Kino:Reise ins Licht

Bei der Premiere seines ersten Films "Cement of the Universe" zeigt das Theater 4, dass es auch Potenzial für die Leinwand hat. In dem Roadmovie flüchten zwei junge Frauen aus ihren Beziehungen und verlieren sich in einer tödlichen Ideologie

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Da sitzen sie nun, Lisa und Hannah, auf einem Baumstumpf im Nirgendwo. Im Rücken die Alpen, über sich einen strahlend blauen Himmel. Zwei Freundinnen Anfang zwanzig, auf der Flucht vor dem "Wir", in das sie mit ihren Partnern Niklas und Yannik geschlittert sind. Der Halt, den sie dort gefunden haben bröckelt - oder genauer gesagt die Fassade, die ihnen Stabilität suggeriert hat. Und die letztlich doch nicht mehr ist als ein Luftschloss. Mit den Trümmern im Gepäck brechen sie zu einen Roadtrip auf. Doch statt endlich nach sich selbst zu suchen, nach einem "Ich", stürzen sie sich in das nächste Geborgenheit versprechende "Wir". Und dieses Mal ist es ein lebensgefährliches Experiment.

Erzählt wird die Geschichte von Lisa und Hannah in "Cement of the Universe", dem ersten Spielfilm vom Theater 4. Am Sonntagabend hat das junge Ensemble um Regisseurin und Drehbuchschreiberin Katharina Holzhey zur Premiere ins Lichtspielhaus in Fürstenfeldbruck geladen. Die Idee, sich einmal filmisch auszuprobieren, gab es schon länger, die Pandemie und studiumsbedingte Umzüge waren nun Auslöser, es einfach mal zu machen.

Am Beispiel der beiden jungen Frauen geht "Cement of the Universe" der Frage nach, warum Menschen Ideologien verfallen. Bei Hannah (Lea Frey) und Lisa (Lena Sammüller) ist es die "Lichtnahrung", die Erlösung verspricht, eine kleine, weltweite Esoterik-Bewegung, die behauptet, der Mensch könne auf Essen und Trinken verzichten und dabei zum besseren Individuum werden. Immer wieder sterben Menschen bei dem Versuch, das einleitende dreiwöchige Radikalfasten durchzuhalten.

Cement of the Universe

Die Freundinnen Hannah (links, Lea Frey) und Lisa (Lena Sammüller) flüchten vor der Enge in ihren Partnerschaften in die Natur. Dort spüren sie für kurze Zeit wieder die Freiheit. Kurz darauf begeben sie sich erneut in ein selbst gewähltes Gefängnis.

(Foto: Theater 4)

Explizite Antworten auf die Eingangsfrage gibt der Film nicht, vielmehr sind es kleine Hinweise und Denkanstöße. Das Muster ist bei Lisa und Hannah gleich: der Wunsch nach Anerkennung und Anleitung, eine innere Einsamkeit, der Versuch, eine überkomplexe Welt durch Simplifizierung greifbarer und verständlicher zu machen.

Es ist eine beachtliche Leistung, die das kleine Team mit einem ebenso kleinen Budget da erbracht hat. Die Schauspieler - neben Sammüller und Frey sind das Titus Weber (Lisas Freund Niklas) und Tim Golling (Hannahs Freund Yannik) - haben die Umstellung von der Distanz, die die Bühne bietet, zur Intimität vor der Kamera ordentlich gemeistert. Mit Anna Dziuban hat das Team eine junge Musikerin gefunden, deren selbstgeschriebene Lieder dem Film auf wunderbare Weise ein atmosphärisches, emotionales Gerüst verpasst.

Ganz abgelegt hat das Ensemble seine Bühnenherkunft im Film allerdings nicht. Es wird viel gesprochen und manchmal zu wenig gespielt. In den Dialogen ist meist das Gesicht des Sprechenden in Nahaufnahme zu sehen, was auch daran liegt, dass weitgehend in engen Studierendenwohnungen gedreht wurde, wie Regisseurin Holzhey beim Publikumsgespräch nach der Premiere verrät. Die Schnitte sind schnell, manchmal wünscht man sich als Betrachter, etwas länger in der ein oder anderen Szene bleiben zu dürfen, um die Charaktere und ihre Probleme besser kennenlernen zu können. Immer wieder entstehen aber auch starke und schöne Bilder, etwa wenn Lisa und Hannah während ihrer Fahrt Pausen in der Natur einlegen, für eine kurze Zeit wirklich frei sind, beim Baden im See oder dem Herumtollen auf einer Wiese. In diesem Momenten erlaubt es der Film dem Betrachter, auch emotional komplett in die Szene und die Welt der Protagonistinnen einzutauchen.

FÜRSTENFELDBRUCK: Filmpremiere von Cement of the Universe

Zur Premiere im ausverkauften Lichtspielhaus ist auch das Filmteam erschienen, um dem Publikum Rede und Antwort zu stehen.

(Foto: Leonhard Simon)

Ob das Theater 4 einen weiteren Film produziert, ist noch offen. Wünschenswert wäre es, schon um zu sehen, wohin sich das Ensemble auch vor der Kamera noch entwickeln kann.

"Cement of the Universe", Lichtspielhaus Fürstenfeldbruck, weitere Termine: Donnerstag, 18. November, 20 Uhr, und Sonntag, 21. November, 18 Uhr

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