschrieben und war für Regie und Kamera verantwortlich.

SZ: Frau Holzhey, Sie haben bisher Theater gemacht. Jetzt der Umstieg auf Film. Wie kam es dazu?

Katharina Holzhey: Der Wechsel auf Film ist eher aus pragmatischen Gründen entstanden. Da ich zum Studieren nach Tübingen gegangen bin, brauchte ich ein Format, für das ich nur eine begrenzte Zeit vor Ort sein muss. Auch die anderen Teammitglieder ziehen nach und nach in andere Städte. Der Wechsel auf Film erlaubt uns trotzdem weiter als Team zu arbeiten.

Der Filmtitel "Cement of the Universe" klingt, als ob Sie wieder ein großes Thema behandeln. Worum geht's?

Mich interessiert schon lange, weshalb sich Menschen in verschiedensten Ideologien verlieren. Gerade jetzt, wo Coronaleugner*innen die Sicherheit vulnerabler Gruppen in der Gesellschaft gefährden, erscheint mir dieses Thema besonders relevant. Angefangen zu schreiben, habe ich ja 2018 - also lange vor der Pandemie.

Katharina Holzhey: Ihr erstes Theaterstück hat Katharina Holzhey bereits vor dem Abitur geschrieben. Nach einem Bachelor der Philosophie in München, studiert die 23-jährige Bruckerin aktuell Psychologie an der Uni Tübingen.

Ihr erstes Theaterstück hat Katharina Holzhey bereits vor dem Abitur geschrieben. Nach einem Bachelor der Philosophie in München, studiert die 23-jährige Bruckerin aktuell Psychologie an der Uni Tübingen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Wie haben Sie sich dem Thema genähert?

Die letzten Jahre habe ich mir das Phänomen, dass sich Menschen in verschiedensten Ideologien verlieren vor allem hinsichtlich des Rechtsradikalismus angesehen - durch die NSU-Prozesse, die ich über ein halbes Jahr vor Ort verfolgt habe und den Lübcke-Prozess, für den ich nach Frankfurt gefahren bin. Zudem habe ich spannende Bücher zu dem Thema gefunden. Zum Beispiel Alice Miller, die nach dem Zweiten Weltkrieg das Phänomen beschreibt, wie Menschen, die gerade noch Nazi-Anhänger waren, plötzlich zu überzeugten Anhängern der DDR geworden sind. Es muss also weniger ein inhaltlicher als vielmehr ein funktioneller Grund sein, der Ideologien für Menschen so anziehend macht. Als mögliche Gründe kann man da vieles ausmachen: etwa Erziehung, Politik und gesellschaftliche Wertvorstellungen.

Wie setzen Sie dieses Thema im Film um?

Da sich nach dem letzten Stück über die gesellschaftlichen Dynamiken, die durch die Klimakrise ausgelöst werden, Menschen bei mir beschwert haben, dass meine Stücke weniger Theater, sondern eher Vorlesungen gleichen, habe ich aber versucht etwas weniger textlastig zu arbeiten. Ich habe versucht auf emotionaler Ebene die Gründe, die mit dem Phänomen von Ideologien zutun haben umzusetzen.

Welche Gründe für die Anziehungskraft von Ideologien haben Sie ausgemacht?

Die Gründe, die sich mir durch die vielen Tage in Gerichtsprozessen angedeutet haben waren, dass unsere - zum Glück - hochspezialisierte wissenschaftliche Gesellschaft viele Menschen, die nicht die Chancen haben lange zu studieren, abhängt und alleine lässt. Vielleicht entsteht dadurch ein Gefühl von "der Gesellschaft nicht genügen" und Identitätskrisen: Wie man denn in dieser Gesellschaft mithalten soll, wenn man nicht die Ressourcen hat jahrelang zu studieren? Und vielleicht entsteht daraus manchmal ein Abgrenzen von dem gesellschaftlichen Diskurs, der von lauter toll ausgebildeten Menschen geführt wird. Stattdessen erfolgt ein "autodidaktisches" Sichspezialisieren in Pseudowissenschaften, weil gar kein Verständnis vorhanden sein kann, wie denn Wissenschaft grundsätzlich funktioniert.

Cement of the Universe

Als Lisa (Lena Sammüller) ihrer Freundin Hannah anvertraut, dass sie in ihrer Beziehung Probleme hat, machen sich die beiden zu einen Roadtrip auf.

(Foto: Privat)

Hört sich für mich jetzt schon eher wieder nach Vorlesung an.

Im Film wird der Inhalt natürlich auf ganz anderen Ebenen, beispielsweise mit Bildern und Musik dargestellt.

Worum geht es denn jetzt ganz konkret?

Es geht um Hannah und Lisa, beide um die 20. Hannah fühlt sich unverstanden von ihrem Partner, der ihr intellektuelle Vorträge hält, aber ihre Kommunikation auf emotionaler Ebene nicht versteht. Lisa hingegen ist streng gläubige Christin und fühlt sich von ihrem Partner, der seine christlichen Wertvorstellungen an sie heranträgt, bewertet und klein gemacht. Beide Frauen brechen zu einem Roadtrip auf und versuchen sich von ihren Partnern abzugrenzen und über eine ganz andere Ideologie eine eigene Identität aufzubauen, in die Yannik und Niklas nicht hineinreden können.

"Cement of the Universe", Premiere am Sonntag, 14. November, um 18 Uhr im Lichtspielhaus Fürstenfeldbruck. Weitere Termine: Donnerstag, 18. November, 20 Uhr und Sonntag, 21. November, 18 Uhr. Restkarten gibt es unter www.kino-ffb.de

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